Recruiting: Wenn sich die KI auf Jobs bewirbt

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In den USA gibt es einen Bot, der Bewerbungen schreibt und verschickt. Die werden dann oft von einer KI in den Unternehmen geprüft. Der Mensch bleibt außen vor.

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist alles möglich. Nun gibt es den Bot AIHawk. Er wird bereits von Tausenden von Menschen aktiv genutzt, um KI für automatische Bewerbungen auf LinkedIn in großem Umfang einzusetzen. Und weil Unternehmen in den USA auch oft KI einsetzen, um Bewerber auswählen, ist die Dystopie perfekt. So versuchen Unternehmen, Personalvermittler und HR-Softwarefirmen längst, jede mögliche menschliche Interaktion zu automatisieren, die im Rahmen des Bewerbungsprozesses möglich ist.

Hilke Schellmann hat in ihrem Buch The Algorithm: How AI Decides Who Gets Hired, Monitored, Promoted, and Fired eindrucksvoll analysiert, wie untauglich viele dieser KI-Anwendungen sind. Da werden Lebensläufe gescreent und absurde Schlüsselwörter gesucht, fragwürdige Tests eingesetzt und Gesichtsausdrücke analysiert. Doch nun können Bewerber zurückschlagen.

„Bevor ich meinen Laptop in dem Restaurant, in dem ich arbeite, zur Seite lege, öffne ich ein Terminalfenster, gebe einen einzigen Befehl ein und drücke die Eingabetaste“, schreibt Jason, der Mitbegründer von 404 Media, seinen Versuch mit AI Hawk . „Der Kellner gibt mir mein Frühstück und ich schiebe meinen Laptop weg, als der Bot zum Leben erwacht, ein Chrome-Fenster öffnet und zu LinkedIn navigiert. Er beginnt, durch die Stellenanzeigen zu scrollen und öffnet einige davon. Ich beobachte, wie der Bot eine Stelle bei einem Unternehmen namens Alpha Lion findet und auf `Easy Apply` klickt. Er gibt meine biografischen Daten ein, erstellt einen Lebenslauf und schreibt ein Anschreiben. Er teilt Alpha Lion mit, dass ich die Genehmigung habe, in den USA zu arbeiten, dass mir Remote Work nichts ausmacht und ich sie sogar bevorzuge und dass ich nicht im Militärdienst war. Er erklärt, dass ´ich mich besonders zu Alpha Lion’s Engagement für persönliche Exzellenz und Innovation in der Sporternährung hingezogen fühle` und dass `ich mich auf die Gelegenheit freue, zu besprechen, wie meine Fähigkeiten und Erfahrungen mit den Zielen von Alpha Lion übereinstimmen und wie ich dazu beitragen kann, Ihre Videomarketing-Bemühungen zu neuen Höhen zu treiben.` Es macht klick und gilt. Ich nehme einen Bissen von meinem Toast.“

Der Bot findet einen anderen Job bei einer Marketingfirma und schreibt, so Jason: „Ich baue gerne starke Teams auf und treibe Innovationen durch Unternehmertum und neue Technologien voran. Lassen Sie uns gemeinsam die Zukunft gestalten!“ Dann teilt er dem Schmuckunternehmen Brilliant Earth mit: „Ihre Mission, eine transparentere und nachhaltigere Schmuckindustrie zu kultivieren, entspricht voll und ganz meinen beruflichen Werten, und ich freue mich darauf, mein Fachwissen bei der Entwicklung innovativer Social-Media-Strategien einzubringen, die mit der Vision Ihrer Marke übereinstimmen.“ Als er mit dem Frühstück fertig war, hatte er sich auf zwölf verschiedene Stellen in den USA beworben.

Die Telegram-Community von AI Hawk habe 4.700 Mitglieder und sei voll von Leuten, die innerhalb weniger Tage Vorstellungsgespräche bekommen haben, nachdem sie die KI tonnenweise Bewerbungen abschicken ließen. „Habe es über Nacht laufen lassen und mich auf etwa 150 Stellen beworben. Habe heute Morgen einen Anruf von der Personalabteilung bekommen… und ich fange gerade erst an, lol. Ich werde es 24/7 laufen lassen“, schrieb ein Nutzer. „Ich plane, mich auf Tausende von Stellen zu bewerben. Diesmal habe ich (der Kandidat) den Hebel in der Hand, nicht irgendeine Personalabteilung.“

„Ich nutze die Plattform jetzt seit etwas mehr als drei Monaten und habe mich in dieser Zeit auf 2.843 Stellen beworben“, schrieb ein anderer Nutzer. „In dieser Zeit hatte ich vier Vorstellungsgespräche, habe ein Angebot für eine Stelle als Senior Data Engineer mit 85.000 Pfund erhalten und warte auf eine Rückmeldung zu einem weiteren Angebot, da ich auf die Ergebnisse eines Tests warte.“

Bewerber verwenden KI-generierte Lebensläufe und Anschreiben, um sich automatisch auf Stellen zu bewerben. Die Bewerbungen werden häufig von automatisierter KI-Software überprüft. Der Mensch  wird aus dem Einstellungsprozess entfernt. Schöne neue Arbeitswelt.

Bei AI Hawk handele es sich im Wesentlichen um ein Python-Programm, das durch LinkedIn navigiert und ein LLM verwendet (die GPT-Produkte von OpenAI und Gemini funktionieren beide), um individuelle Anschreiben und Lebensläufe zu erstellen, die auf einer Reihe biografischer Details basieren, die ein Benutzer in ein Skript eintippt und bei Bedarf auf der Grundlage der Stellenbeschreibung und anderer Informationen anpasst, die das Unternehmen auf LinkedIn veröffentlicht hat. Es gebe verschiedene Tutorials und Anleitungen, um den Code zum Laufen zu bringen. Im Grunde müssten die Benutzer nur Python installieren, einige Codes nach einer Vorlage optimieren, einen OpenAI-API-Schlüssel einprogrammieren und sich bei LinkedIn anmelden, schreibt Jason. Er habe das Programm innerhalb von 15 Minuten zum Laufen gebracht.

Inzwischen ist AI Hawk viral gegangen und hat einige Klone inspiriert, darunter ein Unternehmen namens „JobMagic“, dessen Slogan lautet „Bewirb dich für Jobs, während du schläfst“ und die für Menschen geeignet sei, die nicht mit dem Python-Code vertraut sind.

AI Hawk wurde von dem italienischen Informatiker Federico Elia geschaffen. Er erklärte gegenüber 404 Media, einer der Gründe haben darin bestanden, „den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Einstellungsprozess auszugleichen“, um (theoretisch) das Spielfeld zwischen Unternehmen, die KI-HR-Software einsetzen, und den Menschen, die sich um eine Stelle bewerben, wieder auszugleichen.

„Viele Unternehmen setzen automatisierte Screening-Systeme ein, die oft begrenzt und ineffektiv sind und qualifizierte Bewerber ausschließen, nur weil in ihren Lebensläufen bestimmte Schlüsselwörter fehlen. Diese Systeme können wertvolle Talente übersehen, die zwar über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen, aber nicht die richtigen Begriffe in ihren Lebensläufen verwenden“, sagte Elia. Sein Bot schaffe ein ausgewogeneres Ökosystem, in dem KI nicht nur die Auswahl durch Unternehmen erleichtert, sondern auch die Bewerbung von Talenten unterstützt. Durch die Automatisierung sich wiederholender Aufgaben und die Personalisierung von Bewerbungen reduziere AI Hawk den Zeit- und Arbeitsaufwand der Bewerber und erhöhe ihre Chancen, von Arbeitgebern wahrgenommen zu werden.

Er persönlich sei bereits von LinkedIn „wegen der Verwendung von AI Hawk zur Automatisierung von Bewerbungen“ ausgeschlossen worden. Und ein Sprecher von LinkedIn teilte 404 Media mit, dass AI Hawk bereits bekannt sei und dass automatisierte Tools auf der Plattform nicht erlaubt seien.

Die  KI verfasst Anschreiben, die von einer anderen KI gelesen werden, mit ungewissen Folgen nicht nur für Menschen, die sich auf die herkömmliche Art und Weise bewerben, sondern auch für Unternehmen, die Mitarbeitende einstellen, die oft nicht mal wissen, was die KI geschrieben hat.

Bärbel Schwertfeger Bild

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.

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