Narzissmus ist ein komplexes Persönlichkeitsmerkmal mit potentiell negativen Folgen für Unternehmen. Doch bisher fehlt ein angemessener Umgang damit.
Das Thema Narzissmus ist derzeit in den Medien allgegenwärtig. „Hilfe mein Chef ist ein Narzisst“, titelte die Wirtschaftswoche. Die ZEIT weiß: „In der Krise können sich Narzissten sehr gut hervortun“. Und der Harvard Business Manager publizierte vor kurzem eine Titelgeschichte mit einer fragwürdigen „Studie“ des fragwürdigen Start-ups Zortify (mit seinem fragwürdigen Narzissmus-Test), die einen hohen Narzissmuswert bei Topmanagern belegen soll und behauptet, dass junge Menschen narzisstischer sind als frühere Generationen.
„Das passt eben in unsere Zeit“, sagt Dominik Schwarzinger, Professor für Psychologie an der HMKW (Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft) in Berlin. Gerade durch die Wirkungen der sozialen Medien realisierten viele immer stärker die negativen Seiten einer überzogenen Selbstdarstellung und auch im Wirtschaftsbereich würden narzisstische Merkmale immer häufiger bei Skandalen und Führungsproblemen herangezogen, seien es falsche Finanzentscheidungen, Korruption oder die Drangsalierung der Mitarbeiter.
Grund genug für Unternehmen, sich intensiver damit zu beschäftigen. Doch das Thema wird oftmals verdrängt und es ist komplex: „Das größte Problem ist die Vereinfachung“, warnt Schwarzinger. Die plakative Benutzung des Begriffs sei falsch und problematisch.
Narzissmus habe viele Unterfacetten. „Es gibt Personen, die insgesamt nur eine schwache narzisstische Ausprägung haben, aber unter Umständen gerade zu den miesen Verhaltensweisen neigen“, erklärt Schwarzinger. Umgekehrt gebe es Personen mit einer starken Narzissmus-Ausprägung, aber einer geringen Tendenz zu negativen Verhaltensweisen gegenüber anderen. „Ein ausgeprägter Narzissmus ist daher nicht immer automatisch schlecht“, so der Diagnostikexperte, der sich als Wissenschaftler intensiv mit dem Phänomen beschäftigt hat.
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Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.