Asynchrones Video-Interview: Warum man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen sollte

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Bisher wurden asynchrone Video-Interviews vor allem mit synchronen Interviews verglichen und schnitten bei den Bewerbern schlecht ab. Eine Studie zeigt, dass sie – zur Vorauswahl – durchaus mit anderen Instrumenten der Online-Vorauswahl konkurrieren können,

Stellen wir uns einmal vor, es herrscht nicht gerade Fachkräftemangel und Ihr Unternehmen erhält auf eine ausgeschriebene Stelle ungefähr 50 Bewerbungen. Wie gehen Sie nun vor, um eine Vorauswahl zu treffen? Vielleicht analysieren Sie erstmal die Bewerbungsunterlagen, filtern ungeeignete Kandidatinnen und Kandidaten aus und laden die verbleibenden fünf (oder zehn? oder fünfzehn?) zu einem persönlichen Gespräch in Ihr Unternehmen ein, so wie es vermutlich die meisten Unternehmen tun würden (Armoneit et al., 2020).

Oder Sie bitten alle Kandidatinnen und Kandidaten, als ersten Schritt des Auswahlverfahrens erst einmal einen online-basierten kognitiven Leistungstest zu absolvieren, um so ein besonders valides Instrument zur Vorhersage der späteren Arbeitsleistung in der Auswahl vorzuschalten (Sackett et al., 2021).

Mittlerweile gibt es jedoch auch asynchrone Video-Interviews (oder kurz AVIs), deren Entwicklerinnen und Entwickler es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Vorauswahl von Bewerbenden zu revolutionieren. Bei AVIs loggen sich die Bewerbenden auf einer Internetplattform ein, machen einen kleinen Technik-Check und erhalten dann vordefinierte Fragen in Text-Form oder in Form eines Videos, die sie dann in einer bestimmten Vorbereitungs- und Antwortzeit beantworten müssen. Die Antworten werden mit Mikrofon und Webcam aufgenommen und vom Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt ausgewertet (Lukacik et al., 2022).

Die Idee dahinter ist, dass sie die vermeintlichen Nachteile anderer Vorauswahl-Instrumente wie negative Bewerbendenreaktionen (z.B. im Falle von kognitiven Leistungstests, Anderson et al., 2010) oder der zweifelhaften Validität (z.B. im Falle von verschiedenen Teilen von Bewerbungsunterlagen wie soziales Engagement im Lebenslauf, Kanning, 2015) ausgleichen und ein besonders valides und gut akzeptiertes Auswahl-Instrument – das Interview – in einer besonders effizienten Art und Weise in den Vorauswahl-Prozess integrieren wollen.

Das Problem: Bisherige Studien zur Akzeptanz von AVIs konnten zeigen, dass Bewerbende AVIs ebenfalls nicht mögen (siehe auch Basch et al., 2020) und teilweise als „creepy“ empfinden (Langer et al., 2017). Das Problem hier wiederum: Die bisherigen Studien haben AVIs mit anderen Interviews wie Face-to-Face- oder Videokonferenz-Interviews verglichen und nicht mit anderen Vorauswahl-Instrumenten, sodass der Vergleich letztendlich hinkt und wir beim berühmten Äpfel- und Birnenproblem angelangt sind.

Eine von uns durchgeführte Studie, die vor kurzem im International Journal of Selection and Assessment veröffentlicht wurde, hat nun einen adäquateren Vergleich angestellt und die Bewerbendenreaktionen auf AVIs den Reaktionen auf andere Vorauswahlinstrumente gegenübergestellt.

Betrachtete Vorauswahl-Instrumente

Unternehmen nutzen unterschiedliche Vorauswahl-Instrumente, um ihre Bewerberinnen und Bewerber vorzuselektieren. Während früher beispielweise noch Mappen mit Bewerbungsunterlagen analog durchforstet wurden oder vor Ort ein Persönlichkeitstest durchgeführt wurde, hat die Digitalisierung auch bei der Vorauswahl dazu geführt, dass diese Verfahren vermehrt online durchgeführt werden (Folger et al., 2021). In der Studie haben wir deshalb explizit Online-Bewerbungsunterlagen, Online-Leistungstests und AVIs untersucht.

Wie bereits erwähnt, laufen AVIs asynchron und daher ohne direkte Interaktion zwischen Bewerbenden und Unternehmen. Da alle Bewerbenden die gleichen Fragen in der gleichen Art und Weise bekommen, sind AVIs und der Prozess hochstrukturiert, was für die psychometrische Güte von Interviews sehr vorteilhaft ist (Schmidt & Zimmerman, 2004).

Online-Leistungstests sind die digitale Version von papierbasierten Verfahren zur Messung der kognitiven Leistungsfähi…

Professor Dr. Johannes Basch, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Neu-Ulm, Geschäftsführer und co-founder von mindwise

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