Play hard, work harder: Wenn Manager Drogen nehmen

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Manager greifen zu Drogen, um Erwartungen gerecht zu werden. Vor allem ihren eigenen. Doch das Problem wird bei Führungskräften komplett ausgeblendet.

Daniel ist Marketing-Leiter und gehört dem Top-Management einer global agierenden Firma an. „Numbers are close to my heart“, ist seine Antwort auf die Frage „wie geht es Dir“ mit dem Zusatz „alles im grünen Bereich“. Über die Jahre unserer Zusammenarbeit hat er sich selten außerhalb des Fachlichen geöffnet, und dann allenfalls für einen kurzen Augenblick: über die Angst einen Fehler zu machen, welche Imageschäden das bedeuten würde und dass sich im Job alles darum dreht, die Kontrolle nicht zu verlieren.

Damit meint Daniel, dass Budget und Team, Wettbewerb und Produkte auf dem Markt. Doch nicht nur das: Die Wirtschaftswelt bringt inzwischen sehr viele unbekannte Variablen mit sich: Das Import-Export-Geschäft ist mehr denn je von der politischen Lage abhängig, die Inflation pusht die Korruption, nie weiß Daniel, ob die Kooperationspartner im Ausland Feinde oder Freunde sind. Aber das macht auch den Reiz seines Jobs aus: „Du musst immer one step ahead sein“, denglischt er, „Tag und Nacht am Ball“.

Seine zwei Handys hat er immer dabei, auch im Urlaub. Gern erzählt er die Geschichte, dass er vor der Abfahrt auf der schwarzen Piste noch eine Präsentation zum chinesischen Handelspartner geschickt und „den Deal gemacht“ hat – auf Skiern! Doch kürzlich hat Daniel sich verkalkuliert, was bis auf Vorstandsebene für Diskussionen sorgte. Man sagte ihm, er solle „einen Gang zurückschalten, mal wieder richtig ausschlafen“. Er wisse ja, dass das nicht nochmal passieren dürfe sagte er. Als er aus dem Meeting kommt, lacht Daniel und meint selbstsicher „die können mich gar nicht feuern“.

Bei der Begleitung Top-Managern geht es um Entscheidungen und Geschäftsentwicklungen, um Investitionen, Entlassungen, Zukäufe und Firmenschließungen. Das Job-Leben ist eine Achterbahn, in dem es darum geht, nicht aus der Bahn geworfen zu werden und mit den richtigen Entscheidungen nach außen wenig Aufsehen zu erregen, für die Firma und für sich selbst dabei möglichst viel Geld zu verdienen.

Das geht nur mit einem kühlen Kopf. Der Druck ist groß. Mit der Pandemie, dem Homeoffice, Reiserestriktionen und der damit schwindenden Kontrolle über Mitarbeitende und Kunden hat er noch einmal drastisch zugenommen. Laut des EY Fehlerreports 2023 des Beratungshauses Ernst Young geben über 70 Prozent des Führungspersonals (im Finanzsektor sind es sogar 81 Prozent) an, nicht zu Fehlern zu stehen und dies auch nicht zu können. Sonst seien Ruf, Bonus, aktuelle Anstellung und die Chance auf Weiterbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gefährdet.

Abb.1: Folgen des Drogenkonsums, Drogenreport 2024

Anlass für die 2024 mit rund 2.000 Teilnehmenden durchgeführte Studie zum Thema „Entscheidungs- und Führungsverhalten unter Drogenkonsum von Führungskräften“ waren publik gewordenen Zahlen über gestiegenen Alkoholkonsum einerseits, die Cannabislegalisierung im April 2024 andererseits. Von Interesse waren insbesondere die Auswirkungen von Substanzkonsum auf unternehmerische Entscheidungen und Führungsqualität sowie auf das Verhalten von Führungskräften. Laut Bericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind 14 bis 20 Prozent aller Ausfalltage und weitaus mehr Unfälle am Arbeitsplatz auf Drogenmissbrauch zurückzuführen.

Die Studie

Die Studienlage speziell zu Konsum und Sucht unter Führungspersonen ist dünn, darum war ich auf die Mithilfe einer breiten Expertengruppe von Medizinern, Suchtberatern, Suchthelfern, Berufsgenossenschaften, auch Experten anderer Länder, Ministerien angewiesen. Später kamen auch anonyme Interviews mit Betroffenen dazu. In einem unabhängigen Labor wurden bei über 2.000 Probanden die kognitive Leistungsfähigkeit sowie das Verhalten vor und nach dem Konsum untersucht, zudem wurden Blutwerte regelmäßig kontrolliert. Vier Auffälligkeiten zeigten sich deutlich: Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung und Urteilsvermögen werden negativ vom Drogenkonsum beeinflusst, unabhängig von der Substanz und mit bis zu 75 Prozent Einbußen gegenüber Nicht-Konsumenten.

Abb 2: Methodisches Vorgehen bei der Studie, Drogenreport 2024

Die Führungskräfte stehen ihrem eigenen Konsum eher ambivalent gegenüber: 59 von 100 Führungskräften kämpfen demnach mit jahrelanger Nervosität und Schlaflosigkeit, therapieren sich selbst deswegen mit Alkohol und Tabletten. Im Interview behauptet die gleiche Befragungsgruppe von sich jedoch, dass dies ja keine „echten“ Drogen seien. Legale Substanzen wie Alkohol oder vom Arzt verschriebene Medikamente werden also nicht als Drogen wahrgenommen. Längst sind sie schon aufgrund der einfachen Verfügbarkeit zu gewöhnlichen Konsumgütern geworden und darüber hinaus sozial akzeptiert. Niemand sieht bei Melatonin, Nikotin, Alkohol noch das anstößige Label „Droge“. Und viele halten auch Cannabis eher für ein Gesundheits- und Entspannungs-Tonikum.

Die Studienergebnisse belegen, dass über 20 Prozent der Führungskräfte über Alkohol, Schlafmittel, Nikotin oder Cannabis regelmäßig zu weiteren, illegalen Substanzen greifen. Dabei sind Kokain, Amphetamine, LSD und Meth besonders beliebt. In der Wirtschaft ist das kein unbekanntes Phänomen, wird aber in der Drogenpolitik der Unternehmen tabuisiert – solange die Leistung stimmt. Dazu kommt noch, dass die Ahndung konsumierender Mitarbeitender durch Führungskräfte offiziell zu deren Fürsorgepflichten gehört. Die Möglichkeit, dass Drogen im Führungspersonal selbst verbreitet sein könnten, wird komplett ausgeblendet.

Die Suche nach Bestätigung

Die meisten Führungskräfte im gehobenen oder Top-Management, ähnlich wie Daniel aus dem Eingangsbeispiel, leiden unter dem starken Leistungsdruck einerseits und anderseits unter Mangel von Freude und Bestätigung, gut genug zu sein: Ein Erfolg muss den nächsten folgen, Pause machen ist etwas für Verlierer. Längst ist der Job kein Hamster- sondern ein Feuerrad. Diesen haben sie einst selbst gewählt. Position und Gehalt machen nicht nur sie stolz, sondern auch ihre Eltern, hoffentlich auch ihre Kinder: Diese sollen nämlich mal sagen, dass der Papa es zu etwas gebracht hat. Der Traum, es geschafft zu haben, scheint ein Ansporn, Leistungsgrenzen weiter hinauszuschieben.

Dann müssen leistungssteigernde Mittel her – sogenannte „Upper“ für die Performance und das dicke Fell wie Kokain, Amphetamine, LSD, Meth. Diese lassen sich mit Alkohol besser dosieren, der dann als „Downer“ am Abend mit einem Joint und Schlaftabletten schnell zum 24 Stunden Begleiter wird. Selten bleibt es bei einer Substanz, die meisten befinden sich im Multi-Konsum. Unter der Voraussetzung, dass das körperliche Erscheinungsbild und die Arbeitsergebnisse stimmen, kann dieser Konsum auf Achterbahnfahrt – „Morgens upper und abends downer“ – sogar jahrelang gut gehen.

Geht allerdings aufgrund von Entgleisung etwas schief, droht für den Betroffenen die Abschiebung: entweder Entlassung oder zumindest der Entzug. Managerkliniken sind kostspielig. Dort berichten die Ärzte, dass viele Betroffene regelmäßig in den „kontrollierten Konsum“ und in den Job zurückzukehren, weil die Abstinenz für sie gar keine echte Option darstellt. Konsum und Leistungsdruck bilden also zwei Pole eines unendlichen Teufelskreises. Bis das Maß restlos überschritten ist. Dann droht der Rauswurf.

In der Zusammenarbeit mit Ärzten, Drogenberatungen und Kliniken habe ich auch die Frage diskutiert, ob die Führungsaufgabe in sich bereits eine Sucht birgt, nämlich die nach Erfolg und Bestätigung. Oder ob die Führungsaufgabe vulnerable Persönlichkeiten anzieht. Zumindest besteht ein Zusammenhang: Trifft Erfolgssucht auf Drogenkonsum, führt das messbar in die Abwärtsspirale: Die Rückfallquote von süchtigen Führungskräften (71 Prozent) übersteigt die der Nichtleitenden (60 Prozent) um elf Prozentpunkte.

Verändertes Verhalten in Führung

Drogenabhängige sind nur im gedopten Zustand arbeits- und leistungsfähig. Verschiebt sich der Konsumrhythmus, lässt die Wirkung nach können schnell Ungeduld, schlechte Laune, Unachtsamkeit und vor allem mangelnde Impulskontrolle dominieren. Die Konzentration für kurzfristige Taktiken zugunsten schneller Gewinne „quick wins“ ist noch aufzubringen, lange Strategien und Pläne führen eher zu Desinteresse und Aufschub von Entscheidungen. Hat sich der Körper erst an die Droge gewöhnt, bleiben Leistungs-Peaks aus. Das Hirndoping funktioniert nicht mehr.

Solange Aussetzer dieser Art selten bleiben, werden Betroffene vielleicht nur auf das Unverständnis der Kollegen stoßen, ihr Fehlverhalten wird als ein schlechter Tag abgetan. Doch bei Wiederholung wird dies bei Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten auffällig – mit entsprechenden Konsequenzen für die Zusammenarbeit, die Arbeitgebermarke und die Außenwahrnehmung des Unternehmens.

Sucht ist männlich

Drogen können zu Gruppenbildung und Ausgrenzung führen. Insbesondere Frauen können von letzterer betroffen sein. Weil Frauen häufiger den Konsum von Alkohol und illegalen Drogen verweigern. Dies zeigen Untersuchungen und Studien, unter anderem des Suchtreports 2023/24 oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Ulrich Gottschalk, ehemaliger Leiter des hessischen Suchtzentrums, sieht hier eine wichtige Ursache für die gläsernen Decke in der Führung: Frauen wollen und dürfen oftmals die hinter verschlossenen Türen stattfindenden Rituale nicht mitzelebrieren, diese sind als geheime Erfolgsfaktoren Männern vorbehalten.

Abb 3: Suchterkrankungen nach Geschlecht, Drogenreport 2024

Der Autor und Suchtforscher Boris van Heesen bestätigt in seinem Bericht „Was Männer kosten“ die Beobachtungen, dass 85 Prozent der Betroffenen generell und auch unter Führungspersonen Männer sind, die neben dem Substanzkonsum auch nicht-substanziellen Süchten (Sex, Sportwetten, Gaming) verfallen.

Alle Interviewpartner aus Forschung, Wissenschaft und Praxis sind sich einig, dass der Grund wesentlich auf verschiedene gesellschaftliche Rollenbilder und die Art und Weise zurückzuführen ist, wie Männer und Frauen sozialisiert wurden, insbesondere was Stressbewältigung angeht. So neigen Frauen eher dazu, miteinander zu reden, sich therapeutische Hilfe zu suchen und allenfalls die dort verschriebenen Antidepressiva einzunehmen. Sie lesen mehr, beraten sich auch untereinander und empfehlen sich gegenseitig, einen Arzt aufzusuchen, während Männer sich zusammenrotten, beim Feierabendbier schon im Jugendalter gegenseitig zum Konsum anhalten.

Zum Einstand mit neuen Kollegen ist es in einigen Branchen und namhaften Unternehmen sogar noch immer Pflicht der Anfänger, sich zu betrinken. Dadurch werden die Verbindungen besiegelt, der Weg in hohe Positionen geebnet. Und sie trinken weiter, weil es ihnen schon früh genutzt hat.

Hältst du dem Druck stand?

Zum Einstieg in die Drogenwelt kursieren viele Annahmen. Manche entsprechen dem Klischee des Rudeltrinkers in der Pubertät, steigen dann aber mit dem ersten Job, der Familiengründung aus und kehren vielleicht im Rentenalter zum Feierabendbier zurück. Andere beginnen mit einem Joint auf der Firmenfeier und sind direkt in einer Spirale, manche sprechen von bewusstem Konsum. Anderen ist ihre Abhängigkeit jahrelang gar nicht klar. Zwei Beispiele: 

Beispiel 1: Ritalin in der Kindheit, Nikotin, Alkohol & Cannabis, Kokain – Kriminalität

Max ist in einer Kleinstadt aufgewachsen, mit sorgenvollen Eltern, die ihm wegen seiner Schulschwierigkeiten und in Rücksprache mit dem Arzt Ritalin gaben. Max wurde ruhiger, seine Noten besser, seine Eltern waren sehr erleichtert, das Rauchen ließen sie ihm darum durchgehen.

Vor dem Abitur probierte Max mit seinen Kumpels das erste Mal Cannabis, was er wegen seiner Nervosität in den Prüfungen dann regelmäßig konsumierte: Durch sein Studium kiffte er in immer größeren Mengen, quasi täglich, Alkohol kam dazu.

Nach dem Studium trank Max in seiner Zivildienstzeit täglich, im Anschluss sollte ein Traineeprogramm als Nachwuchsführungskraft folgen, was Kernarbeitszeiten und regelmäßige Präsentationen, also Abruf von Leistung auf den Punkt bedeutete. Max konsumierte neben Alkohol und Cannabis abends zum „Runterkommen“ nun koffeinhaltige Energydrinks tagsüber. Als diese nicht mehr reichten, kam Kokain dazu. Seine Einfälle und sein Engagement wurden geschätzt, er übernahm die erste Führungsposition.

Das hieß mehr Anforderungen und mehr Druck. Ein Teufelskreis mit mehr Substanzen, um den Erfolg zu halten. Das ging über einige Jahre, in denen niemand bemerkte, wie viel Kraft es Max kostete, seine Sucht geheim zu halten, Tag für Tag eine gute Figur zu machen und seine längst getrübte Urteilskraft zu kaschieren.

Dann aber wurde seine Unberechenbarkeit offensichtlich: Max äußerte sich gerade Kolleginnen gegenüber oft verbal unzulässig und seine Fehlkalkulationen häuften sich. Als ein wichtiges Projekt an seiner Fahrigkeit und mangelnden Vorbereitung scheiterten, musste das Unternehmen Entschädigungen zahlen.

Max wurde mit sofortiger Wirkung suspendiert. Nachdem er wegen aggressivem Verhalten öfter aufgegriffen und mit Alkohol am Steuer angehalten wurde, beging er nach einem schweren Unfall intoxikiert Fahrerflucht.

Beispiel 2: Mit 30 Cannabis, Kokain, Alkohol, Sexsucht, Spielsucht – Insolvenz

Tom, früher Führungskraft von mehreren Hundert Mitarbeitenden, beschreibt seinen Einstieg mit Cannabis bis zum Ende mit Kokain: „Ich kam spät zu den Drogen. Gesundheit und Sport hatten für mich immer eine so große Rolle gespielt, dass ich nie etwas davon wissen wollte. Aber dann wurde der Druck so groß, die Verantwortung für Mitarbeiter, die Firma, parallel machte ich einen MBA, da musste ich dringend mal abschalten und wieder schlafen. Also habe ich mit Mitte 30 angefangen zu kiffen.

Als dann die Partys am Wochenende kamen, habe ich Kokain kennengelernt. Damit wurde alles besser. Alles ging schneller und leichter, auch der Sex. Ich konnte von nichts genug bekommen – Schlaf war egal. Irgendwann brauchte ich Alkohol, um diesen Zustand im Griff zu halten. Das Leben war eine Party, ich fing dann auch an, mit Sportwetten zu zocken und habe gar nicht mitbekommen, dass mir das Geschäft entglitt.

Ich dachte, alle finden mich cool und stehen hinter mir. Aber in Wirklichkeit wollten sie nur auf meine Kosten feiern. Dann habe ich meinen Job verloren. Das ganze Geld war weg, ich war insolvent und ruiniert. Das war der Punkt, an dem mir klar wurde: Ich muss etwas ändern.“

Wunsch nach Anpassung

Drogenkonsum bei Leistungsträgern ist unterschiedlich, hat allerdings immer eins gemein, nämlich dass die erste Entscheidung, also mit dem Konsum zu beginnen, aus dem Wunsch der Anpassung geschieht hinsichtlich zwei Dimensionen:

  • fremdauferlegte Leistungsgrenzen leichter zu erreichen
  • damit verbundenen Druck bzw. Schmerz weniger zu spüren

Auch Nicht-Süchtige sind gefährdet

Ein noch nahezu unbekanntes Terrain sind die Online-Süchte, also Spielsucht, Sexsucht, Shoppingsucht und die Interaktion mit Avataren. Alle wirken sich auf das Selbstbild der Nutzer aus und können zu einem verzerrten Selbstbild, Selbstüberschätzung, Selbstisolation führen. Wie bei Substanzdrogen wird das Verlangen nach höheren Dosen und mehr Erlebnis grösser. Bevorteilt sind gerade Gutverdiener, die wir in der Reihe der Glücksspiel- und Sportwetten-Süchtigen finden: Allein in Deutschland sind 4,5 Millionen Menschen Sportwetten-süchtig und suchen hier Ausgleich zum regulierten Business: Stimmung, Teamgeist und die Hoffnung auf schnellen Bonus für schnelle Entscheidungen. Und selbst wenn sie mit ihrer Wette falschliegen, droht ihnen keine strafende Unternehmenskultur. Hier werden sie zum Weitermachen animiert – oft bis zur privaten Insolvenz, was der „Glücksspiel-Survey“ jährlich darlegt. Die Sportwetten-Industrie will jeden 2. Bundesdeutschen als Kunden gewinnen, die Politik gebietet keinen Einhalt.

Der DAK Onlinesuchtreport 2024 zählt seit der Pandemie über 25 Prozent mediensüchtige Jugendliche und junge Erwachsene. Auch in Unternehmen haben die bis in die Sucht führenden Bindungspotenziale der Onlinemedien längst Einzug gehalten: Gamification ist laut Gaming Market Research Report 2024 einer der wenigen weltweiten Wachstumsmärkte hier wird die Wachstumsprognose für 2031 mit 89,75 Milliarden US-Dollar gegenüber 2026 verdreifacht!

Aus Business-Sicht mit ausschließlich nachvollziehbaren Argumenten: Die Anwendung spieltypischer Elemente und Mechaniken in nicht-spielbezogenen Kontexten zeigt messbar Wirkung bei Mitarbeiter-Motivation, Engagement und Belohnungs-Gefühl: Wie in einem Wettbüro werden Punkte-, Ranglisten- und Abzeichen-Systeme verwendet, um Mitarbeiter für Leistungen zu belohnen und anzuregen, mehr zu tun. Das triggert die Dopaminschleife und wie beim Konsum bei leistungssteigernden Drogen kommt es zu

  • Risiko-Aversion
  • Kurzzeit-Denken
  • Fokus auf schnelle Gewinne unter Vernachlässigung von Langzeitstrategien

Ob mit oder ohne Substanz – Drogen steigern die „risk and fun“ Mentalität für eine kalkulierbare Zeitspanne, bevor es das Verlangen nach mehr Anreiz zu unkontrollierbarem Verhalten führt. Die an Spielsucht Erkrankten sind übrigens zu 93 Prozent männlich, so Boris van Hessen.

Die Entscheidung aufzuhören, trifft meist ein anderer

Selbst wenn der Drogenmissbrauch gesundheitliche Risiken, psychische und physische Störungen mit sich bringen kann – Führungskräfte ignorieren das. Schlicht weil sich das Narrativ „es geht nicht anders und ich habe alles im Griff“ längst zu einem real anfühlenden Glaubenssatz entwickelt hat.

Solange bis ihre Persönlichkeitsveränderungen das zwischenmenschliche und berufliche Umfeld erheblich beeinträchtigen. Bis ihre falschen Entscheidungen und ihre fehlgeleitete Urteilskraft das Team und das gesamte Unternehmen in Mitleidenschaft ziehen. Bis ihre Konzentrationsschwäche, ihr übersteigerter Risikodrang, ihr übergriffiges Benehmen und daraus resultierende Schäden nicht mehr zu ignorieren sind. Bis es vor Kunden zu einem Eklat kommt. Dann zieht der Betrieb die Reißleine. Doch eine Kündigung bedeutet selten die dauerhafte Abstinenz.

Was Unternehmen tun können

Um das Problem anzugehen, ist eine Veränderung der Unternehmenskultur notwendig. Unternehmen sollten offene Dialoge über psychische Gesundheit und Suchtprobleme fördern und effektive Unterstützungsprogramme für ihre Führungskräfte bereitstellen. Die Etablierung einer Kultur, die Fehler und Verletzlichkeit erlaubt und Hilfe ohne Stigmatisierung anbietet, kann einen entscheidenden Unterschied machen.

Ein Konzept „Clean@Work“ wird in dem LinkedIn-Audiokurs „Drogen im Management“ vorgestellt. Denn bei allen Herausforderungen in der heutigen Geschäftswelt muss über den Griff zu Drogen gesprochen und es müssen Alternativ-Lösungen gefunden werden.

Unternehmen und Führungskräfte müssen gemeinsam Wege finden, um mit dem Druck umzugehen, ohne auf Substanzen zurückzugreifen. Nur so kann langfristiger Erfolg sowohl für die Entscheider als auch diejenigen einstellen, die für Führungsaufgaben gewonnen werden sollen.

Weitere Literatur

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2024): Verfügbar unter:   https://www.bzga.de/was-wir-tun/suchtpraevention/

Christofferson, A.; Videbaek, A.; Egan, A.; Rowland, T. & Madden, M. (2024): Gaming Report 2024. Bain & Company.Verfügbar unter: https://www.bain.com/insights/topics/gaming-report/

Dahm, J. (2024): Drogenreport 2024. Entscheidungs- und Führungsverhalten unter Drogenkonsum von Führungskräften“. Verfügbar unter: https://entscheidungsinstitut.de/wp-content/uploads/2024/10/dahm-int-drogenreport-2024.pdf

Dahm, J. (2024): Drogen im Management – gefährliche Trends und verdeckte Risiken, LinkedIn-Audiokurs. Verfügbar unter: https://www.linkedin.com/learning/drogen-im-management-gefahrliche-trends-und-verdeckte-risiken/grunde-fur-drogenkonsum?autoSkip=true&resume=false

DAK (2024): DAK-Suchtstudie: Nach der Pandemie nutzt jedes vierte Kind soziale Medien riskant. Verfügbar unter:https://www.dak.de/dak/unternehmen/reporte-forschung/dak-studie-mediensucht-2023-24_56536

Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) (2023): Glücksspiel-Survey. Verfügbar unter: https://www.gluecksspiel-behoerde.de/de/news/337-gluecksspiel-survey-2023-ggl-betont-bedeutung-des-monitorings-fuer-die-evaluierung-des-gluestv-2021

Taapken, N. (2023): EY Fehlerkultur Report 2023. Verfügbar unter:  https://www.ey.com/de_de/functional/forms/download/ey-studie-zur-fehlerkultur-in-deutschen-unternehmen

van Heesen, B. (2022): Was Männer kosten. Über den Preis des Patriarchats. München: Heyne.

Dr. Johanna Dahm, Diplom und Promotion in Kommunikationswissenschaften und Wirtschaftsphilosphie, Executive MBA, Dipl. Business Coach, Systemischer Coach (ICA), Geschäftsführerin von Dahm International Consulting, Vorsitzende des Entscheidungsinstituts in Frankfurt und Lehrbeauftragte an mehreren Hochschulen.

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