Coaches fordern Professionalisierung

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Die Coaching-Marktanalyse zeigt aktuelle Trends auf. Die Professionalisierung der Branche spielt dabei eine wichtige Rolle, der Einsatz von KI eher noch nicht.

Wie sieht der Coaching-Markt im Jahr 2024 aus? Das fragte die RAUEN Coaching-Marktanalyse 2024 (Rauen et al., 2024) ab. Dabei konnten insgesamt 1.100 Fragebögen ausgewertet werden, sodass ein detailliertes Bild der Branche und der Arbeitsweisen der Coaches entstand.

Hierbei sticht insbesondere der Wunsch vieler Coaches ins Auge, die Professionalisierung voranzutreiben. Kritische Berichterstattungen der letzten Monate in Bezug auf Angebote, die zumindest teilweise das „Label“ Coaching verwenden, obwohl sie wenig bis kein Coaching beinhalten, dürften diesen befeuert haben (Barczynski, 2024).

Teilnehmende Coaches wurden gefragt, für wie professionell sie die Coaching-Branche einschätzen und welche Maßnahmen sie sich wünschen, um die Professionalität im Markt zu erhöhen bzw. den Begriff des Coachings zu schützen. Die Ergebnisse kennzeichnen einen lauten Ruf nach mehr Professionalisierung (Rauen & Barczynski, 2024): Die Coaches bewerteten den Professionalisierungsgrad der Coaching-Branche auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent mit einem Mittelwert von 54,93 Prozent. Daraus kann gefolgert werden, dass mehr als die Hälfte der Branche als professionell verstanden wird – der Rest, knapp 45 Prozent, hingegen nicht. Das kann nicht als befriedigendes Ergebnis bezeichnet werden. 

Zwangsläufig stellt sich daher die Frage, welche Maßnahmen sich die befragten Coaches wünschen, um die Professionalisierung der Coaching-Branche voranzutreiben. Hier stößt vor allem ein Ansatz auf relativ breite Zustimmung: die staatliche Anerkennung des Coaching-Berufs mit dem Ziel, den Begriff des Coachs zu schützen. Im Mittel sehen 81,54 Prozent darin einen sinnvollen Weg. Die Zustimmung fällt jedoch nicht in allen Coach-Gruppen gleichermaßen hoch aus. Insbesondere männliche Coaches mit 15 oder mehr Jahren Coaching-Erfahrung äußern mit 73 Prozent die deutlich geringste – wenngleich immer noch hohe – Zustimmung. Dagegen zeigen Coaches mit fünf oder weniger Jahren Erfahrung durchweg höhere Zustimmungswerte als die Erfahrenen – sie liegen zwischen 83 bis 85 Prozent.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Coaching ein stark auf Weiterempfehlungen basierendes Geschäft ist, in dem Kunden vor allem über Referenzen und bestehende Kontakte, sprich über ein gutes Empfehlungsmanagement gewonnen werden (Rauen, 2022). Dies ist ein Vorteil erfahrener Coaches gegenüber weniger erfahrenen, die am Anfang ihrer Coaching-Karriere stehen und daher größere Schwierigkeiten haben könnten, im Markt ihre Professionalität auszudrücken.

Befragte, die keine staatliche Regulierung begrüßen würden, verweisen u.a. auf eine Marktregulierung durch Professionalitätsnachweise wie Erfahrung, Kompetenz, Abschluss einer Coaching-Ausbildung und bestehende Verbandszertifizierungen. Zu erwähnen ist, dass vor allem die Coaching-Verbände von den Befragten in der Verantwortung gesehen werden, die Professionalisierung der Branche wirksam voranzutreiben.

Künstliche Intelligenz spielt noch keine große Rolle

Spätestens mit dem Aufkommen niederschwellig verfügbarer Anwendungen wie ChatGPT stellt sich die Frage, ob KI zukünftig auch im Coaching eine bedeutende Rolle spielen wird. Die Diskussion um potenzielle Einsatzmöglichkeiten ist bereits in vollem Gange. So halten etwa Börner und Wallraff (2022, S. 45) fest, dass KI z.B. „bei der Identifizierung der Persönlichkeit des Klienten anhand eines Persönlichkeitstests oder bei der Anregung, Durchführung sowie Auswertung von Evaluationsprozessen“ zum Einsatz kommen könne. Auch im Bereich der Vor- und Nachbereitung von Coaching-Sitzungen sei die Nutzung möglich (ebd.).

Im Rahmen der Coaching-Marktanalyse 2024 wurde daher gefragt, ob die Coaches bereits KI-Anwendungen verwenden. 64,36 Prozent der Befragten nutzen demnach keine KI-Anwendungen (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Nutzung von KI im Coaching. N=773

Schlüsselt man die Ergebnisse nach Geschlecht und Coaching-Erfahrung auf, so wird deutlich, dass es vor allem weibliche Coaches mit 15 und mehr Jahren Coaching-Erfahrung sind, die KI nicht nutzen (73,05 Prozent), während „nur“ 55,21 Prozent der Männer mit 15 und mehr Jahren Erfahrung angaben, KI nicht zu nutzen. Das stereotype Klischee, dass Männer technikaffiner sind und deshalb stärker dazu neigen, neue Technologien zu nutzen, wird hier bestätigt.

Wird KI von Coaches genutzt, dann insbesondere in der Vorbereitung auf ein Coaching (21,57 Prozent) und in der Nachbereitung (11,09 Prozent). Im Coaching selbst wird KI insgesamt zwar kaum verwendet (2,98 Prozent), jedoch zeigt sich auch hier ein deutlicher Unterschied im Vergleich der Geschlechter. Mit 4,33 Prozent setzen Männer KI im Coaching fast doppelt so häufig ein wie Frauen (2,21 Prozent).

Letztlich ist festzuhalten, dass die gegenwärtige Diskussion um den Einsatz von KI im Coaching – gemessen an der tatsächlichen Nutzung – eher als „Zukunftsmusik“ zu betrachten ist. Dies gilt insbesondere für den Einsatz in der unmittelbaren Arbeit mit Klientinnen und Klienten. Da es derzeit noch nicht viele niederschwellig verfügbare Anwendungen gibt, ist dies aber nicht wirklich verwunderlich, und es ist keinesfalls auszuschließen, dass die Nutzung von KI unter Coaches zukünftig zunehmen wird.

Coaching-Marktanalyse

Hier finden Interessierte die vollständigen, frei und kostenlos zugänglichen Ergebnisberichte aller bisher durchgeführten RAUEN Coaching-Marktanalysen.

 

Wie arbeiten Coaches?

Gegenüber den Ergebnissen der Vorjahreserhebung konnten kaum Veränderungen hinsichtlich der praktizierten Coaching-Formate festgestellt werden: Das persönliche Gespräch in Präsenz ist weiterhin führend, nachdem es das ehemals unbedeutende Videokonferenzformat, das erst im Zuge der Corona-Pandemie relevant geworden und zwischenzeitlich sogar am Präsenzformat vorbeigezogen war, 2023 wieder überholte. Insgesamt macht das Präsenz-Coaching 53,9 Prozent aus, gefolgt von der Videokonferenz mit 37,78 Prozent und weiteren Formaten. Es kann damit – wie bereits 2023 – festgehalten werden, dass das Präsenzformat das unter Coaches beliebteste Format darstellt, das Online-Coaching via Videokonferenz aber gleichzeitig über die Pandemie hinaus deutlich an Relevanz gewonnen hat.

Welche Ansätze und Methoden verwenden Coaches?

Will man sich ein genaues Bild davon machen, wie Coaches arbeiten, kommt man nicht umhin, in Erfahrung zu bringen, welche Ansätze und Methoden in ihrem Coaching wichtige Rollen spielen. Es stechen fünf Ansätze heraus, die im Verhältnis zu allen Ansätzen am häufigsten (sowohl bei Männern als auch Frauen) zum Einsatz kommen (siehe Abb. 2.):

  • Systemisch-Konstruktivistischer Ansatz
  • Achtsamkeit
  • Inneres Team
  • Resilienz
  • Konfliktmanagement und Mediation

Die am seltensten eingesetzten Ansätze sind dagegen die Familientherapie, die Psychoanalyse und die Logotherapie. Dies dürfte zumindest in Teilen auch in deren Komplexität liegen: Ein Ansatz wie das Innere Team lässt sich im Rahmen einer Coaching-Ausbildung oder im Selbststudium erlernen. Das Erlernen der Psychoanalyse ist beispielsweise deutlich aufwändiger und zeitintensiver. Allerdings kann man auch durchaus interpretieren, dass sich mit den hier aufgeführten meistgenutzten Ansätzen in der Wahrnehmung der befragten Coaches schlicht der besten Nutzen für die Klientinnen und Klienten erzielen lässt.

 Abb. 2: Im Coaching eingesetzte Ansätze (Gewichtete Mehrfachantworten, normiert auf 100 %. N=777. Die Abbildung repräsentiert den weiblichen und männlichen statistischen Durchschnitts-Coach.)

Aus der Masse im Coaching eingesetzter Methoden stechen vor allem das aktive Zuhören und das Stellen von Fragen heraus (siehe Abb. 3). Dass es sich hierbei um absolute Top-Methoden handelt, kann nicht überraschen, denn es sind elementare Bestandteile eines jeden Coachings. Folgende Methoden nehmen ebenfalls Spitzenplätze ein:

  • Ressourcen aktivieren
  • Feedback geben
  • Ziele setzen
  • Arbeit mit Emotionen
  • Hausaufgaben geben

Die im Verhältnis zu allen abgefragten Methoden am seltensten eingesetzten Methoden sind Rollenspiele, Entspannungsübungen, Karriereanalysen und Rekonstruktionen.

 Abb. 3: Im Coaching eingesetzte Methoden (Gewichtete Mehrfachantworten, normiert auf 100 %. N=797. Die Abbildung repräsentiert den weiblichen und männlichen statistischen Durchschnitts-Coach

Resümee

Positiv sei abschließend hervorgehoben, dass die Arbeit mit Emotionen bei den von Coaches verwendeten Methoden vorne dabei ist, denn eine Veränderung, bei der die Emotionen der Klientinnen und Klienten ignoriert werden, wird aller Wahrscheinlichkeit nicht nachhaltig sein. Mit dem Grundsatz, sich als Coach möglichst überflüssig zu machen, wäre ein Fehlen von Nachhaltigkeit nicht vereinbar. Auch das Aktivieren von Ressourcen, Geben von Feedback, Setzen von Zielen, Fragenstellen und Zuhören – allesamt identifizierte Top-Methoden – sind sinnvolle Vorgehensweisen, die beispielsweise von Lindart (2016) als Coaching-Wirkfaktoren eingestuft werden.

Kritisch kann hingegen gesehen werden, dass mit dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP) ein Ansatz eine durchaus relevante Rolle spielt (siehe Abb. 2), der im Fachdiskurs häufig als unwissenschaftlich eingestuft wird (z.B. Kanning, 2019). Grundsätzlich sollten Coaches sich stets vor Augen halten, dass der berechtigte Wunsch nach mehr Professionalisierung in der Coaching-Branche nicht nur an die Verbände oder den Staat zu richten ist, um einen Schutz des Coaching-Begriffs zu realisieren. Professionalisierung beginnt bei der eigenen Arbeit, sprich bereits bei der selbstkritischen Reflexion der eigenen Arbeitsweise. Dies schließt die Wahl geeigneter Ansätze und Methoden ein.

Weitere Literatur

Barczynski, D. (2024). Coaching ist Betrug! Oder doch nicht? Coaching-Magazin, 2, S. 46–47. Abgerufen am 7.10.2024: www.coaching-magazin.de/kontrovers/coaching-betrug

Börner, N. & Wallraff, B. (2022). KI im Coaching. Wie Coaches Künstliche Intelligenz erfolgreich einbinden. Coaching-Magazin, 4, S. 44–48. Abgerufen am 7.10.2024: www.coaching-magazin.de/wissenschaft/kuenstliche-intelligenz-im-coaching

Kanning, U. P. (2019). Neurolinguistische Programmieren (NLP). Was lange währt, ist nicht immer gut. Coaching-Magazin, 2, S. 41–43. Abgerufen am 7.10.2024: www.coaching-magazin.de/kontrovers/nlp

Lindart, M. (2016). Was Coaching wirksam macht. Wiesbaden: Springer.

Rauen, C. et al. (2024). RAUEN Coaching-Marktanalyse 2024. RAUEN Coaching. Abrufbar unter: www.rauen.de/cma

Rauen, C. (2022). Qualitätssicherung im Coaching. Coaching-Magazin, 1, S. 9–11. Abgerufen am 7.10.2024: www.coaching-magazin.de/beruf-coach/qualitaetssicherung-im-coaching

Rauen, C. & Barczynski, D. (2024). Der laute Ruf nach Professionalisierung des Coachings. Coaching-Magazin, 1, S. 12–14. Abgerufen am 7.10.2024: www.coaching-magazin.de/beruf-coach/professionalisierung-des-coachings

Pressefoto Christopher Rauen DBVC
Geschäftsführer der Rauen Group | https://www.rauen.de

Dr. Christopher Rauen, Diplom-Psychologe, Senior Coach (DBVC), Geschäftsführer der Rauen Group, Initiator und langjähriger 1. Vorsitzender des Deutschen Bundesverbandes Coaching e.V. (DBVC), Lehrbeauftragter an mehreren Universitäten sowie Leiter der Rauen Coaching-Ausbildung und u.a. Herausgeber des „Handbuch Coaching“ und des „Coaching-Magazins“.

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