Natural born networkers?

Welche Rolle spielen Persönlichkeitseigenschaften beim Netzwerk-Verhalten? Und sind Frauen schlechtere Netzwerker?

Fast alle kennen eine Kollegin, einen Bekannten oder eine andere Person, die hunderte andere kennt, immer up-to-date ist, hier und da etwas hört und in viele spannende Projekte mit wichtigen Kontakten involviert ist. Und viele schätzen im Vergleich zu dieser Person die eigenen Netzwerk-Fähigkeiten eher gering ein. Oft mit der Begründung, eben kein „geborener Netzwerker oder Netzwerkerin“ zu sein. Liegt uns netzwerken also im Blut oder können wir es erlernen? Welchen Einfluss haben Persönlichkeitseigenschaften?

Die Begriffe „Networking“, oder „sich vernetzen“ sind schon länger im beruflichen Alltag angekommen. Im Vergleich zum „Vitamin B“, das das Gleiche umschreibt und positive wie negative Assoziationen hervorruft, ist Networking als wichtiger Baustein für die eigene Karrieregestaltung positiv besetzt. Networking-Verhalten resultiert in Beziehungsnetzwerken, deren Strukturen (etwa Größe oder Dichte des Netzwerks) den Erhalt von Ressourcen fördern. Damit ist Networking der Schlüssel zu sozialem Kapital, das heißt nützlichen sozialen Beziehungen. Der Nutzen liegt etwa im Erhalt direkter Unterstützung bei Arbeitsaufgaben, dem Erhalt strategischer Informationen, politischer Unterstützung und Förderung und damit langfristig der Entwicklung der eigenen Karriere.

Die These der Karriereförderlichkeit wird von einer Reihe von Forschungsarbeiten (z.B. Meta-Analyse von Ng & Feldman, 2014) gestützt, die zeigen, dass Networking einen positiven Effekt auf sogenannte objektive Erfolgsindikatoren wie Gehalt und Beförderungen besitzt. Dies scheint allerdings nur bedingt für den subjektiven Erfolg zu gelten. Subjektiver Erfolg meint die individuelle Zufriedenheit mit dem eigenen Berufsverlauf. Für diesen zeigen Studien (z.B. Blickle et al., 2009; Forret & Dougherty, 2004), in denen Networking-Verhalten und Karrierezufriedenheit gleichzeitig gemessen werden, zwar Zusammenhänge, dies könnte aber auch daran liegen, dass Zufriedenheit Networking erst bedingt. Eine unserer Studien (Wolff & Moser, 2009), in denen im Sinne einer tatsächlichen Vorhersage Networking zeitlich vor den Erfolgsmaßen erhoben wird, zeigt keine Effekte. Gemäß dem aktuellen Forschungsstand ist Networking also erfolgsförderlich, es macht aber nicht notwendigerweise zufriedener.

Networking und Persönlichkeit

Widmen wir uns also der Persönlichkeit. Gibt es „natural born networkers“? In einer Meta-Analyse (Bendella & Wolff, 2020), haben wir uns diese Frage gestellt. Meta-Analysen fassen die Ergebnisse von Einzelstudien statistisch zusammen, um über methodische Fallstricke und potenzielle Alternativerklärungen von Einzelstudien hinaus belastbarere Evidenzen zu erhalten. Tatsächlich finden wir Zusammenhänge zwischen Networking und Persönlichkeitseigenschaften. Legt man das in der Psychologie gängige Fünf-Faktorenmodell der Persönlichkeit zugrunde, so zeigt sich, dass vor allem zwei Persönlichkeitsfaktoren mit Networking-Verhalten in Zusammenhang stehen: Extraversion und Offenheit für neue Erfahrungen.

Die Eigenschaft Extraversion bildet zum einen die Quantität sozialen Verhaltens ab, das heißt wie stark Personen soziale Situationen aufsuchen und diese als positiv erleben. Für Networking ist das Soziale unabdinglich. Zum anderen wird Extraversion in der Forschung breiter aufgefasst als im Alltagsgebrauch. Unter Extraversion fallen auch Eigenschaften wie Dominanz, Aktivität und Erlebnishunger. Extravertierte Personen sind auch „MacherInnen“ und entscheidungs- und risikofreudiger. Auch diese Verhaltenstendenzen sind für Networking förderlich.

Ein Grund für geringeres Networking von introvertierten Personen, das sind solche mit geringer Extraversion, ist die damit verbundene Anstrengung. Introvertierte benötigen weniger soziale Kontakte, gelten eher als verschlossen und zurückhaltend. Aber Persönlichkeit bestimmt unser Verhalten nicht vollständig. Viele für Networking zentrale Verhaltensweisen (andere begrüßen, sich vorstellen, sich „mal wieder melden“) sind nicht schwer und werden auch von introvertierten Personen beherrscht. Introvertierte sind also grundsätzlich in der Lage zu netzwerken. Da es aber nicht ihren normalen Verhaltenstendenzen entspricht, müssen sie hierfür mehr Selbstkontrolle aufbringen. Das erfordert Energie und Introvertierte sind aufgrund der höheren Anstrengungen schneller erschöpft. In einer noch unveröffentlichten Studie (Wingender & Wolff, 2022) haben die AutorInnen extravertierte und introvertierte Personen in Rollenspielen netzwerken lassen und im Anschluss um einen vermeintlichen Produkttest von Süßigkeiten gebeten. Introvertierte Personen, deren Selbstkontrolle stärker erschöpft sein sollte, können hier tatsächlich weniger widerstehen und verzehren mehr Süßes.

Die zweite Eigenschaft, für die wir Zusammenhänge finden, ist Offenheit für Erfahrungen. Sie gilt in der Organisationspsychologie, im Vergleich zu den Eigenschaften Extraversion, Gewissenhaftigkeit oder Neurotizismus, als weniger prominent, und wurde bisher vor allem mit Kreativität in Verbindung gebracht. Offenheit für Erfahrung repräsentiert Aspekte der Informationsverarbeitung. Personen mit hoher Ausprägung sind (wie der Name verrät) offen für neue Eindrücke und Erlebnisse, präferieren Abwechslung und sind neugierig, künstlerisch interessiert und phantasievoll. Diese Aspekte fördern nicht nur Kreativität, sondern sind auch für Networking wichtig. In qualitativen Studien (z.B. Bensaou et al., 2014) beschreiben Teilnehmende dies beispielsweise mit dem „Wissen, wo der Hase langläuft“, das heißt über Trends, offene Fragen und Interessen anderer Bescheid zu wissen. Netzwerkende können darüber hinaus innovativ wirken, wenn sie Informationen aus unterschiedlichen Quellen in neuen Ideen kombinieren.

LinkedIn, Xing und Co: Passive Strategien sind nützlicher

Wie sieht es mit den Neuen Medien und hier insbesondere mit professionellen Networking-Plattformen (Professional Networking Sites oder PNS) aus? LinkedIn oder Xing dürften in Deutschland die prominentesten PNS sein. Theoretisch betrachtet zeichnen sich PNS aufgrund ihrer Struktur durch bestimmte Nutzungsmöglichkeiten aus, nämlich die Möglichkeit Dinge zu posten, die dann permanent einsehbar (je nach Plattform auch redigierbar) sind, Personen können ein Profil anlegen und sind so sichtbar. Gleichzeitig legen PNS Netzwerkstrukturen offen, das heißt sie zeigen, wer wen kennt. Die wichtigsten Aspekte, die sich daraus ergeben sind:

  • Die eigene Sichtbarkeit, nicht nur durch das Profil selbst, sondern auch durch die Möglichkeit durch Posts viele Personen gleichzeitig zu erreichen. Dies erfordert in der Regel aktives Handeln, nicht nur durch einmaliges Erstellen eines Profils, sondern auch das Erst…

    Professor Dr. Hans-Georg Wolff, Diplom Psychologe, Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie an Universität zu Köln in Köln.

    Dr. Hadjira Bendella, M. Sc. Psychologie, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Organisations- und Wirtschaftspsychologie an Universität zu Köln

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