Wer ständig den starken Drang hat, auch in der Freizeit arbeitsbezogene Nachrichten zu lesen und zu beantworten, fühlt sich weniger erholt und mehr gestresst, aber auch besser informiert. Unternehmen sollten klare Handlungsempfehlungen geben.
Wer viel in den sozialen Medien unterwegs ist, hat die Formulierung „FoMO“, bzw. „Fear of Missing Out“ sicherlich schon mal aufgeschnappt. Aus wissenschaftlicher Sicht beschreibt FoMO die kontinuierliche Angst etwas zu verpassen und weniger belohnende Erfahrungen zu machen als die eigenen Freundinnen und Freunde (Przyblinski et al., 2013). Daraus folgt, dass viele Personen ständig Social-Media-Kanäle checken, um auf dem Laufenden zu sein, was sowohl im erweiterten Bekanntenkreis als auch auf der Welt gerade passiert. Befeuert wird dieses Verhalten durch Push-Benachrichtigungen der jeweiligen Apps und die Aufforderung: „Bitte informiere dich, was du verpasst haben könntest!“ So ähnlich formuliert es eine relativ neue App an die eigenen Userinnen und User, bei der man möglichst authentisch Bilder von dem aktuellen Augenblick an seine Kontakte schicken soll.
Im privaten Bereich gibt es bereits viel Forschung zu FoMO und den Auswirkungen, die es auf das allgemeine Wohlbefinden haben könnte (Tandon et al., 2021). Allerdings werden digitale Informations- und Kommunikationstechnologien (IKTs) schon lange nicht nur im privaten Bereich genutzt. Sowohl während als auch nach der eigentlichen Arbeitszeit haben viele Arbeitnehmende Zugriff auf ihre E-Mails oder stehen anderweitig in Kontakt mit ihren Kolleginnen und Kollegen. Daher stellten wir uns in unserer aktuellen Studie die Frage, inwiefern es das Phänomen FoMO auch speziell für den Kontext Arbeit gibt und ob die Nutzung von IKTs außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit damit zusammenhängt.
Allerdings waren wir nicht die ersten, die sich mit dem Konstrukt des arbeitsbezogenem FoMO beschäftigt haben. Eine Studie von Christopher Budnick und Kollegen aus dem Jahr 2020 definierte das Konstrukt bereits basierend auf drei empirischen Querschnitts Studien. Demnach ist arbeitsbezogenes FoMO die kontinuierliche Angst, dass man arbeitsbezogene Informationen nicht erhält oder Kontakte nicht knüpft (im Vergleich zu Kolleginnen und Kollegen), wenn man physisch nicht am Arbeitsplatz anwesend oder anderweitig von der Arbeit getrennt ist. Diese Trennung von der Arbeit sollte gegeben sein, wenn Mitarbeitende Feierabend machen. Ein starkes Gefühl von arbeitsbezogenem FoMO kann jedoch dazu führen, dass zwar eine physische, nicht aber eine mentale Abwesenheit von der Arbeit stattfindet. Besonders, wenn die Möglichkeit zur Nutzung von IKTs besteht, könnten Mitarbeitende dazu tendieren, auch nach der eigentlichen Arbeitszeit noch schnell E-Mails zu checken, zu beantworten oder sich anderweitig mit Kolleginnen und Kollegen über arbeitsbezogene Inhalte auszutauschen. Auch wenn die Forschung zu arbeitsbezogenem FoMO noch sehr limitiert ist, gibt es ähnliche Konstrukte, für die solche Effekte schon gefunden wurden.
Telepressure und arbeitsbezogenes FoMO
Es gibt noch nicht viel Forschung zu arbeitsbezogenem FoMO, wohl aber zu einem anderen Konstrukt, für das ähnliche Mechanismen zum Zusammenhang mit IKTs vermutet werden (Reimann et al., 2024): arbeitsbezogener Telepressure. Auf Deutsch könnte man Telepressure mit „Teledruck“ oder „digitaler Last“ übersetzen, doch wie bei FoMO wird im Folgenden weiterhin der englische Originalbegriff verwendet.
Arbeitsbezogener Telepressure beschreibt den starken Drang, arbeitsbezogene Nachrichten direkt zu lesen und zu beantworten (Barber & Santuzzi, 2017). In dieser Definition wird schon deutlich, dass arbeitsbezogene IKTs eine wichtige Rolle spielen und empirisch wurde dies auch bestätigt. So fand eine Studie von Ruben Cambier und Kollegen aus dem Jahr 2019, dass arbeitsbezogener Telepressure die arbeitsbezogene Nutzung des Smartphones in der Freizeit vorhersagte, was wiederum dazu führte, dass Arbeitnehmende sich weniger erholt fühlten. Hier zeigt sich also schon ein Effekt auf Aspekte des Wohlbefindens von Arbeitnehmenden, welches sich durch das Zusammenspiel von arbeitsbezogener Telepressure und der Nutzung von IKTs reduzierte. Wieso dieser Effekt bei arbeitsbezogener Telepressure auftritt und warum ähnliches für arbeitsbezogenes FoMO vermutet wird, kann anhand eines bekannten Stressmodells erläutert werden.
Anforderung oder Ressource – das ist die Frage
Die sogenannte „Job-Demands Resources Theory…
Linda-Elisabeth Reimann, M.Sc. Psychologie, Doktorandin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin in Arbeitspsychologie an der Universität Münster
Professorin Dr. Carmen Binnewies, Diplom-Psychologin, Professorin für Arbeitspsychologie an der Universität Münster