Unbesetzte Stellen oder die Besetzung mit ungeeigneten Personen stellen ein Risiko für den Unternehmenserfolg dar. Damit wird auch Recruiting Analytics immer wichtiger.
Angesichts eines Arbeitsmarktes, der immer mehr von Arbeitnehmern bestimmt wird, steigen die Anforderungen an moderne Recruiting-Teams. Obwohl die Digitalisierung das Recruiting bereits erreicht hat, fällt deren Durchdringung im Vergleich zum E-Commerce noch geringer aus. Vor diesem Hintergrund nimmt die Bedeutung von Recruiting Analytics stetig zu.
Die Autoren Marcel Rütten, Betriebswirt und HR-& Recruiting-Experte, und Tim Verhoeven. Sozialwissenschaftler und Senior Manager Talent Intelligence bei Indeed, haben langjährige Erfahrung und Expertise im Recruiting und erklären, welche Kennzahlen man braucht, woher sie kommen und wie man seine strategischen Ziele im Recruiting erreicht.
Recruiting Analytics analysiert gezielt Daten aus dem Rekrutierungsprozess, um Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Datengetriebenes Recruiting nutzt diese und weitere Daten, um jeden Schritt der Personalbeschaffung zu optimieren und basiert auf einer umfassenden Datenanalyse für strategische Entscheidungen. Talent Intelligence hingegen erweitert den Blickwinkel und sammelt Informationen über den gesamten Talentmarkt, um strategische Einblicke in Verfügbarkeit und Trends zu gewinnen.
Für die Bewertung des Erfolgs von Recruiting Analytics haben sich spezifische Metriken (wie die Anzahl der Bewerbungen), Kennzahlen (wie die Geschwindigkeit im Rekrutierungsprozess) und sogenannte Key Performance Indicators (KPIs) etabliert. KPIs sind spezifische Kennzahlen, die den Erfolg für das Unternehmen messbar machen, beispielsweise durch die Qualität der Einstellungen oder Zufriedenheitsraten über die Zeit hinweg.
Um einen Überblick über die Vielfalt und Relevanz verschiedener Leistungsindikatoren im Recruiting zu geben, präsentieren die Autoren exemplarisch 17 der gängigsten Kennzahlen und KPIs, gruppiert in drei Hauptkategorien. Im Folgenden ein Überblick:
Bezogen auf die Zeit
„Time-to-Interview“ misst die Zeit zwischen Eingang der Bewerbung und dem Interviewtermin und somit die Effizienz und Geschwindigkeit im Recruiting. „Time-to-Offer“ die Zeit bis das Angebot unterbreitet wurde und „Time-to-Start“ bis die Person ihren ersten Arbeitstag hat.
Bezogen auf die Kosten
Bezüglich der Kosten im Recruiting stellen die Autoren Kennzahlen vor wie den „Cost-per-Click“ (CPC), bekannt aus dem E-Commerce, der die Durchschnittskosten pro Klick auf eine Anzeige oder eine Social-Media-Kampagne angibt. Ein hoher CPC kann auf hohen Wettbewerb oder ein geringes Volumen in der Zielgruppe hinweisen. Solche Daten unterstützen ein zielgerichteteres Schalten von Kampagnen, um das Budget effektiv zu nutzen. „Cost-per-Hire“ bietet einen aufschlussreichen Überblick über die durchschnittlichen Ausgaben, die beim Rekrutierungsprozess für jede erfolgreiche Einstellung entstehen. Diese Kennzahl erlaubt es, die Effizienz von verschiedenen Jobfamilien und Rekrutierungskanälen gezielt zu vergleichen und zu analysieren und Budgets dort investieren, wo sie den größten Nutzen bringen. Die Kennzahl „Cost-of-Vacancy“ zeigt die Kosten auf, die durch unbesetzte Stellen entstehen, inklusive Produktivitätsverlusten, Überstunden, Kosten für Freelancer und entgangenen Einnahmen.
Bezogen auf die Qualität
Im Bereich Qualität wird die „Application Rate“ als die Anzahl der Bewerbungen definiert, die Interview Rate als die Anzahl der durchgeführten Interviews und die „Participation Rate“ als das Verhältnis von Teilnahme an Interviews zu Einladungen. Diese Kennzahlen bieten Einblicke in die Qualität des Rekrutierungsprozesses und die Attraktivität der Stellenangebote.
In einem weiteren Kapitel werden Datenquellen behandelt. Die Autoren empfehlen, Jobtitel mittels Google Trends zu analysieren, um herauszufinden, wonach am häufigsten gesucht wird. Zudem wird die Möglichkeit eines A/B-Tests aufgezeigt, bei dem zwei unterschiedliche Jobtitel gegeneinander getestet werden, um zu ermitteln, welcher erfolgreicher ist.
Die Autoren gehen auch detailliert auf die Verbesserung der Suchmaschinenoptimierung (SEO) ein, oft unter Zuhilfenahme spezialisierter Tools. Sie unterstreichen die Bedeutung der On-Page-Optimierung für Karriereseiten, da Google der Meta-Description, die Titel und Kurzbeschreibungen umfasst, große Wichtigkeit beimisst.
Zudem betonen sie auch die Notwendigkeit, dass die Auswahl der Key Performance Indicators (KPIs) sowohl zur Personalstrategie als auch zur übergeordneten Unternehmensstrategie passen muss. Sie führen Methoden an, mit dem Ziel, ein tieferes Verständnis für Probleme und Herausforderungen innerhalb eines Unternehmens zu entwickeln und so die Auswahl und Priorisierung von KPIs zu optimieren.
Auch die Bedeutung von Dashboards ist ein wirkungsvolles Instrument zur Strukturierung und Visualisierung großer Datenmengen, um daraus im Idealfall Handlungsempfehlungen abzuleiten. Die Autoren unterstreichen dabei die Notwendigkeit, bereits im Vorfeld die Komplexität zu reduzieren und relevante Handlungsfelder klar zu identifizieren, um die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten von Dashboards optimal zu nutzen.
Eine Anwendung demonstrieren sie am Beispiel der Candidate Journey, bei der Dashboards eingesetzt werden, um beispielsweise die Zufriedenheit der Kandidaten mit verschiedenen Kontaktpunkten, wie Interviews und Probetagen, anschaulich darzustellen.
Ein wichtiger praktischer Hinweis betrifft die häufigsten Fehler im Umgang mit Daten. Nach den Erfahrungen der Autoren scheitern Projekte meist nicht an rechtlichen, technischen oder budgetären Hürden, sondern an der fehlenden Definition klarer Ziele, der mangelnden Detaillierung der Anforderungen und einem fehlenden Fokus. Die Autoren liefern konkrete Anleitungen für die ersten Schritte mit Recruiting Analytics, erläutern, wie Unternehmen den Reifegrad ihres Recruitings bestimmen und verbessern können. Sie geben auch gute Tipps zum Erstellen von Tracking-Links, um die Leistung von Kampagnen und Stellenanzeigen zu messen.
Sie geben auch einen kurzen Ausblick, wohlwissend wie dynamisch das ganze Umfeld derzeit ist. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Robotic Process Automation, die Automatisierungsprozesse mittels digitaler Technologien vorantreiben, birgt signifikante Potenziale. Besonders spannend ist die zukünftige Datensynthese, vor allem durch die Nutzung anonymisierter Daten mittels Algorithmen. Dies eröffnet auch Unternehmen mit begrenzten Datensätzen neue Möglichkeiten, indem nicht mehr jede Organisation individuell große Datenmengen generieren muss.
Am Ende des Buches empfehlen sie verschiedene Podcasts, Blogs und Bücher, die das Buch abrunden und zur weiteren Vertiefung einladen.
In einer Neuauflage wäre es spannend, den Themenkomplex rund um Sourcing und Direktansprache zu integrieren. Insbesondere könnten tiefergehende Einblicke in effiziente Strategien und Tools für das gezielte Identifizieren und Ansprechen von Talenten wertvolle Orientierungshilfen und bewährte Methoden an die Hand geben.
Das Buch ist eine sehr gelungene Quelle für Personalverantwortliche und Recruiting-Teams um einzuschätzen, auf welchem Reifegrad sich das eigene Recruiting befindet. Mit seiner klaren, strukturierten Darstellung und Praxisnähe stellt es einen wichtigen Beitrag für eine moderne und zukunftsfähige Personalbeschaffung dar. Die Autoren bieten wertvolle Einblicke und Methoden, um wichtige Recruiting-Prozesse effizient und wirkungsvoll aufzusetzen und zu optimieren. Um sein volles Potenzial auszuschöpfen, sollte es nicht nur gelesen, sondern auch als Grundlage für interne Workshops eingesetzt werden, um die praktische Anwendung der Inhalte zu fördern. Dafür stehen ein paar Online-Materialien zum Buch zur Verfügung.
Marcel Rütten; Tim Verhoeven: Recruiting Analytics – Mehr Erfolg mit Data Driven Recruiting und Talent Intelligence. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, Januar 2024, 163 Seiten, 49,99 Euro.
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