Recruiting: Tabuthema Diskriminierung  

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Warum es Bewerber und Bewerberinnen noch immer benachteiligt werden und was man dagegen tun kann.

Recruiting verändert leben. Das ist nicht zu hoch gegriffen. Der Grund ist sehr einleuchtend. Wir leben in einer Marktwirtschaft. Ein zentraler Baustein unserer Gesellschaft ist ein komplexes Wirtschaftssystem. Das zentrale Element für eine kraftvolle Position in dieser Gesellschaft sind finanzielle Mittel. Der Zugang zu diesen Mitteln erfolgt in der Regel über Erwerbsarbeit. Und was regelt den Zugang zu Erwerbsarbeit? Richtig, Recruiting! Ein Job bedeutet häufig:

  • Zugang zu finanziellen Mitteln
  • Sozialer Status und Ansehen
  • Berufliche Identitätsbildung
  • Sozialer Aufstieg
  • Sinnstiftung und persönliche Erfüllung

Und genau deshalb ist die immer noch bestehende Diskriminierung bei der Personalauswahl ein sehr relevantes Problem. Diese Diskriminierung erfolgt auf zwei Arten. Es gibt die “statistische Diskriminierung”. Sie liegt vor, wenn Recruiter und Recruiterinnen Beurteilungsfehler bei der Auswahl von Kandidaten und Kandidatinnen machen, weil sie lediglich über unvollständige Informationen verfügen. Sie reichern die fehlenden Informationen dann auf Basis eigener Erfahrungen oder anhand empfundener Mittelwerte über eine Personengruppe an. Dadurch kann das einzelne Individuum, dass sich beworben hat, falsch beurteilt werden. Die zweite Art ist die “Taste-based Diskriminierung”. Diese liegt immer dann vor, wenn Recruiter und Recruiterinnen auf Basis direkter Vorurteile bewusst oder unbewusst Personen benachteiligen. Diese Form der Diskriminierung würde auch dann bestehen bleiben, wenn mehr Informationen vorliegen würden.

Das Problem der Diskriminierung ist so relevant, dass die US-amerikanische Forscherin und Ökonomin Claudia Goldin im letzten Jahr für ihre wichtige Forschung zur Rolle von Frauen im Arbeitsmarkt mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Ihre Forschung lieferte belastbare Evidenz zu den wichtigsten Gründen für geschlechtsspezifische Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt. Sie zeigte zum Beispiel, dass der Gender-Pay-Gap im Verlauf des Arbeitslebens wächst, weil Frauen in bestimmten Phasen ihres Lebens benachteiligt sind. Sie argumentierte zudem, dass temporäre Flexibilität in diesen Lebensphasen besonders wichtig ist, um den Gender-Pay-Gap zu schließen. Für einen Überblick empfiehlt sich ihr Buch “Career & Family: Women’s Century-Long Journey toward Equity”.

Die Betriebswirtin Kathleen L. McGinn und Kollegen und Kolleginnen (2018) zeigten in “Learning from Mum: Cross-National Evidence Linking Maternal Employment and Adult Children’s Outcomes”, dass eine Erwerbstätigkeit der Mutter die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ihre Töchter später:

  • selbst berufstätig sind
  • eine Führungsrolle haben
  • mehr Stunden arbeiten
  • ein höheres Einkommen erzielen

Wenn also eine Diskriminierung von Frauen im Recruiting bestünde, so wirkt sich das u.a. negativ auf diese genannten Punkte aus. Das würde den notwendigen gesellschaftlichen Wandel hin zu einer Gleichberechtigung verlangsamen.

Wie steht es also um die Diskriminierung von Frauen im Recruiting? Ein Blick in aktuelle wissenschaftliche Studien kann diese Frage beantworten.

Dorothea Kübler, Julia Schmid und Robert Stüber (2018) finden in ihrer repräsentativen Vignetten-Studie mit deutschen Daten heraus, dass Frauen bei gleicher Qualifikation in allen Berufszweigen bei der Personalauswahl diskriminiert werden. Dazu haben die Forscher und Forscherinnen fiktive Lebensläufe verschiedenen Führungskräften vorgelegt. Die Lebensläufe waren identisch bis auf das Geschlecht der Bewerbenden. Die Analyse zeigte, dass die fiktiven Lebensläufe von Bewerberinnen im Durchschnitt signifikant häufiger als “schlechter qualifiziert” beurteilt wurden. Und das, obwohl die Lebensläufe inhaltlich vollkommen identisch waren. Die schlechtere Beurteilung kann also nur von der Geschlechtsangabe begründet sein, denn sie war der einzige Unterschied in den Lebensläufen. Die Studie zeigte zudem, dass diese Diskriminierung in “weiblich dominierten Berufsgruppen” geringer ausfällt. Das führt im Zeitverlauf aber auch dazu, dass sich bestehende Unterschiede in der Berufswahl weiter verfestigen und damit gegebenfal…

Dr. Daniel Mühlbauer, Master in Business Research, Promotion in Betriebswirtschaft am Institut für Personalwirtschaft der LMU in München, Gründer eines Start-ups für People Analytics, Experte für People Technology bei Siemens, Betreiber des Blogs und YouTube-Kanals HR Datenliebe

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