Nachhaltige Mobilität erfordert eine Verhaltensänderung. Die kann nur erfolgen, wenn unterschiedliche Motivationen und Barrieren gezielt angesprochen und entsprechende Maßnahmen entwickelt werden. Dazu sind sechs Klimatypen hilfreich.
Nachhaltigkeit wird für Unternehmen zunehmend zu einem Thema, das nicht mehr ignoriert werden kann. Durch die CSR-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) sind allein in Deutschland rund 15.000 Unternehmen verpflichtet, über die Auswirkungen des eigenen Geschäftsbetriebs auf Menschen und Umwelt zu berichten. Die Berichtsanforderungen der CSRD gelten ab dem 1.1.2024. zunächst für einen eingeschränkten Kreis von Unternehmen, der dann sukzessive erweitert wird. Grundsätzlich umfasst Nachhaltigkeit drei Dimensionen, die alle eine gleichwertige Rolle spielen: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Im Folgenden wird der Schwerpunkt auf die ökologische Nachhaltigkeit gelegt, genauer gesagt auf die Reduktion von Treibhausgasen in Organisationen durch nachhaltige Mobilität.
Letztendlich ist die neue Berichterstattung nur Mittel zum Zweck. Ein zentrales Ziel ist es, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. 2020 hat die EU im Rahmen des Green Deals das Klimaziel für 2030 verschärft. Die Treibhausgasemissionen sollen um 55 Prozent verringert werden. Durch den Emissionshandel werden die Zertifikate schrittweise teurer. Das heißt, dass Unternehmen die Wahl haben, entweder klimafreundliche Maßnahmen einzusetzen, um ihre Emissionen zu senken, oder den steigenden CO2-Preis zu bezahlen.
Zum einen werden dadurch neue Technologien zum Einsatz kommen. Ein zentraler Aspekt, der bisher wenig Beachtung gefunden hat, wird aber auch das Verhalten von Mitarbeitenden und Kunden und Kundinnen sein. Viele nicht produzierenden Unternehmen stellen nach der ersten Treibhausgasbilanzierung fest, dass deren Mobilität oft eine der größten CO2-Quellen ist.
Aber auch Kommunen sehen sich mit dem Umstand konfrontiert, dass der Bau eines Radweges nicht automatisch dazu führt, dass Bürger und Bürgerinnen das Auto stehen lassen und auf das Rad umsteigen. Sowohl Unternehmen als auch Kommunen stehen damit vor der Herausforderung, dass Menschen ihr Verhalten verändern sollten. Die Verkehrswende wird daher ohne Verhaltenswende keinen Erfolg haben. Die Herausforderung besteht darin, die zahlreichen Einflussfaktoren auf das Mobilitätsverhalten gezielt anzusprechen, um eine dauerhafte Verhaltensänderung zu erreichen.
Trägheit im Mobilitätsverhalten
Das Mobilitätsverhalten ist oft durch Routinen und Gewohnheiten geprägt. Unter anderem zeigen der niederländische Sozialpsychologie Bas Verplanken und Kollegen in ihrem Experiment „Habits versus planned behaviour: A field experiment“, dass Menschen dazu neigen, ihre Verkehrsmittelwahl nicht täglich zu überdenken, sondern stabilen Verhaltensmustern zu folgen. Diese Gewohnheiten sind besonders widerstandsfähig gegenüber Veränderungen, was die Herausforderung einer Mobilitätswende verdeutlicht. Um diese Routinen zu durchbrechen, ist es notwendig, Anreize zu schaffen, die Menschen dazu bringen, ihre Verkehrsmittelwahl aktiv zu hinterfragen. Dies passiert bestenfalls, wenn sich die Lebenssituation von Menschen sowieso grundsätzlich ändert, z.B. bei einem Umzug oder bei Antritt einer neuen Arbeitsstelle.
Ein entscheidender Schritt zur Veränderung von Mobilitätsgewohnheiten ist die Förderung aktiver Entscheidungsfindung. Dies kann durch gezielte Aktionen und Kampagnen geschehen, die von Kommunen, Unternehmen oder Schulen initiiert werden. Solche Maßnahmen können die Verkehrsteilnehmenden dazu anregen, ihr bisheriges Verhalten zu reflektieren und neue Optionen in Betracht zu ziehen. Die schwedische Psychologe Tommy Gärling konnte beispielsweise zeigen, dass „Mobilitätswochen“ oder „Autofreie Tage“ dazu dienen können, um das Bewusstsein für alternative Verkehrsmittel zu schärfen.
Dieser Schritt ist auch heutzutage noch notwendig. Viel zu oft gehen Kommunen oder Unternehmen davon aus, dass es ausreicht, die entsprechende Infrastruktur oder Maßnahmen bereitzustellen. Jedoch haben wir in unserer Arbeit festgestellt, dass Bürger und Bürgerinnen und Mitarbeitende eine unterschiedlich hohe Bereitschaft aufweisen, ihr Mobilitätsverhalten zu ändern, selbst wenn ein Bewusstsein dafür besteht. Hier spielt auch der Aspekt der Einstellungs-Verhaltens-Lücke eine Rolle.
Green Bias
Akteure für nachhaltige Mobilität müssen sich ebenfalls darüber bewusst sein, dass sie einem „Green Bias“ unterliegen. Durch die berufliche oder ehrenamtliche Arbeit haben diese Personen viel Wissen und Handlungswissen und auch eine tiefe Überzeugung von der Notwendigkeit nachhaltiger Mobilität. Oft bewegen sie sich dann auch in einem Umfeld, das ähnlich denkt. Wie bei einem anderen Bias – also verzerrten Ergebnis – , gehen sie davon aus, dass alles für den Rest der Bevölkerung oder Belegschaft ebenso selbstverständlich ist. Dieser Green Bias führt dazu, dass viel zu wenig Ressourcen in die zielgruppenspezifische Kommunikation für nachhaltige Mobilität bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen investiert wird. Das Ergebnis zeigt sich dann oft in vergleichsweiser geringer Akzeptanz und Nutzung.
Außerdem lässt nicht selten eine „missionarische“ Tendenz bei Akteuren und Akteurinnen aus dem Nachhaltigkeitsbereich feststellen, was oft dazu führt, dass keine nutzerspezifischen und bedürfnisorientierten Maßnahmen in Betracht gezogen werden. Best Practice Modelle können als Ideenpool verstanden werden, aber nur selten 1:1 übertragen werden. Deshalb sind Partizipation und Mitbestimmung Schlüsselkomponenten für die Akzeptanz und den Erfolg von Mobilitätsprojekten. Die Einbindung von Bürgern und Mitarbeitenden in den Planungsprozess erhöhen nicht nur die Transparenz, sondern stärken auch das Vertrauen und die Bereitschaft zur Kooperation. In vielen Städten gibt es Konzepte zur Einführung verkehrsberuhigter Bereiche. Hierdurch fallen oft oberirdische Parkplätze weg. Der Grundsatzbeschluss für die Verkehrsberuhigung ist oft schon mehrere Jahre alt, so dass viele Betroffene nicht mehr daran denken. Die Stadtverwaltung ihrerseits arbeitet im stillen Kämmerlein einen Plan zur Umgestaltung aus und informiert dann. Diese Information wird als „Bürgerbeteiligung“ bezeichnet. Verständlicherweise fühlt sich ein großer Teil der Menschen vor Ort nicht wirklich beteiligt. Auch wenn es politische Mehrheiten gibt, muss Politik und Verwaltung Menschen wirklich partizipieren lassen. Das dient nicht nur der Verkehrswende, die baulich – aber vor allem kommunikativ eine Herausforderung ist – sondern auch einer demokratischen Gesellschaft. Ist dieses Vorgehen anstrengend und ressourcenintensiv? Ja. Werden dafür Menschen benötigt, die solche Prozesse gestalten können? Ja. Braucht es flexible und zielgruppenspezifische Kommunikation und Partizipationsformate? Ja.
Zielgerichtete Kommunikation
Im Rahmen mehrerer qualitativen Erhebungen haben wir rund einhundert Angestellte und Selbständige im erwerbsfähigen Alter in kleineren und mittelständischen Unternehmen aus verschiedenen Branchen zu nachhaltigem Verhalten und Gewohnheiten befragt. Hierbei lag der Schwerpunkt auf dem Aspekt der klimafreundlichen Mobilität. Die Wirksamkeit von nachhaltigen Mobilitätsmaßnahmen hängt maßgeblich davon ab, wie gut sie auf die Zielgruppe abgestimmt und kommuniziert sind. Dabei haben wir sechs Klimatypen im beruflichen Umfeld identifiziert, die unterschiedliche Motivationen und Barrieren in Bezug auf nachhaltige Mobilität aufweisen.
Sechs Klimatypen
Die Engagierten: Diese Gruppe ist hoch motiviert, gesellschaftlichen und betrieblichen Wohlstand zu fördern. Sie sind oft aktiv im Betriebsrat oder engagieren sich ehrenamtlich. Engagierte nehmen die Folgen des Klimawandels sehr ernst und sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Sie sind auch bereit, für das große Ganze selbst kleine Einschnitte hinzunehmen. Selbst sehen sie eine persönliche Betroffenheit, die aber geringer als die Auswirkungen für die gesamte Gesellschaft bewertet wird. Ihre Offenheit für Neues und ihr Einfluss auf andere machen sie zu wichtigen Multiplikatoren für nachhaltige Mobilitätsprojekte.
Die Offenen: Personen dieser Gruppe sind intrinsisch motiviert, klimafreundliche Veränderungen voranzutreiben. Nachhaltigkeit und Natur sind zentrale Werte, die hohe Priorität genießen. Sie nehmen die Folgen des Klimawandels als sehr gravierend wahr und fühlen sich selbst davon betroffen. Sie haben eine hohe Bereitschaft zur Veränderung und sind bereit, auch Verzicht zu üben. Sie sind oft Ideengeber und Vorreiter, können jedoch mit ihrem Enthusiasmus und Aktivismus andere und auch sich selbst zeitweise überfordern. Ihre Einbindung in Mobilitätsprojekte sollte daher gut geplant sein, um Überforderung zu vermeiden.
Die Pragmatischen: Diese Personen sehen die negativen Folgen des Klimawandels, sind aber stärker auf die aktuellen, tagtäglichen Herausforderungen fokussiert. Die eigene Betroffenheit wird aktuell nicht so stark eingeschätzt. Natur und Nachhaltigkeit sind wichtige Werte, die aber anderen Werten wie Familie, (finanzielle) Sicherheit und Gesundheit untergeordnet sind. Grundsätzlich erkennen sie die Notwendigkeit von Veränderungen an und sind bereit, neue Wege zu gehen. Aufgrund ihrer zahlreichen Verpflichtungen sind sie jedoch auf reibungslose Abläufe angewiesen. Sie haben wenig Flexibilität und wenig zeitliche Ressourcen. Daher sollten sie in späteren Phasen von Projekten eingebunden werden, wenn anfängliche Schwierigkeiten überwunden sind.
Die Gleichgültigen: Diese Gruppe erkennt den Klimawandel an und sieht auch die negativen Auswirkungen und eine eigene zukünftige Betroffenheit. Grundsätzlich haben diese Personen nichts gegen Klimaschutzmaßnahmen, solange ihr aktueller Lebensstandard nicht beeinträchtigt wird. Man könnte die Einstellung mit „Bis die schlechten Zeiten kommen, machen wir uns ein schönes Leben“ zusammenfassen. Oft wird das Argument angeführt, dass der Einzelne keinen Unterschied machen kann und es daher auch nicht notwendig ist, das eigene Leben zu verändern. Ihr Verhalten kann durch Anreize und Bonusprogramme positiv beeinflusst werden, da sie ihren eigenen Vorteil im Blick haben.
Die Zweifler: Diese Personen haben grundsätzlich eine pessimistische Sicht auf Veränderungen und sind misstrauisch gegenüber neuen Maßnahmen. Sie nehmen den Klimawandel wahr und bewerten die Konsequenzen als weniger schlimm als die Folgen von Klimaschutzmaßnahmen. Informationen und Beispielen gegenüber sind sie offen, wenn diese von Personen oder Organisationen kommen, die ihr Vertrauen haben. Sie argumentieren häufig, dass doch erst einmal die Politiker und Politikerinnen ihr Verhalten ändern sollen, bevor man dies von ihnen verlangt. In dieser Gruppe spielt das Gefühl von Ungerechtigkeit und Misstrauen eine große Rolle. Eine Möglichkeit der Ansprache kann hier über soziale Zugehörigkeit erfolgen. Da der Status und die Wertschätzung wichtige Faktoren sind, sollten diese in der Kommunikation berücksichtigt werden.
Die Leugner: Diese Gruppe leugnet den Klimawandel oder dessen von Menschen gemachten Anteil. Die persönliche Betroffenheit wird ebenso verleugnet wie die negativen Auswirkungen. Trotz der allgemeinen politischen Enttäuschung haben diese Menschen oft noch Vertrauen in ihren Arbeitgeber, was als Ansatzpunkt für konstruktive Kommunikation genutzt werden kann.
Die sechs Klimatypen helfen einerseits bei der Entwicklung von Maßnahmen und deren Umsetzung. In dem partizipativen Prozess zuvor, geben sie eine Leitlinie bei der Auswahl der passenden Methoden und Formate, um zumindest fünf der sechs Klimatypen in den Prozess einzubinden und damit entsprechende Akzeptanz und Legitimität aufzubauen.
Andere Einflussfaktoren
Durch die Klimatypen werden einige Einflussfaktoren wie Werte, Einstellungen, Selbstwirksamkeit, Bedürfnisse und soziale Normen gebündelt. Allerdings gibt es weitere Faktoren, die das Mobilitätsverhalten beeinflussen. Diese umfassen zum Beispiel persönliche Umstände, situative Umstände und Wettertoleranz. Zu den persönlichen Umständen gehören Aspekte wie die gesundheitliche Verfassung und die finanzielle Situation der Individuen. Nachdem Teile die Erhebung in den Zeitraum hoher Inflation gefallen sind, konnte eine besondere Sensibilität hinsichtlich zusätzlicher Mobilitätsausgaben festgestellt werden. Die steigenden Kosten für den Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) sowie die gehäuften Streiks spielten bei der Wahl des Verkehrsmittels eine wichtige Rolle. Situative Umstände, wie z.B. das Wetter, haben einen direkten und oft nicht beeinflussbaren Einfluss auf das Mobilitätsverhalten. Verschiedene Forschungsarbeiten, so auch die von den Psychologinnen Brigitta Gatersleben und Katherine M. Appleton, zeigen, dass schlechtes Wetter die Nutzung von Fahrrädern und zu Fuß gehen reduzieren kann, während gutes Wetter diese Optionen attraktiver macht. Grundsätzlich spielt die individuelle Wetterresistenz eine erhebliche Rolle.
Fazit
Die Mobilitätswende wird nur durch eine Verhaltenswende erfolgreich sein. Hierzu ist eine differenzierte Herangehensweise, die sowohl die individuellen als auch die gesellschaftlichen Aspekte des Mobilitätsverhaltens berücksichtigt, notwendig Mit den Klimatypen gibt es einen zentralen und bislang einzigartigen Baustein für den Partizipationsprozess und eine zielgruppenspezifische Ansprache und Maßnahmenplanung. Hierdurch können Akzeptanz und Bereitschaft geschaffen werden, sich auf mögliche Maßnahmen einzulassen und eine nachhaltige Veränderung des Mobilitätsverhaltens zu erreichen.
Weitere Literatur
Ellaway, A., Macintyre, S., Hiscock, R., & Kearns, A. (2003). In the driving seat: psychosocial benefits from private motor vehicle transport compared to public transport. Transportation Research Part F: Traffic Psychology and Behaviour, 6(3), 217-231.
Gärling, T., & Fujii, S. (2009). Travel behavior modification: Theories, methods, and programs. In: R. Kitamura, T. Yoshi, & T. Yamamoto (Eds.), The expanding sphere of travel behaviour research. Bingley, UK: Emerald, 2009. Pp. 97-128.
Gatersleben, B., & Appleton, K. M. (2007). Contemplating cycling to work: Attitudes and perceptions in different stages of change. Transportation Research Part A: Policy and Practice, Elsevier, 41(4), 302-312.
Umweltbundesamt: CSR-Richtlinie (2024). Verfügbar unter https://www.umweltbundesamt.de/umweltberichterstattung-csr-richtlinie
Verplanken, B., Aarts, H., van Knippenberg, A., & Moonen, A. (1997). Habit versus planned behaviour: A field experiment. British Journal of Social Psychology, 36(2), 127-138.
Nadja Hirsch, Diplom Psychologin, MBA, Leiterin des Instituts für Klimapsychologie, München. Foto: Alexander Louvet