Gründer aus der Wissenschaft: Scheitern am Teamgeist und Pragmatismus  

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Deutschlands Wissenschaftler gründen zu wenig. Eine Forschungsprojekt an der Technischen Universität München untersucht erstmals die psychologischen Faktoren, die oftmals zum Scheitern führen.

Deutschland ist weltweit einer der Topstandorte für Spitzenforschung. Im globalen Wettbewerbsbericht 2018 des Weltwirtschaftsforums belegt es bei der Innovationsfähigkeit sogar Platz 1. Gleichzeitig gibt es nur wenige Ausgründungen aus der Wissenschaft.

Erstmals geht nun ein von der Joachim Herz Stiftung gefördertes Forschungsprojekt am Entrepreneurship Research Institute der Technischen Universität München der Frage nach den psychologischen Faktoren und Rahmenbedingungen von Gründern in der Wissenschaft nach.

Das Forschungsteam hat mehr als hundert unternehmerische Teams über mehrere Monate hinweg begleitet. Dabei wurden die Studienteilnehmer wöchentlich per Online-Fragebogen und Interview dazu befragt, mit welchen Herausforderungen sie bei der Ausgründung ihrer Idee konfrontiert werden. Vor kurzem wurden die ersten Zwischenergebnisse präsentiert.

Herausforderung Nr. 1: Ohne Teamarbeit kein Erfolg

Eine innovative Technologie allein reicht nicht aus, um erfolgreich ein Unternehmen zu gründen. Wissenschaftlern fehlt in der Regel die Marktkenntnis, um beurteilen zu können, welche Idee das Potenzial für eine Kommerzialisierung hat. Deshalb sollten sie so früh wie möglich Mitstreiter mit Industrie- und Gründungserfahrung ins Team nehmen. Neben den mangelnden Kenntnissen über Marktmechanismen spielt aber auch die Dynamik innerhalb der Gruppe eine große Rolle. Vielen Gründungsteams fällt es schwer, einen gemeinschaftlichen und geradlinigen Weg zu finden. Dies bezieht sich sowohl auf die Entscheidung, was das Produkt können soll, sowie auf die Frage, wie diese Vision am besten umzusetzen ist. Universitäre und andere Einrichtungen der Gründungsförderung dürften sich daher nicht nur auf die Vermittlung von Technologie- und Marktkenntnissen konzentrieren, sondern sollten auch Soft-Skill-Kurse wie ein teamorientiertes Coaching als wichtige Komponente für eine effektive Gründungsförderung anbieten, resümiert Nicola Breugst, Psychologin und Professorin für Entrepreneurial Behavior am TUM Entrepreneurship Research Institute.

Herausforderung Nr. 2: Mehr Pragmatismus, weniger Perfektionismus

Die Studie zeigt, dass sich potenzielle Gründende aus der Wissenschaft von ihren hohen Ansprüchen verabschieden müssen: Nach der Devise „fail fast and early“ werden Gründungsteams dazu angehalten, schon frühzeitig die Marktfähigkeit ihrer Lösungen zu validieren, indem sie mögliche Kunden mit nicht vollständig ausgereiften Prototypen konfrontieren. Das Testen und Einholen von Feedback in einem sehr frühen Stadium steht allerdings im Widerspruch zum wissenschaftlichen Mindset, bei dem unausgereiftes Wissen keine Basis für Entscheidungen und die Kommunikation mit Anderen darstellt. Diese unterschiedlichen Denk- und Herangehensweisen erschweren auch die Feedbackkultur in den interdisziplinären Teams: Nicht immer entspricht der „wissenschaftliche Perfektionismus“ auch dem „unternehmerischen Pragmatismus“.

Das dreijährige Forschungsprojekt hat das Ziel, grundlegende relevante, aber oftmals vernachlässigte, psychologische Prozesse in akademischen Ausgründungen zu verstehen. Dazu untersucht das Team, wie Wissenschaftler zu Gründern werden und welche Einflüsse diesen Prozess unterstützen oder hemmen. Gleichzeitig geht es um das Verständnis, wie interdisziplinäre Gründungsteams erfolgreich zusammenarbeiten, Kompromisse finden und gemeinsame Firmenwerte entwickeln. Die finalen Ergebnisse werden Anfang 2021 in Berlin präsentiert.

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.

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