Der Sozialphilosoph und Managementdenker Charles Handy äußerte sich bereits 2017 auf dem Global Drucker Forum in Wien beunruhigt über die Veränderungen in der Arbeitswelt, selbstsüchtige Unternehmen und forderte die Manager auf, mehr Verantwortung zu übernehmen. Am 13. Dezember 2024 ist er mit 92 Jahren verstorben. Seine Gedanken sind noch immer aktuell.
Charles Handy: Wie sehen Sie den Wandel in der Arbeitswelt?
Früher hatten wir „Companies“ und wie ich damals bei Shell gearbeitet habe, da war das Unternehmen so etwas wie ein Kamerad, der sich um einen kümmerte. Als ich nach Südostasien versetzt wurde, bin ich dort von einem Mitarbeiter empfangen worden und die Firma hat mir ein Haus zur Verfügung gestellt. Später kam die „Corporation“. Es wurde unpersönlicher und bürokratischer. Es gab nur noch Nummern für Abteilungen und Jobbeschreibungen, aber keine Namen mehr an der Bürotür. Ich fand das damals schon sehr traurig, weil damit etwas Wichtiges verloren ging ist. Man will sein Leben nicht so einer „Corporation“ widmen. Die Folge ist, dass man nur noch das macht, was man unbedingt machen muss.
Und wie ist es inzwischen?
Das hat sich alles noch verschärft. Heute sind die Unternehmen oft nur noch seelenlose Geldmaschinen und haben ihre Menschlichkeit verloren. Mit der Digitalisierung ist es noch unpersönlicher geworden. Die Menschen sind nur noch Nummern und Daten und man braucht nicht mehr mal einen Ausweis, weil eine Software das Gesicht identifiziert. Menschen sind heute nur ein kurzfristiges Asset, aus dem man so viel wie möglich rausholen will. In Deutschland gibt es immerhin noch den Mittelstand. Dahinter stehen oft Familien, die Dinge herstellen. In Großbritannien produzieren wir nur noch Zahlen.
Was hat sich bei der Managementausbildung geändert?
In den 1960er Jahren habe ich an der London Business School das Sloan Programm gestartet. Das war für Mitarbeiter mit Mitte bis Ende 30, die dort neun Monate die Möglichkeit hatten, über ihren Job und ihr Leben nachzudenken. Ich wollte ihnen damals keinen akademischen Grad dafür verleihen. Heute bekommen sie einen MBA-Abschluss. Ich würde mir mehr Philosophie und politische Wissenschaften in der Managerausbildung wünschen und nicht nur eine auf Zahlen fixierte Ausbildung.
Hat das MBA-Studium, das in den USA und in Großbritannien als die klassische Managementausbildung gilt, überhaupt noch Zukunft?
Die Zeiten, wo man im Klassenzimmer lernt, wie man ein Geschäft führt, sind vorbei. Das lernt man nur in der Praxis. Und durch die technologischen Möglichkeiten muss man auch nicht einmal mehr im Klassenzimmer sitzen, sondern kann sich den Lernstoff online aneignen und dann gleich in der Praxis anwenden. Der MBA wird verschwinden und es werden vielleicht zehn große Business Schools übrigbleiben. Die Programme für erfahrene Manager werden überleben, aber die müssen nicht an den Business Schools stattfinden. Das können auch unabhängige Trainer anbieten. Die große Frage wird aber sein, wer sich das noch leisten kann?
Sie glauben, dass viele Jobs verschwinden?
Künftig werden Maschinen die meisten Arbeiten übernehmen. Immer weniger Menschen werden daher einen Vollzeit-Job in einem Unternehmen haben. Wir werden alle selbständige Portfolio-Arbeitern mit vers…
Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.