Nach dem Boom des Online-Coaching ist das persönliche Gespräch wieder zurück. Und das Thema Resilienzstärkung gewinnt an Bedeutung. Das zeigt die aktuelle RAUEN Coaching-Marktanalyse.
Nachdem das Online-Coaching im Zuge der Corona-Pandemie zum meistpraktizierten Coaching-Format avancierte, wurde es nun – nach Wegfall sämtlicher pandemiebedingter Präsenz-Hemmnisse – wieder vom Präsenz-Coaching überholt. Mit dem zweiten Platz innerhalb des Spektrums der Coaching-Formate konnte das Online-Coaching jedoch im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie erheblich an Bedeutung gewinnen. Die Zufriedenheit mit dem Coaching leidet darunter offenbar nicht. Die Coaching-Honorare und -Einkommen, die zuletzt einem negativen Trend unterlagen, konnten sich leicht erholen. Innerhalb des Coaching-Themenspektrums schiebt sich die Resilienzstärkung nach vorn. Dies sind ausgewählte Ergebnisse der aktuellen RAUEN Coaching-Marktanalyse 2023.
Die vergangenen zwei Coaching-Marktanalysen fanden unter dem Vorzeichen der COVID-19-Pandemie statt und belegten, was den Arbeitsalltag vieler Coaches in dieser Zeit prägte: Aufgrund der Kontaktbeschränkungen verlagerte sich das Coaching gezwungenermaßen zunehmend in den virtuellen Raum. Hatte das mittels Videokonferenzsystem durchgeführte Online-Coaching mit einem Anteil von 7,70 Prozent vor der Pandemie lediglich eine untergeordnete Rolle gespielt, wurde es im Zuge der Pandemie zum meistpraktizierten Coaching-Format und verdrängte das Präsenz-Coaching 2022 auf den zweiten Platz.
Mit Blick auf die aktuelle Coaching-Marktanalyse 2023 stand daher insbesondere folgende Frage im Mittelpunkt: Würde die Entwicklung in Richtung des Online-Coachings auch nach dem Abbau sämtlicher pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen und Präsenz-Hemmnisse fortbestehen? Die Antwort lautet „Jein“. Nein, denn das Präsenz-Coaching im persönlichen Gespräch, das schon vor der Pandemie unangefochten an der Spitze stand, ist wieder das meistpraktizierte Format (siehe Abb. 1). Ja, denn das Online-Coaching hat aufgrund der offenbar überwiegend positiven Erfahrungen, die Coaches in der Pandemie-Zeit machten, stark an Relevanz gewonnen. Es nimmt nun den zweiten Rang im Spektrum der Coaching-Formate ein und hat seine vormals eher unbedeutende Rolle überwunden.
Abb. 1: Coaching-Formate; Vergleich der Jahre 2022 und 2023 (N 2022=395; N 2023=755). Mehrfachantworten waren möglich, normiert auf 100 Prozent. (Quelle: Rauen et al., 2023)
Viele Coaches standen dem Online-Coaching skeptisch gegenüber, bevor sie gezwungen waren, es in ihre Praxis zu integrieren. Häufige Bedenken lauteten, der im Coaching überaus wichtige Beziehungsaufbau zwischen Coach und Klient sei ohne unmittelbaren Kontakt eingeschränkt oder der Methodeneinsatz beschnitten. Diese Vorurteile scheinen nun weitgehend abgebaut zu sein.
Hohe Zufriedenheit
Tatsächlich nimmt das verstärkte Online-Coaching offenbar keinen negativen Einfluss auf die Coaching-Ergebnisse. Hierfür spricht, dass die befragten Coaches sich mit ihren Coachings fast durchweg „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“ zeigen und die Zufriedenheit ihrer Klienten mit den Coachings sogar als noch höher einschätzen (siehe für weitere Informationen: Rauen et al., 2023). Zu dieser sehr positiven Wahrnehmung passt, dass 91,86 Prozent der Coachings der letzten zwölf Monate nach Auskunft der befragten Coaches mit erfolgreicher Bearbeitung des Klientenanliegens beendet wurden. Die Coaches sehen demnach insgesamt eine hohe Wirksamkeit ihrer Coachings.
Normalisierungstendenzen
Der Umstand, dass das Präsenz- wieder am Online-Coaching vorbeigezogen ist, kann als Ausdruck einer Tendenz zur Normalisierung gesehen werden. Gleiches gilt in Bezug auf die 2023 festgestellte leichte Erholung der durchschnittlichen Einkommen und Honorare im Coaching. Waren diese während der Pandemie stark gesunken, stiegen sie nun wieder etwas an.
2023 verzeichnete das durchschnittliche Jahreseinkommen der Coaches einen Anstieg um 6,47 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es beträgt nun 90.038 Euro. Ein positives Zeichen, jedoch liegt das Durchschnittseinkommen noch weit unter dem vorpandemischen Wert des Jahres 2020 (Die Datenerhebung erfolgte überwiegend vor Pandemiebeginn) von 105.261 Euro. Eine vollständige Erholung dürfte noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Diese Vermutung kann auch mit Blick auf die Coaching-Honorare angestellt werden. Das durchschnittliche Coaching-Honorar pro Stunde ist 2023 (von 164,65 Euro im Vorjahr) auf 168,13 Euro gestiegen. Der vorherige Abwärtstrend konnte damit gestoppt werden. Dennoch liegt das durchschnittliche Honorar noch unter den Werten der Jahre 2020 (177,60 Euro) und 2021 (174,83 Euro).
Anzumerken ist, dass nicht alle Coaches gleichermaßen von der leichten Erholung der Einkommen und Honorare profitieren, wie auch nicht alle Coaches in demselben Ausmaß von der negativen Entwicklung während der Pandemie berührt waren.
Seit 2020 werden im Rahmen der RAUEN Coaching-Marktanalyse jährlich valide Daten erhoben, um aktuelle Entwicklungen im Coaching-Markt einzufangen. Die vollständigen Ergebnisberichte der Marktanalysen stehen kostenlos zum Download bereit: www.rauen.de/cma
Resilienz-Coaching gewinnt an Bedeutung
Bei den Coaching-Themen und -Anlässen fällt vor allem eine Bewegung auf: Das Thema Resilienzstärkung verzeichnete 2023 Zugewinne und eroberte einen Platz im Mittelfeld des Themenspektrums (siehe Abb. 2), nachdem es in vorherigen Erhebungen weniger stark in Erscheinung trat.
Die verwandten Themen Stressprävention und Work-Life-Balance nehmen ebenfalls relevante Plätze ein. Gemeinsam ist diesen Themen, dass sie mit der psychischen Gesundheit im Arbeitskontext in Verbindung stehen. Die vom Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse und dem Personalmagazin durchgeführte Zukunftsstudie „#whatsnext – Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt“, für die 1.098 Wirtschaftsunternehmen und Einrichtungen des öffentlichen Dienstes nach den aktuellen und zukünftigen Top-Gesundheitsthemen in der Arbeitswelt gefragt wurden, schreibt dem Thema der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz eine wachsende Bedeutung zu (vgl. Ebermann, 2023). Ob sich diese in den Ergebnissen zukünftiger Coaching-Marktanalysen abbilden wird, wird spannend zu beobachten sein. Der Bedeutungszuwachs der Resilienzstärkung könnte ein erster Fingerzeig in diese Richtung sein.
Angeführt wird das Themenspektrum wie in den Vorjahren von der Reflexion und Entwicklung der Führungsrolle. Es folgen u.a. die Persönlichkeitsentwicklung, die Entwicklung der Führungskompetenz und die Berufliche (Neu-)Orientierung. Hervorzuheben ist das Konfliktmanagement. Im Zuge der Pandemie sprang es auf Rang 2 und konnte sich hier 2023 mit weiteren Zugewinnen behaupten (siehe Abb. 2). Anzunehmen ist, dass bereits schwelende Konfliktherde unter den erschwerten Bedingungen der Pandemie sichtbar wurden bzw. nicht mehr ignoriert werden konnten. Auch neue Arbeitsformen wie Remotearbeit, die über die Pandemie hinaus zahlreich praktiziert wird, können neue Konfliktquellen darstellen.
Abb. 2: Zentrale Themen im Coaching (N 2022=399; N 2023=755). Mehrfachantworten waren möglich, normiert auf 100 Prozent. (Quelle: Rauen et al., 2023)
Fazit
Die Krise ist ihrem Ruf als Innovationstreiber gerecht geworden. So ist es kaum vorstellbar, dass das Online-Coaching erneut eine unwesentliche Rolle im Spektrum der praktizierten Coaching-Formate einnehmen wird, wie dies vor der Pandemie der Fall war. Es hat sich etabliert, ohne dass die Coaching-Zufriedenheit darunter zu Schaden kommt. Ob die Resilienzstärkung im Spektrum der Coaching-Themen und -Anlässe weiter klettern wird bzw. seinen aktuellen Platz halten kann, bleibt hingegen abzuwarten. Auch hinsichtlich der Coaching-Einkommen und -Honorare werden erst die kommenden Marktanalysen zeigen, ob aus der leichten Erholung ein – aus Sicht der Coaches – positiver Trend erwachsen kann.
Weitere Literatur
Ebermann, D. (2023). Steigende Relevanz psychischer Gesundheit am Arbeitsplatz. Abrufbar unter: https://www.coaching-magazin.de/news/2023/relevanz-psychischer-gesundheit
Rauen, C. et al. (2023). Coaching-Marktanalyse 2023. RAUEN Coaching. Abrufbar unter: www.rauen.de/cma
Dr. Christopher Rauen, Diplom-Psychologe, Senior Coach (DBVC), Geschäftsführer der Rauen Group, Initiator und 1. Vorsitzender des Deutschen Bundesverbandes Coaching e.V. (DBVC), Lehrbeauftragter an mehreren Universitäten sowie Leiter der Rauen Coaching-Ausbildung und u.a. Herausgeber des „Handbuch Coaching“ und des „Coaching-Magazins“.