Macht ist ein Werkzeug, das man richtig nutzen muss, sagt Stanford-Professor Jeffrey Pfeffer. Dabei hat er einige provokante Thesen.
Wie kamen Sie auf Ihre Regeln für Macht?
Wenn Sie etwas in Ihrer Karriere erreichen wollen, müssen die Regeln befolgen. Wenn Sie eine Organisation oder die Welt ändern möchten, brauchen Sie Macht. Macht ist ein Werkzeug, das man für verschiedenen Zwecke nützen kann, für gute und für weniger gute. Nehmen Sie Personen wie Donald Trump, Jeff Bezos, Bill Gates, Meg Whitman und Elon Musk. Viele halten diese Personen und ihr Verhalten als anormal, erkennen aber nicht, dass sie die Regeln der Macht vorleben und wichtige Lektionen über Führung bieten. Ich finde es interessant, dass alles, was ich sage und schreibe oft als kontrovers oder unkonventionell bezeichnet wird, obwohl alles durch zahlreiche wissenschaftliche Studien gestützt wird.
Eine Ihrer Regeln lautet, „mächtig zu erscheinen“.
Sie müssen über selbst wachsen. Die meisten glauben, das können sie nicht. Aber das sind Fähigkeiten, die gelernt werden können. Und wenn man sie lernen will, muss man sie üben. Das ist wie Schlittschuhlaufen oder Golf spielen. Man fühlt sich nicht wohl, weil man es nicht gut kann. Aber mit der Zeit wird man besser. Wir mögen das, was wir können. Und mögen das nicht, was wir nicht können. So ist es auch mit den Power-Skills. Sie mögen sie mehr, weil sie besser werden. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Regeln der Macht nicht erfordern, dass Sie Ihre Persönlichkeit ändern. Power-Skills und das entsprechende Verhalten können je nach Situation erlernt und selektiv geübt werden. Sie bestimmen nicht unbedingt, wer Sie sind oder wie Ihre Persönlichkeit ist. Sie können Ihre strategischen Interaktionen verbessern, ohne ein extrovertierter Netzwerker zu werden. Sie können selbstbewusst auftreten, auch wenn Sie sich nicht so fühlen. Sie können Dinge lernen und umsetzen, die Ihre Macht erhöhen, unabhängig davon wer Sie sind.
Der bloße Anschein von Kompetenz kann also tatsächlich Realität werden?
Auf jeden Fall. Wir leben in einer Welt, in der es fast unmöglich ist, die Wahrheit herauszufinden. Deshalb ist der Schein immer die Wirklichkeit. Ich erinnere mich noch daran, wie ich in einem Büro einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft saß mit dem Leiter der Abteilung für Business Intelligence. Nachdem ich mich eine Weile mit ihm unterhalten hatte, sagte ich zu meinem Freund: „Ich glaube, er hat überhaupt keine Business Intelligence.“ Mein Freund sagte: „Aber er sieht gut aus in seinem Anzug.“ Wenn alle denken, Sie sind ein Genie, dann sind Sie es auch.
Daher empfehlen Sie auch, eine starke persönliche Marke aufzubauen.
Jeder braucht eine Marke. Machen Sie mal folgende Übung: Denken Sie sich eine kurze (zwei- oder drei Sätze), um sich und Ihre Leistungen, Ihr Fachwissen, Ihre Erfahrung beschreiben und eine Möglichkeit, dies mit einem Aspekt Ihrer persönlichen Geschichte zu verbinden. Dann holen Sie sich Feedback dazu von Berufskollegen und Freunden ein. Und dann überlegen Sie, wie Sie diese Botschaft in die Welt hinaustragen wollen. Das kann ein Podcast sein, das Schreiben eines Buches, der Vortrag auf einer Konferenz sein oder gestalten Sie ihre eigene Konferenz. Tun Sie alles, um ihre Geschichte zu verbreiten. Und Sie müssen es gut machen.
Ihre Regeln widersprechen dem Zeitgeist von Kooperation, Wertschätzung und politisch korrektem Verhalten in den Unternehmen. Sind sie daher nicht überholt?
Elon Musk ist nicht nett zu seinen Mitarbeitern, Jeff Bezos sicher auch nicht. Es gibt keine Evidenz dafür, dass jetzt alles anders ist. Das ist einfach Wunschdenken. Was in der Führungsliteratur und im Gespräch über Organisationen geschieht, ähnelt sehr dem, was man in der Politik sieht. Die Menschen verwechseln das, was sie gerne glauben würden oder was sie gerne hätten, mit dem, was sie tatsächlich anwenden müssen, wenn sie effektiv sein wollen.
Aber in den Unternehmen werden Hierarchien abgebaut.
Das ist doch Blödsinn. Es gibt weiter Hierarchien. Volkswagen hat eine CEO, Porsche und die Deutsche Telekom. Jede Firma hat einen Chef. Ich würde dem nicht viel Aufmerksamkeit gehen, was die Menschen sagen. Ich würde vor allem auf die Realitäten in der Welt setzen. Die Demokratien gehen zurück. Die Mitarbeiter verlassen reihenweise ihre Jobs. Schauen Sie sich die Ärzte und medizinisches Personal an. Die sind ausgebrannt. Ich gibt einfach keine Evidenz dafür, dass sich etwas ändert.
Was ist mit der Forderung, dass Führungskräfte authentisch sein müssen?
Die Idee der authentischen Führung ist im Grunde wissenschaftlich falsch und in vielerlei Hinsicht schädlich. Populäre Theorien wie transformationale und authentische Führung sind ernsthaft fehlerhaft, wie zwei skandinavische Forscher in einem preisgekrönten Artikel schreiben. Die Grundlagen, auf denen sie basieren, sind zu wackelig, um die Popularität zu rechtfertigen. Ich verweise nur auf Adam Grant. Der Wharton-Professor schreibt, Betrug hält unsere Welt in Schwung. Ohne Lügen würden Ehen zerbrechen, Mitarbeiter gefeuert, Egos zerschmettert und Regierung kollabieren. Jahrzehntelange Forschung zur Selbstoffenbarung deutet darauf hin, dass sich verletzlich zu machen, indem man persönliche Informationen über sich selbst mitteilt, in der Regel die Sympathie und Gefühle der Nähe fördert. Die Forschung zeigt jedoch auch die Nachteile, insbesondere bei aufgabenorientierten Interaktionen für Menschen in höheren Führungspositionen. So fanden Forscher heraus, dass die Selbstoffenbarung einer Schwäche zu geringerem Einfl…
Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.