Jobwechsel: Unterstützung durch KI

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Künstliche Intelligenz (KI) hilft, einen Jobwechsel zu planen. Man kann seinen eigenen Werdegang analysieren, Bewerbungsunterlagen optimieren und Vorstellungsgespräche vorbereiten. Aber Vorsicht: KI kann nur eine Unterstützung sein.

Ein beruflicher Wechsel kann freiwillig oder erzwungen sein. In jedem Fall ist es sinnvoll, diesen gut vorzubereiten, um möglichst eine Punktlandung in eine passende berufliche Position zu erreichen. Doch wie funktioniert das konkret? Und welche Aspekte sollten Bewerber beachten?

Grundsätzlich empfiehlt es sich, mit einer Reflexion zu beginnen – Fragen zu stellen, die man sich im Alltag normalerweise nicht stellt: Wer bin ich (im Arbeitsleben)? Was kann ich? Was will ich (erreichen)? Und: welche Kompetenzen bringen mich an mein Ziel? Hier kann KI als „digitale Sparringspartnerin“ schnelle Hilfe leisten.

Moderne KI-gestützte Karriereplattformen wie ChatGPT oder Gemini analysieren Lebensläufe und liefern gezieltes Feedback zu Stärken und Marktchancen. Bewerbende können ihren anonymisierten CV hochladen und erhalten eine individuelle Auswertung – von Kompetenzprofilen bis hin zu möglichen Karrierewegen.

Beispiel: Eine Bewerberin mit Erfahrung im Kreditbereich erhält ein strukturiertes Feedback zu ihren Kernkompetenzen – etwa in Produkt- und Projektmanagement, Finanzen, ESG-Themen (Environmental, Social und Governance) und Kommunikation. Die KI zeigt klassische Karriereoptionen wie Produktmanagement oder ESG-Management auf, aber auch Alternativen wie Beratung, Selbstständigkeit oder Tätigkeiten im Non-Profit-Sektor. Solche Tools bieten nicht nur Orientierung, sondern fördern die Selbsterkenntnis – eine wertvolle Unterstützung im Prozess beruflicher Neuorientierung.

Moderne KI-Systeme bewerten auch Stellenangebote und zeigen passende Optionen auf. Plattformen wie LinkedIn Career Explorer oder Jobscan gleichen Bewerberprofile mit aktuellen Marktanforderungen ab. So kann zum Beispiel ein Marketing-Manager mit LinkedIn Career Explorer herausfinden, welche Branchen ähnliche Anforderungen an seine Fähigkeiten stellen – und z.B. ins Produktmanagement oder Business Development wechseln.

Wer sich beruflich neu orientiert, profitiert von gezielter Weiterbildung – insbesondere beim Wechsel in neue Branchen oder Aufgabenbereiche. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, notwendige Qualifikationen für Wunschpositionen zu identifizieren und passende Fortbildungen vorzuschlagen.

Am Beispiel von Nachhaltigkeit-Managements zeigt sich das Potenzial: Gefragt sind Fachkenntnisse in Standards wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und Global Reporting Initiative (GRI), regulatorisches Know-how, Projektmanagement sowie analytische Fähigkeiten. Auch Soft Skills wie Empathie, Kommunikation und Veränderungskompetenz sind entscheidend. Empfohlene Weiterbildungen reichen von der Qualifikation der Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) zum Nachhaltigkeitsmanager über TÜV- und DEKRA-Seminare bis hin zu zertifizierten Programmen an Hochschulen wie der Hochschule der Bayerischen Wirtschaft (HDBW). So unterstützt KI nicht nur die Orientierung, sondern ebnet auch den Weg in neue berufliche Rollen.

Eine ganze Reihe von Weiterbildungsplattformen wie Coursera oder Udacity bieten KI-gestützte Kursvorschläge basierend auf Karriereinteressen an. Auch LinkedIn Learning kann hierbei hilfreich sein und anhand einer Analyse von Stellenausschreibungen passende Weiterbildungen identifizieren.

Wenn geklärt und vorbereitet ist, in welche Richtung es beruflich gehen soll, können Jobsuchende mit KI-gestützten Tools wie Jobscan, Resume worded oder Kickresume  ihren Lebenslauf erstellen und auf Lücken, uneindeutige Formulierungen und fehlende Schlüsselwörter checken lassen.

Außerdem prüfen viele dieser Tools, ob die Bewerbungsdokumente ATS-konform (Applicant Tracking System) sind, sodass künftige Bewerbungen nicht automatisiert durch Recruiting-Software aussortiert werden. So können z.B. Bewerber für eine IT-Projektmanager-Stelle ihren Lebenslauf mit der entsprechenden Stellenanzeige abgleichen, um festzustellen, ob dieser die relevanten Keywords enthält. Wenn die Ursprungsformulierung „Leitung eines Teams und Durchführung von Projekten“ lautete, schlägt die KI konkretere Formulierungen vor: „zehnköpfiges Team mit Fokus auf agile Projektmethoden geleitet, wodurch die Effizienz um 20 Prozent gesteigert wurde“.

Auch bei der Erstellung von Anschreiben auf Basis von Stellenausschreibungen können Tools wie ChatGPT oder Gemini hilfreich sein, um Formulierungen zu verfeinern oder die Tonalität zu verändern. Doch viele dieser Anwendungen greifen auf standardisierte Textbausteine aus dem Internet zurück. Das Resultat: austauschbare Floskeln wie „Mit großem Interesse habe ich Ihre Anzeige gelesen…“, die wenig über die Bewerberin oder den Bewerber aussagen und Personaler kaum überzeugen.

Ein effektives Gegenmittel bieten kostenpflichtige Systeme oder individuelle KI-Anwendungen, bei denen der Zugriff auf Internetdaten eingeschränkt ist. Stattdessen wird die KI gezielt mit persönlichen Informationen wie Lebenslauf, Erfolgsprojekten oder beruflichen Werten „trainiert“. So entstehen authentische, differenzierte Anschreiben, die wirklich zur Person passen – und aus der Masse herausstechen. Wichtig ist auf jeden Fall, dass ein KI-generierter Bewerbungstext anschließend personalisiert wird: Was reizt Sie tatsächlich an der ausgeschriebenen Stelle? Warum sollte man gerade Sie für diese Position in Betracht ziehen? Welchen Mehrwert bringen Sie dem potenziellen Arbeitgeber?

Sehr hilfreich im Rahmen eines Bewerbungsprozesses ist die Optimierung der eigenen LinkedIn- und Xing-Profile mittels KI, da sich das Recruiting immer mehr in den Social-Media-Kontext verlagert. Ein optimiertes LinkedIn-Profil erhöht die Sichtbarkeit und Attraktivität für Recruiter und Personalberater. Hier genügt es bereits, z.B. mit der Gratis-Variante von ChatGPT den eigenen Werdegang analysieren zu lassen. Und sich im Folgenden daraus einen Kurztext für den „Über mich“-Abschnitt des eigenen Social-Media-Profils sowie passende Keywords dafür vorschlagen zu lassen. Dies erhöht die Chancen, von Recruitern oder Personalberatern gefunden und angesprochen zu werden.

Schlichte Aussagen auf dem eigenen Profil – wie „IT-Experte mit Erfahrung in Softwareentwicklung“ – kommunizieren den Mehrwert des Bewerbers allerdings nur sehr eingeschränkt. Mit der KI wird daraus: „Softwareentwickler mit acht Jahren Erfahrung in Cloud-Computing und KI-gestützten Lösungen. Spezialisiert auf skalierbare Architekturen“ – was sehr viel aussagefähiger ist.

Bewerber können sich mit Hilfe von KI auch gezielt auf Jobinterviews vorbereiten. Die Auswahl reicht von konventionellen Interviewfragen bis hin zu einer Analyse der eigenen Anforderungslücken im Vergleich mit dem Stellenprofil. Darauf basierend kann sich der Bewerber eine Liste von möglichen kritischen Fragen und Antwortbeispielen erstellen lassen. KI-gestützte Interviewtrainer wie Big Interview AI können Bewerbungsgespräche simulieren, Antworten bewerten und sogar Feedback geben. Das kann besonders hilfreich sein, wenn das letzte Jobinterview sehr lange zurück liegt. Mit solchen Tools lassen sich außerdem Sprechtempo und häufige Füllwörter analysieren, um künftig klarer und souveräner zu kommunizieren.

Nach einem Jobinterview kann die KI helfen, eine passende Feedback-Mail zu formulieren, um die eigene Motivation für die angestrebte Position nochmals zu unterstreichen. Auch in der Vorbereitung auf die neue berufliche Aufgabe leistet die KI strukturierte Hilfe – etwa mit einem Einarbeitungsplan oder der Formulierung einer sympathischen „Antrittsrede“, die Bewerber bei ihrer ersten Vorstellung vor dem neuen Team verwenden können.

Aber Vorsicht! So hilfreich die KI in der beruflichen Neuorientierung ist – persönliche und weitreichende Entscheidungen kann sie nicht ersetzen. Eine KI kann nicht umfassend beurteilen, welcher Karrierepfad langfristig am besten zur Persönlichkeit des Bewerbers passt. Da bedarf es idealerweise eines Karriereberaters oder Coaches, um das eigene Verhalten zu reflektieren, hinderliche Muster aufzuspüren und die eigene Motivation im gesamten Bewerbungsprozess zu stärken. Algorithmen sind zudem umstritten, da sie nachweislich Bias enthalten (z. B. werden bestimmte Gruppen und Ausprägungen nicht ausreichend berücksichtigt). Wer also KI nutzt, sollte Ergebnisse stets kritisch hinterfragen.

Künstliche Intelligenz erleichtert den Bewerbungsprozess sequenziell und kann, an der richtigen Stelle eingesetzt, Erfolgschancen auf pragmatische Weise erhöhen und den Bewerbungsprozess an sich beschleunigen. Sie kann aber nicht über persönlichkeits- oder verhaltensbedingte Hürden und Selbstzweifel hinweghelfen.

Diplom-Betriebswirt mit Schwerpunkt Human Resources, Diplom-Sozialökonom, Karriere-Coach und Outplacement-Berater in Hamburg und Düsseldorf

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