New Work braucht New Learning

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Die Corona-Pandemie hat eindrucksvoll belegt, wie schnell und radikal sich das Umfeld von Organisationen ändern kann. So stehen viele von ihnen vor der Herausforderung, wie sie ihre Anpassungs-, Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit auch zukünftig sicherstellen können. Die klassischen Rollen und Instrumente der Personalentwicklung wirken dabei oft wie aus der Zeit gefallen. Sie sind zu langsam, zu aufwändig und agieren oft am konkreten Bedarf vorbei. Doch wie sollte ein modernes Lernen in Organisationen aussehen?

Die Autoren Jan Foelsing und Anja Schmitz möchten mit ihrem Buch die Verbindung zwischen dem gesellschaftlichen Wandel, organisationalen Strukturen, Technologien und dem Lernen in Organisationen stärker herausarbeiten. Unter dem Schlagwort New Learning stellen sie einen Denk- und Handlungsrahmen organisatorischen Lernens vor, der vor allem die Bedürfnisse des Lernenden in den Fokus rückt. Sie möchten auch das Verständnis für Zusammenhänge und Wechselwirkungen organisationaler Entwicklungsebenen und Reifegrade fördern. Dadurch soll der notwendige Wandel hin zu einem modernen Lernen in Organisationen erfolgreicher gestaltet werden.

Als Grundlage dient ihnen das Konzept New Work, um zu verdeutlichen, auf welchen Werten und Prinzipien New Learning basiert und die Transformation der Organisationen unterstützen kann. Kernelemente sind laut Autoren:

  • (Wahl-)Freiheit
  • Selbstbestimmung/Autonomie
  • Sicherheit
  • Sinn und Selbstverwirklichung
  • Kompetenz und Wirksamkeit
  • sowie soziale Teilhabe bzw. Zugehörigkeit

Im Folgenden werden die Veränderungen und Herausforderungen von Individuen und Organisationen vor dem Hintergrund des relevanten Umfelds betrachtet. Dazu wird in zwei Kapiteln das umstrittene Modell „Spiral Dynamics“* vorgestellt. Dabei handelt es sich um Entwicklungsstufen des menschlichen Bewusstseins und der Gesellschaft, die sich wie eine Spirale durch die Jahrhunderte nach oben hindurchziehen und immer schneller beschleunigen sollen.

In der Organisationsentwickler-Szene wurde der leicht adaptierte Ansatz durch das bekannte, aber nicht weniger umstrittene Buch des Belgiers Frederic Laloux „Reinventing Organizations“ (2014) bekannt. Seine Analyse von zwölf Unternehmen diente als Grundlage seines spirituellen Ansatzes, wonach wir kurz vor dem nächsten Bewusstseinssprung stehen.

Spiral Dynamics* basiert auf den Spekulationen des Psychologie-Professors Clare W. Graves, die theoretisch fragwürdig und empirisch nicht überzeugend belegt sind. Er ging davon aus, dass Menschen und ganze Gesellschaften sich aufgrund von Auseinandersetzungen mit äußeren Bedingungen in ihrer Umwelt auch auf neuronaler Ebene weiterentwickeln können. Durch diesen Prozess der Auseinandersetzung entständen neue konzeptionelle Modelle, Werthaltungen und Handlungsmöglichkeiten. So sollen schwierige Probleme von Menschen und Organisationen besser verstanden und bewältigt werden.

Die unterschiedlichen Entwicklungsstufen (Reifegerade) des spiraldynamischen Modells werden dann auf Organisationen angewandt. So zeichnet sich die Personalentwicklung in traditionellen (blauen) Organisationen durch Anweisung, Kontrolle, Effizienz und Standardisierung aus. Die moderne (orange) Organisation präsentiert sich hingegen durch ihr Leistungsprinzip und kontinuierliches Wachstum. Bei postmodernen (grünen) Organisationen dominiert das kollaborative Lernen und in Meta-modernen (gelben) Organisationen erfolgt Lernen nah an den Bedürfnissen der Kunden und personalisiert.

Die Autoren erwähnen zwar, dass das Modell wissenschaftlich kritisierbar sei, sie es aber für praxistauglich halten, da es Entwicklungen beschreibbar macht und eine Orientierungshilfe darstellen kann. Dem möchte ich klar widersprechen. Es handelt sich nicht einfach um eine zulässige didaktische Reduktion, da derartige fragwürdige Ansätze in einem Fachbuch auch „en passant“ salonfähig gemacht werden. Zumindest hätte die Kritik reflektiert…

Head of Human Resources Management, DocCheck AG

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