Erfahrungen mit dem Älterwerden: Chance oder Einschränkung

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Die individuelle Wahrnehmung des Älterwerdens hat Einfluss auf die späte Karriereplanung und die Arbeit im Ruhestand. Daraus lassen sich praktische Implikationen für Unternehmen und Politik ableiten.

Der demografische Wandel hat in den letzten Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen. Während die Geburtenraten tendenziell niedrig sind, steigt die Lebenserwartung, was zu einer alternden Gesellschaft führt und neue Herausforderungen mit sich bringt. Überall wird nach Lösungen zur Aufrechterhaltung des Rentensystems, des Fachkräftemangels oder auch nach Möglichkeiten gesucht, um das Älterwerden angenehmer zu gestalten. Denn das Alter geht mit weitreichenden privaten und beruflichen Veränderungen einher. Allerdings sind das Altern sowie die Wahrnehmung dessen so individuell wie die Personen, die dahinterstehen.

Wie erleben wir das Älterwerden?

Als Alternserfahrung gilt die individuelle Wahrnehmung des Älterwerdens (Dittmann-Kohli et al., 1997). Die Alternserfahrung ist ein wichtiger Teil des Selbstbildes. Im Gegensatz zu jüngeren Personen, können ältere Menschen Vergleiche zwischen der Gegenwart und einer längeren Vergangenheit ziehen, sie haben mehr Lebenserfahrung. Die Diskrepanz zwischen heute und früher wird oft auch als Verlust oder als Gewinn betrachtet (Markus & Herzog, 1992). Diese Lebenserfahrung kann in Entscheidungen miteinbezogen werden und somit Entscheidungsprozesse steuern.

Alternserfahrungen lassen sich in vier Dimensionen unterteilen (Dittmann-Kohli et al., 1997). Persönliche Weiterentwicklung (1) beschreibt die Wahrnehmung des Alterns als Prozess der individuellen Entwicklung, d.h. weiterhin neue Pläne zu machen und neue Dinge zu lernen. (2) Selbsterkenntnis beschreibt sich über die eigenen Stärken und Schwächen, die mit dem Älterwerden einhergehen, besser zu verstehen. Diese beiden Dimensionen werden als Zugewinne wahrgenommen. Auf der anderen Seite stehen die Verluste, darunter (3) soziale Einbußen und (4) körperliche Einschränkungen. Soziale Einbußen gehen mit einem Gefühl der Einsamkeit einher. Zudem fühlen sich Menschen weniger gebraucht und respektiert. Körperliche Einschränkungen spiegeln sich darin wider, dass Menschen sich weniger energiegeladen und fit fühlen und allgemein weniger gesund sind. Zudem bedeuten körperliche Einschränkungen, dass man nicht mehr so viel machen kann wie in jüngeren Jahren.

Wie Alternserfahrungen das Engagement, die Karriereplanung und den Ruhestand prägen

Wie wir das Älterwerden erleben bestimmt zu einem gewissen Teil, wie wir uns bei der Arbeit verhalten, wie wir unsere Zukunft sehen, und wie wir unsere weitere Karriere und unseren Ruhestand planen. Diesbezüglich zeigen wir in drei Studien, wie das Arbeitsengagement, die Karriereplanung und den (Übergang in den) Ruhestand durch die vier Dimensionen von Alternserfahrungen geprägt werden und welche Mechanismen dafür verantwortlich sind. Abbildung 1 fasst die Forschungsergebnisse zusammen.

 

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                                                                    Abbildung 1. Alternserfahrungen, psychologische Mechanismen und berufliche Konsequenzen

 

Alternserfahrungen, psychologisches Kapital und Arbeitsengagement

Welche Auswirkungen Alternserfahrungen auf das Arbeitsengagement haben, untersuchten Fasbender et al. (2022) in einer zwei-welligen Studie mit 346 erfahrenen Beschäftigten (40-68 Jahre) aus Spanien. Arbeitsengagement beschreibt die Energie, die erfahrene Beschäftigte in ihre Arbeit investieren (Damman et al., 2013). Dabei zeigte sich, dass persönliche Weiterentwicklung und zunehmende Selbsterkenntnis das Arbeitsengagement fördern, während soziale Einbußen das Arbeitsengagement verringern. Kein Zusammenhang wurde bei körperlichen Einschränkungen festgestellt. Die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Alternserfahrungen mit dem Arbeitsengagement werden über das psychologische Kapital erklärt. Denn um Veränderungen im Alter am Arbeitsplatz zu bewältigen, zukünftige Möglichkeiten zu erkennen sowie das soziale Netzwerk zu stärken, benötigen Beschäftigte ein hohes Maß an psychologischem Kapital.

Das psychologische Kapital ist ein adaptives Set psychologischer Ressourcen, darunter Hoffnung, Optimismus, Resilienz und Selbstwirksamkeit (Luthans et al.,2007). Es zeigte sich, dass die Zugewinne, persönliche Weiterentwicklung und zunehmende Selbsterkenntnis, das psychologische Kapital stärkten, was wiederum das Arbeitsengagement förderte. Verluste, darunter vor allem soziale Einbußen, reduzieren das psychologische Kapital und damit auch das Arbeitsengagement. Insgesamt zeigte sich, dass ein hohes Maß an psychologischem Kapital nötig ist, um sich den Herausforderungen des späten Berufslebens zu stellen und Alternserfahrungen können dies maßgeblich prägen.

Alternserfahrungen, berufliche Zukunftsperspektive und späte Karriereplanung

Alternserfahrungen sind aber nicht nur für das Arbeitsengagement wichtig, sondern spielen außerdem eine Rolle für die weitere Karriereplanung, vor allem der Motivation länger zu arbeiten. Die Motivation länger zu arbeiten, beschreibt die Intention über das typische Renteneintrittsalter hinaus weiterhin beruflich tätig zu sein (Armstrong-Stassen, 2008; Pak et al., 2019; Templer et al., 2010). In einer zwei-welligen Studie mit 586 älteren Beschäftigten (50-79 Jahre) aus Großbritannien zeigten Fasbender et al. (2019), dass Alternserfahrungen (neben weiteren Faktoren wie der Karriereanpassungsfähigkeit) die Karriereplanung maßgeblich prägen. Dabei spielte die berufliche Zukunftsperspektive eine wichtige Rolle.

Diese bezieht sich auf die Sicht der älteren Beschäftigten auf ihre verbleibende Zeit und die Möglichkeiten im Beruf (Zacher & Frese, 2009). Dabei reduzieren körperliche Einschränkungen die berufliche Zukunftsperspektive, während die Wahrnehmung von Altern als persönliche Weiterentwicklung diese er…

Professorin Dr. Ulrike Fasbender, M.Sc., Promotion und Habilitation in Psychologie, Lehrstuhlinhaberin Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Universität Hohenheim

Agnes Klostermann, Studentin Bachelor of Science Sustainability and Change, studentische Hilfskraft am Lehrstuhl Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Universität Hohenheim

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