Mit der Imaginationstechnik WOOP kann jeder seine Ziele realisieren, sagt Psychologieprofessorin Gabriele Oettingen. Voraussetzung ist allerdings, dass wir uns unsere persönlichen Hindernisse klar machen.
Positiv Denken ist immer noch sehr beliebt. Hunderte von Beratern und Büchern propagieren es. Warum funktioniert es nicht?
Positive Zukunftsphantasien und Träume haben einen großen Reiz. Sie sorgen für gute Stimmung und zeigen uns die Möglichkeiten, die wir für die Zukunft skizzieren können. Aber wenn es darum geht, diese Möglichkeiten auch tatsächlich umzusetzen, dann funktionieren unsere Zukunftsträume alleine nicht. Viele glauben, man braucht bloß positiv denken und das würde reichen. Darin liegt das Handicap. Das haben wir in über 20 Jahren Forschung in vielen verschiedenen Studien in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen gezeigt. Zum Beispiel Hochschulabsolventen, die positiv darüber phantasierten, gut ins Berufsleben zu gleiten, bekamen weniger Stellenangebote und verdienten nach zwei Jahren weniger Geld als Studierende, die auch negative Gedanken zuließen. Je positiver Personen, die sich zu einem Programm für Gewichtsreduzierung angemeldet hatten, über ihren Erfolg im Programm phantasierten, desto weniger Gewicht hatten sie nach drei Monaten verloren. Oder ein Beispiel im Bereich der mentalen Gesundheit: Je positiver Personen in die Zukunft phantasierten, desto weniger depressiv waren sie im Moment, aber über die Zeit wurden sie depressiver.
Positives Denken bewirkt also das Gegenteil.
Positive Zukunftsträume sind tatsächlich hinderlich für ihre Umsetzung. Das zeigen nicht nur unsere Feldstudien, sondern auch streng kontrollierte Experimente. Wir haben Personen positive Zukunftsphantasien induziert. In den Kontrollgruppen leiteten wir die Personen zu negativen Phantasien, fragenden Gedanken oder irrelevanten Gedanken an. Wir finden, dass Personen in der Gruppe mit positiven Zukunftsphantasien sich schon am Ziel angekommen fühlten. Und sich entspannten. Diese Entspannung kann man messen über sinkenden Blutdruck zum Beispiel oder indem man Personen direkt fragt. Wie energiesiert fühlst du dich in Bezug auf die Wunscherfüllung? Interessanterweise sagt die Energetisierung vorher wieviel man sich anstrengt und wie erfolgreich man später ist. Die positiven Zukunftsphantasien beeinflussen unser mentales Erleben des Erfolgs so stark, dass wir unsere Anstrengungen reduzieren.
Also lieber negativ denken, damit ich mich mehr anstrenge?
Das ist auch keine Lösung, weil die positiven Zukunftsphantasien aus unseren Bedürfnissen entstehen, also aus dem, was wir nicht haben. Die Lösung ist das mentale Kontrastieren der erwünschten Zukunft mit dem Hindernis der Realität. Ich erspüre erst einen spezifischen und für mich machbaren Wunsch, der mir wirklich am Herzen liegt und stelle mir lebhaft vor, wie es wird, wenn ich mir den Wunsch erfüllt habe. Dann wechsle ich den Gang und identifiziere das Hindernis in mir selbst, das mir im Wege steht, mir meinen Wunsch zu erfüllen. Dabei wird mir klar, wie ich das Hindernis überwinden kann. Und nun mache ich einen Plan. Das ergibt WOOP. Es sind vier Schritte: Wish (Wunsch), Outcome (Ergebnis), Obstacle (Hindernis) und Plan (Plan). WOOP ist eine bewusste Imaginationstechnik. In der Forschung wird WOOP meist unter dem wissenschaftlichen Fachbegriff „Mentales Kontrastieren mit Implementierungs-Intentionen“ untersucht.
Viele wünschen sich, Millionär oder reich zu sein.
Diese von außen an mich heran getragenen Wünsche sind oft normativ. Das ist ja nicht mein wirkliches Bedürfnis. Ich muss nicht Millionär sein, um meine Bedürfnisse zu befriedigen. Was ist mir wirklich wichtig? Das Erkennen eines mir wirklich wichtigen Wunsches gibt dem Handeln die Richtung. Vielleicht möchte ich in meinem Job mehr Verantwortung übernehmen oder ich wünsche mir mehr Freizeit? Also Dinge, die in meiner Hand liegen, aber trotzdem herausfordernd sind.
Nehmen wir zum Beispiel den Wunsch, die Beziehung zu meinem Chef zu verbessern.
Wenn jemand den starken Wunsch hat, alles zu tun, um die Beziehung zum Chef zu verbessern, ist der zweite Schritt, sich das Gelingen dieses Wunsches intensiv vorzustellen: Dann wäre ich glücklicher und die Arbeit würde mir wieder Spaß machen. Ich würde jeden Tag, gern zur Arbeit gehen. Das wäre wunderbar. Die Imagination hilft, in diese Richtung auch zu handeln. Aber das Problem ist ja, dass diese positive Zukunftsphantasie dem Handeln die Energie nimmt. Also muss ich die Energie finden, die mich in die Wunscherfüllung reinschiebt. Das mache ich, indem ich den Gang umlege und überlege: Was ist es in mir, das mir im Weg steht, diesen Wunsch anzugehen und das Gelingen zu erleben? Was ist mein Haupthindernis? Habe ich einen Groll auf den Chef, oder Angst zu kommunizieren, oder gar ein schlechtes Gewissen? Wenn ich das Hindernis gefunden habe, dann gilt es das Hindernis – den Groll, die Angst, oder das schlechte Gewissen – lebhaft zu imaginieren. Durch diese Imagination wird einem schnell klar, was man tun kann, um das Hin…
Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.