Trügerische Idylle – Das Risiko des hochmütigen Stolzes

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Eine starke Bindung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter gilt als Schlüssel zum Erfolg. Doch Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass es auch eine bisher unentdeckte Schattenseite gibt: den überheblichen Stolz.

Wie das Sprichwort sagt, ist nicht alles Gold, was glänzt. Das könnte man auch von den Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern sagen, die auf den ersten Blick harmonisch erscheinen. Doch Mitarbeitende, die sich als die Lieblinge ihrer Chefs fühlen, stiften oft Unruhe unter ihren Kollegen. Sie neigen dazu, negative Kommentare über ihre Kollegen zu machen oder ihnen wichtige Informationen vorzuenthalten. Das zeigt eine Studie (B.A. Korman, C. Tröster, & S. R. Giessner, 2023).

Vom Gedankenexperiment zur realen Welt

Im Rahmen der Studie wurden zunächst zwei Gedankenexperimente durchgeführt: Die Teilnehmenden lasen eine kurze fiktive Geschichte über ihre Arbeit in einem Team. Entweder erfuhren sie, dass sie eine besonders gute Beziehung zu ihrer Führungskraft hatten wie andere Teammitglieder. Danach beantworteten die Teilnehmenden Fragen zu ihrem Empfinden von Stolz und ihrem Verhalten gegenüber Kollegen und Kolleginnen. Beispielsweise, ob sie deren Ideen heruntermachen würden oder eher nicht. In einem zweiten Experiment schrieben die Teilnehmenden einen Text über eine Zeit, in der sie sich entweder anderen überlegen fühlten oder sie stolz auf etwas Erreichtes waren, ohne sich dabei überlegen zu fühlen. Eine weitere Gruppe beschrieb zur Kontrolle einen für sie typischen Arbeitstag. Auch in diesem Experiment beantworteten die Teilnehmenden im Anschluss Fragen zu ihrem Verhalten gegenüber den Kollegen und Kolleginnen. Die beiden Studien zeigten zusammen, dass eine bevorzugte Behandlung zu überheblichem Stolz führte und Mitarbeitende geneigter waren, ihre Kollegen bei deren Arbeit zu behindern. Dies war besonders ausgeprägt bei Personen, die eine eher dominante Persönlichkeit hatten.

Doch wie verhalten sich die Menschen im realen Arbeitsleben? Das wurde in einer sogenannten Tagebuchstudie mit Berufstätigen aus verschiedenen Branchen untersucht: Die Teilnehmenden berichteten zwei Wochen lang zweimal täglich, wie sie die Behandlung durch die Führungskraft wahrnahmen, was sie dabei fühlten und wie sie sich gegenüber Kollegen verhielten, also ob sie beispielsweise hinterm Rücken schlecht über sie redeten oder ihnen wichtige Informationen vorenthielten. Auch diese Untersuchung bestätigte die Ergebnisse der vorherigen Gedankenexperimente: Eine wahrgenommene und im Vergleich zu anderen Kollegen besonders gute Beziehung zu der Führungskraft führte zu mehr destruktiven und kompetitiven Verhalten und dies insbesondere bei dominanten Personen.

Zwei Seiten von Stolz und Führung

Diese Erkenntnisse stellen in Frage, was wir bisher über Beziehungen zwischen Führungskräften und ihren Teams zu wissen glaubten. Erklärbar ist das durch jüngste Erkenntnisse psychologischer Studien. Diese zeigen, dass es zwei Arten von Stolz gibt: den „authentischen Stolz“, der auf dem Gefühl einer besonderen Leistung basiert, und den „hochmütigen Stolz“ (englisch: hubristic pride), der auf dem Gefühl der Überlegenheit und Arroganz beruht. Beide Arten von Stolz treiben Menschen dazu an, einen höheren Status in ihren sozialen Gruppen anzustreben – aber auf sehr unterschiedliche Weise. Authentischer Stolz motiviert Menschen dazu, Anerkennung durch ihr Handeln in den Diensten anderer zu erlangen, während hochmütiger Stolz die Menschen dazu antreibt, dasselbe durch Einschüchterung und Unterdrückung zu erreichen. Die Studie zeigt, dass es der „hochmütige Stolz“ ist, die Mitarbeitenden mit einer besonders guten Beziehung zu ihrer Führungskraft zu destruktiven Verhaltensweisen treibt. Insbesondere dominante Personen tendieren dazu, auf besonders gute Beziehungen mit Arroganz und Hochmut zu reagieren, da sie dies als Signal ihrer Überlegenheit im Team werten.

Das Geheimnis einer effektiven Lob-Kultur

Die Studie zeigt, wie sorgfältig Mitarbeitende die Behandlung jedes Einzelnen beobachten und vergleichen. Jede Form von Bevorzugung, die eine Führungskraft gewährt, kann als Statuserhöhung wahrgenommen werden und potenzielle Ungleichgewichte im Team hervorrufen. Wie können Führungskräfte also die Moral ihres Teams aufrechterhalten und das Gleichgewicht wahren?

Es ist wichtig, jeden Einzelnen zu schätzen und gute Arbeit immer dann anzuerkennen, wenn sie geschieht. Aber die Forschung zeigt (J.L.Tracy & R.W. Robins, 2007), dass das „Wie“ des Lobes genauso wichtig ist, wie das „Was“. Daher ist es wichtig, die spezifischen Beiträge der Teammitglieder zum Projekt oder zum Unternehmen zu loben, statt nur ihre Eigenschaften wie etwa Intelligenz. Vor allem letzteres kann zu Hochmut führen. Wer spezifische Beiträge lobt, fördert den „authentischen Stolz“ bei ihren Mitarbeitern. Diese Art von Stolz ist ein mächtiger Antrieb, der die Bereitschaft zu positivem Verhalten fördert, ohne negative Auswirkungen auf die Kollegen zu haben. Außerdem hilft es dem Team zu verstehen, welche Verhaltensweisen in der Organisation geschätzt werden.

Führungskräfte müssen jedoch vorsichtig sein und sich nicht durch scheinbar harmonische Beziehungen zu Mitarbeitern in Sicherheit wiegen lassen. Denn während die Beziehung zu der Führungskraft gut sein mag, kann es im Hintergrund zu verdeckten Machtspielen der Mitarbeiter kommen. Sie müssen also wachsam bleiben und das Feedback, das sie von ihrem Team erhalten, sorgfältig prüfen. Vorgesetzte sollten daran denken, dass oft die versteckten Eisberge unter dem sichtbaren Wasser die größten Gefahren darstellen können.

Unternehmen sollten besonders vorsichtig sein, wenn sie ambitionierte Personen einstellen, die starke Dominanzmerkmale aufweisen wie Durchsetzungsvermögen und Proaktivität, die oft mit effektiver Führung in Verbindung gebracht werden. Obwohl diese Eigenschaften zunächst wünschenswert erscheinen mögen, deuten unsere Erkenntnisse darauf hin, dass Individuen mit starker Dominanzausprägung negativ auf Lob von ihren Vorgesetzten reagieren können.

Weitere Literatur

Korman, B. A., Tröster, C. & Giessner, S. R. (2023). LMXSC Elicits Hubristic Pride and Social Undermining in Individuals with High Trait Dominance. Journal of Management Studies. https://doi.org/10.1111/joms.12983.

Tracy, J. L., & Robins, R. W. (2007). The psychological structure of pride: a tale of two facets. Journal of personality and social psychology, 92(3), 506.

Professor Christian Tröster, Ph.D, M.Sc. in Soziologie, Professor of Leadership and Organizational Behavior an der Kühne Logistics University in Hamburg

Dr. Benjamin A. Korman, M.Sc. in Psychologie, Postdoctoral Researcher an der Universität Konstanz.

Professor Dr. Steffen R. Giessner, M.Sc. & Diplom Psychologe, Professor of Organizational Behavior and Change an der Rotterdam School of Management

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