Homeoffice: Nicht für jeden geeignet

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Für viele klingt es wie ein Traum. Zu Hause arbeiten und die Zeit selbst einteilen. Doch so mancher scheitert an seiner Persönlichkeit.

Homeoffice, also das Ausüben der Erwerbsarbeit in den eigenen vier Wänden, gehört heute zum beruflichen Alltag vieler Beschäftigter in Deutschland und weltweit. Das Arbeiten von zu Hause ist die am häufigsten genutzte Form des „mobilen Arbeitens“, also der Erledigung von Aufgaben außerhalb der Räumlichkeiten der Organisation, und hat seit dem Beginn der COVID-19 Pandemie stark zugenommen. Gleichzeitig tun sich immer noch viele Beschäftigte, Führungskräfte und Unternehmen schwer mit diesem Aushängeschild der „New Work“-Kultur.

Aber nicht alle Beschäftigten sind gleich gut für die Arbeit im Homeoffice geeignet. Laut Forschung spielen verschiedene Eigenschaften eine Rolle, die mit einer erfolgreichen Arbeit im Homeoffice zusammenhängen. Eine Auseinandersetzung mit diesem Thema kann Beschäftigten dabei helfen zu entscheiden, ob das Arbeiten im Homeoffice zu ihnen passt – und wie sie das Homeoffice möglicherweise anpassen könnten, damit es besser gelingt. Führungskräfte erhalten Hinweise darauf, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Hause effektiver arbeiten können und wie sich diejenigen Beschäftigten, bei denen es noch Verbesserungspotenziale gibt, weiterentwickeln können.

Vorweg sei gesagt: Es gibt nicht den einen „Homeoffice-Typen“, der jederzeit, für immer, und unter allen Umständen gut im Homeoffice arbeitet. Viele der Merkmale, die mit erfolgreichem Arbeiten von zu Hause einhergehen, können sich mit der Zeit verändern und lassen sich durch Training aktiv weiterentwickeln. Außerdem können alle individuellen Eigenschaften bestimmte Vor- und Nachteile besitzen, je nachdem, welcher Aspekt des erfolgreichen Arbeitens im Homeoffice im Vordergrund steht – z. B. virtuelle Teamarbeit oder konzentriertes Arbeiten an einem Projektbericht.

Für das Homeoffice ist auch ein Phänomen relevant, das die Managementforscher Jason Pierce und Herman Aguinis (2013) den „Too-Much-of-a-Good-Thing“-Effekt nannten („Zuviel des Guten“). Dieser Effekt beschreibt, dass sich bestimmte Eigenschaften, wie z. B. Extraversion, bis zu einer gewissen Ausprägung gut für die Arbeit im Homeoffice eignen, etwa für die virtuelle Interaktion im Team. Es kann aber einen Scheitelpunkt bei der Ausprägung dieses Merkmals geben, ab dem höhere Werte problematisch hinsichtlich Homeoffice werden. Etwa weil sich stark extravertierte Beschäftigte zuhause einsam fühlen und ihre Leistung und ihr Wohlbefinden darunter leiden.

Grundsätzlich muss man zum einen auf Unterschiede in soziodemografischen Merkmalen im Hinblick auf Homeoffice eingehen. Zum anderen auf klassische Persönlichkeitsmerkmale sowie auf soziale, emotionale und verhaltensbezogene Fertigkeiten. Diese drei Merkmalskategorien und ihre Relevanz für das Homeoffice werden im Folgenden vorgestellt.

Alter und Geschlecht

Die Rolle des Alters von Beschäftigten für die Arbeit im Homeoffice lässt sich aus zwei Perspektiven betrachten (siehe dazu auch ein praxisorientierter Artikel von Zacher, Kooij und Beier, 2018). Die erste Perspektive schaut auf die Passung zwischen Person und Arbeit. Mit dem Alter verändern sich individuelle Fähigkeiten und Bedürfnisse. Aufgrund dieser Veränderungen passen bestimmte individuellen Merkmale mit der Zeit weniger zu den Anforderungen und Möglichkeiten der Arbeit von zu Hause. So zeigt beispielsweise die Forschung der Lebensspannen, dass älteren Beschäftigten das emotionale Wohlbefinden, der persönliche Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen und das Helfen bei der Arbeit („Organizational Citizenship Behavior“) wichtiger ist als jüngeren Beschäftigten. Dies bedeutet, dass es für sie besonders essenziell ist, Technologien zu erlernen und die sozialen Verbindungen zu anderen herstellen können. Im Gegensatz dazu priorisieren jüngere Beschäftigte eher instrumentelle Ziele wie Wissenszuwachs, eine breite Vernetzung mit anderen und Karriereentwicklung, welche zum Teil besser in Präsenz realisiert werden können. Wichtiger als das Alter sind also die zugrunde liegenden Bedürfnisse, die sich mit dem Alter verändern und die Führungskräfte stattdessen stärker beachten sollten.

Die zweite Perspektive stellt die Frage, wie jüngere und ältere Beschäftigte von ihren Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen wahrgenommen werden und ob z. B. Altersstereotype diese Wahrnehmungen beeinflussen. Viele Führungskräfte sehen ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als weniger geeignet dafür an, im Homeoffice zu arbeiten, vor allem wegen des notwendigen Erlernens und Nutzens von neuen Technologien. In der Tat zeigt die Forschung, dass ältere Beschäftigte im Durchschnitt etwas weniger Erfahrung und Selbstwirksamkeit im Umgang mit neuen Technologien haben, diese aber mit angemessener Übung genauso gut beherrschen können wir jüngere Beschäftigte.

Selbstwirksamkeit beinhaltet den Glauben von Beschäftigten an die eigenen Fähigkeiten, mit neuen Technologien umzugehen. Diese Form von Motivation leidet dann, wenn andere, wie etwa Vorgesetzte und Kolleginnen und Kollegen, Altersstereotype besitzen und wenig unterstützend agieren. Andererseits kann die Selbstwirksamkeit durch Unterstützung, gutes Zureden und durch Übung und Erfolgserlebnisse gestärkt werden. Die gute Nachricht: Im Hinblick auf das Homeoffice sind Führungskräften viele andere Faktoren wichtiger als das Alter und diese Faktoren verbessern sich sogar tendenziell mit dem Alter. So zeigten Sharit und Kollegen (2009), dass Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit, unabhängiges Arbeiten und Zeitmanagement – allesamt Stärken älterer Beschäftigter – für die Entscheidung von Führungskräften bezüglich Homeoffice wichtiger sind als technische Kompetenzen und die Fähigkeit, sich schnell anzupassen.

Bezüglich des Geschlechts zeigt die Forschung, dass Frauen aufgrund von nach wie vor weit verbreiteten, traditionellen Rollen und damit einhergehenden Aufgaben zu Hause (z. B. Kinderbetreuung, Haushalt) häufiger Unsicherheit und Erschöpfung im Homeoffice erleben als Männer. Böhm (2022) fand zudem, dass Männer Arbeit im Homeoffice die Familie räumlich besser trennen konnten, z. B. weil sie häufiger ein separates Arbeitszimmer zu Hause hatten. Dagegen fanden sich bei der zeitlichen Trennung zwischen Arbeit und Familie keine Geschlechterunterschiede. Eine neue Metastudie von Kühner und Kollegen (2023) zeigt, dass das aktive Management von psychologischen Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben wichtig ist, um die psychische Gesundheit im Homeoffice zu schützen.

Die Big Five

Die Psychologie unterscheidet fünf Dimensionen der Persönlichkeit, auf denen Beschäftigte jeweils unterschiedliche Werte erzielen: Die „Big Five“. Dazu gehören die Merkmale Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus und Offenheit für Erfahrungen. Welche Rolle spielen diese zeitlich relativ stabilen individuellen Eigenschaften für das Arbeiten im Homeoffice?

Extraversion beschreibt das Ausmaß der positiven Energie, die Beschäftigte in soziale Situationen einbringen und die Fertigkeit, sich aktiv, gesellig und selbstbewusst mit anderen Menschen auseinanderzusetzen. Im Homeoffice haben Beschäftigte zwar keinen direkten, persönlichen Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen, bewegen sich aber trotzdem in einem sozialen Netz. In diesem Netz nehmen sie nicht nur die Rolle als Arbeitskollegin oder -kollege ein, sondern auch z. B. die als Partnerin oder Partner, Vater oder Mutter oder Mitbewohner. Für introvertierte Beschäftigte ist die Arbeit im Homeoffice zunächst einfacher, weil sie kein Problem mit „sozialer Ruhe“ haben. Für diese Beschäftigten kann es aber schwieriger sein, das erweiterte soziale Netz aus dem Homeoffice heraus sowohl persönlich als auch virtuell zu managen. Extravertierten Beschäftigten dagegen fällt es leichter, Kontakt mit dem Team und der Führungskraft über digitale Kommunikationsmedien zu initiieren und zu halten.

Das Persönlichkeitsme…

Professor Dr. Hannes Zacher, Diplom-Psychologe, Promotion in Psychologie, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie am Wilhelm Wundt Institut für Psychologie an der Universität Leipzig

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