Narzisstische Chefs beurteilen narzisstische Mitarbeiter besser

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Narzisstische Vorgesetzte und ihre narzisstischen Mitarbeiter – eine Geschichte psychologischer Verbundenheit und Toleranz.

Narzissmus ist eine der Persönlichkeitseigenschaften, die stark negativ assoziiert ist. Narzissten werden als destruktiv und selbstzentriert, wenig empathisch oder egoistisch beschrieben und wahrgenommen. Dabei ist Narzissmus eine komplexe, multidimensionale Persönlichkeitseigenschaft, die auch positive Facetten mit sich bringt.

Narzissten fallen zum Beispiel durch ihr gesteigertes Selbstbewusstsein, ihr Charisma und ihr visionäres Auftreten auf. Deswegen überrascht es nicht, dass Narzissten bei Bewerbungsgesprächen überzeugen, schneller die Karriereleiter aufsteigen und von Kolleginnen und Kollegen häufig als geborene Führungskräfte wahrgenommen werden. Eine logische Konsequenz ist somit, dass die Ausprägung von Narzissmus bei Managerinnen und Managern höher ist als im Bevölkerungsdurchschnitt.

Ob narzisstische Führungskräfte für ein Unternehmen förderlich sind, ist dementsprechend ein sehr intensiv untersuchtes Feld. Positive Auswirkungen lassen sich vor allem in Bezug auf externe Stakeholder beobachten. So sind beispielsweise narzisstische CEOs erfolgreicher beim Einwerben von Kapital (Gruda et al. 2021).

Forschung zu den negativen Implikationen narzisstischer Führungskräfte zeigt jedoch auch, dass Narzissten als weniger kollegial und egoistischer im beruflichen Umfeld wahrgenommen werden. Mitarbeiter reagieren ablehnend auf narzisstische Verhaltensweisen ihrer Vorgesetzten, was einen negativen Einfluss auf die Arbeitsleistungen haben kann. Dies kann auch dazu führen, dass Mitarbeitende das Unternehmen verlassen oder bewusst kontraproduktives Arbeitsverhalten an den Tag legen, um der narzisstischen Führungskraft zu schaden (Braun et al. 2018).

Wie reagieren Narzissten auf Narzissten?

Was bisherige Forschung jedoch deutlich weniger thematisiert hat, ist die Frage, wie in Unternehmen eigentlich Narzissten auf andere Narzissten reagieren. Genau damit beschäftigt sich eine aktuellen Studie (Maske & Sohn 2022). Insbesondere schauen wir uns an, wie die subjektive Evaluation der Performance eines (narzisstischen) Mitarbeitenden vom eigenen Narzissmus der evaluierenden Führungskraft abhängt.

In der Unternehmenspraxis spielen subjektive Leistungsbeurteilungen eine zunehmend wichtige Rolle, da sich nicht alle Dimensionen einer guten Führungskraft durch (finanzielle) Kennzahlen zufriedenstellend erfassen lassen. Dazu gehört zum Beispiel der Führungsstil oder die Kooperationsbereitschaft der Manager. Bei der generellen Frage, wie Narzissten auf andere Narzissten reagieren (z.B. bei der Partnerwahl oder im Freundeskreis) zeichnet die psychologische Forschung zwei gegensätzliche Theorien: Narzisstische Scheinheiligkeit (narcissistic hypocricy) und narzisstische Toleranz (narcissistic tolerance).

Die erste Theorie beschreibt das Phänomen, dass Narzissten sich ungern mit anderen Narzissten umgeben, da sie diese als Bedrohung wahrnehmen. Sie möchten allein im Mittelpunkt stehen und nicht, dass andere gleich viel oder mehr Aufmerksamkeit bekommen (Jones and Paulhus 2010).

Narzisstische Toleranz hingegen besagt, dass sich Narzissten eher mit Narzissten umgeben. Sie empfinden das wenig emphatische, selbstbezogene Verhalten anderer Narzissten als weniger störend beziehungsweise als schlichtweg „normal“ (McPherson et al. 2001). Auch können narzisstische Führungskräfte einfacher ihre eigenen narzisstischen Verhaltensweisen an den Tag legen, ohne dass sich jemand daran stört, wenn die Menschen um sie herum auch Narzissten sind.

Narzisstische Chefs und narzisstische Mitarbeiter

Wie sich diese Theorien auf subjektive Leistungsbeurteilungen in Unternehmen übertragen lassen, zeigt eine aktuelle Studie. Dafür wurden zwei Online-Experimente mit 187 bzw. 168 erfahrenen Managern durchgeführt. Der Grad der Ausprägung von Narzissmus eines fiktiven unterstellten Managers wurde mit Hilfe einer wissenschaftlich evaluierten Charakterisierung beschrieben. Zudem wurden den teilnehmenden Managerinnen und Managern Informationen über die objektiv gemessene Leistung des unterstellten Managers und die Beschreibung seines Verhaltens in einem typischen Arbeitsszenario geliefert. Dabei wurde einem Teil der Teilnehmenden ein narzisstischer untergeordnete Manager und dem anderen Teil eine nicht narzisstische Person beschrieben. Hierbei wurden allerdings nicht nur die negativen Aspekte eines Narzissten beschrieben, sondern es wurde auch auf positive Facetten eingegangen.

Die Studienteilnehmer mussten daraufhin eine subjektive Leistungsbeurteilung des untergeordneten Managers vornehmen. Darüber hinaus wurde erfasst, wie psychologisch nah sich die Teilnehmer den untergeordneten Managern fühlen. Mit Hilfe bereits mehrfach validierter, standardisierter Fragen wurde das Verbundenheitsgefühl der Studienteilnehmer abgefragt. Schließlich wurde mit Hilfe des Narcissistic Personality Inventory Fragebogens die Ausprägung des Narzissmus der Studienteilnehmer erfasst.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Führungskräfte, unabhängig von der eigenen Persönlichkeit, narzisstische Mitarbeiter schlechter bewerten als nicht narzisstische Mitarbeiter. Es gibt aber auch deutliche Evidenz für narzisstische Toleranz. Der Effekt von Narzissmus des Mitarbeiters auf die Leistungsbeurteilung ist signifikant geringer, wenn Führungskräfte selbst narzisstische Persönlichkeitsausprägungen aufweisen. Kurz gesagt, narzisstische Führungskräfte beurteilen narzisstische Mitarbeitende besser als nicht-narzisstische Führungskräfte.

Darüber hinaus zeigen die Experimente, dass der Effekt von Narzissmus auf die Leistungsbeurteilung auch dadurch beeinflusst wird, wie verbunden sich die Führungskräfte zu ihren Mitarbeitenden fühlen. Es zeigt sich, dass die Ausprägung des Narzissmus bei den Mitarbeitenden das Verbundenheitsgefühl der Führungskraft gegenüber dem Mitarbeiter reduziert, was wiederrum zu einer schlechteren Beurteilung der Leistung führt. Das Verbundenheitsgefühl ist jedoch deutlich…

Professor Dr. Matthias Sohn, Master in Sozial- und Wirtschaftspsychologie und Promotion in Betriebswirtschaftslehre, Professor für Controlling an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Master of Science im Schwerpunkt Controlling, Finanz- und Risikomanagement, Post-Doktorandin an der Professur für Controlling der Universität der Bundeswehr München

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