Vorsicht Bewahrer-Mentalität

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Schon Sokrates klagte über die Jugend. Recruiter und Marketingmitarbeiter sollten den Dialog suchen und die Dinge hinterfragen.

Vor meinem geistigen Recruiter-Auge sah ich in Leuchtschrift die Kampagne blinken: „Arbeitsscheue und nervige Menschen gesucht“. Was war passiert? Eine an mich adressierte Presseanfrage, wie man die Generation Z marketingtechnisch erreicht. Die Jungen seien doch faul und kommentieren alles, als wäre das Leben ein einziges TikTok, so der Tenor meines Gesprächspartners. Ich solle erklären, wie ich damit praktisch umgehen würde.

Was früher richtig war, kann heute nicht falsch sein. Also ein Sprung um 2.500 Jahre zurück. „Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widerspricht ihren Eltern, legt die Beine übereinander und tyrannisiert ihre Lehrer“, las ich bei Sokrates. Der Vorwurf, dass die Jugend nur geringe Arbeitslust verspürt, sondern sich lieber den schönen Dingen widmet als sich einzufügen, existiert schon lange. Ob gesellschaftlich oder in den Unternehmen, gehen die Älteren davon aus, dass sie etwas Nachahmungswürdiges erreicht haben. Jede Generation musste erst hart für das Erreichte kämpfen. Da kann die Folgegeneration nicht erwarten, dass ihr alles in den Schoß fällt und man sich ständig nach ihrem Befinden erkundigt.

Der Mensch ist ein Bewahrer. Hat er es sich seinen Lebensstandard oder seine Rolle im Unternehmen erarbeitet, möchte er den Zustand erhalten. Wir alle mögen verlässliche Strukturen. Wer will sich schon andauernd ändern? Erst recht nicht auf Druck der Nachfolgergeneration. Die sollen erstmal arbeiten – und da ist das Problem. Das ist eine schlechte Werbebotschaft an die, die vermeintlich nicht arbeiten möchten.

Aber die Generation Greta wird als Auszubildende oder Berufseinsteiger für den Fortbestand benötigt. Ein neuer Trick in meiner Zunft: Bewährtes Personalmarketing einfach mit reichlich sinnentleertem Purpose anreichern. Starbucks möchte beispielsweise nicht weniger als den menschlichen Geist inspirieren. Verkaufen die nicht Kaffee?

Nun haben nachfolgende Generationen eine sehr schlechte Angewohnheit. Sie hinterfragen ständig. Das war schon bei Sokrates so. Gemeinsam mit seinem Schüler Platon fragte er immer „Warum“. Ein Wort, das bis heute seine Wirksamkeit hat. Nur gilt es heute als nervig. Früher hieß es Mäeutik und war eine Fragekunst, um tiefere Einsichten zu erlangen. Heute fragt die Jugend zwar wenig erkenntnistheoretisch, sondern fordernd: Warum soll ich das machen? Warum soll ich Kaffee verkaufen, wenn ich doch den Geist inspirieren soll?

Der Bewahrer möchte seine Ruhe und der Fragende bekommt keine Antwort. Das führt zum Frust. Frei nach dem Personalpsychologen Professor Heinz Schuler erleidet die Jugend einen Realitätsschock, weil das Personalmarketing kein realistisches Bild gezeichnet, sondern das Blaue vom Himmel versprochen hat. Diesen Fehler führen die Personen, die den Auswahlprozess letztlich umsetzen, dann später aber häufig fort und fahren in dem Fahrwasser des Personalmarketings weiter.

Manchmal wirkt …

Benedikt Benninghaus ist Diplom Theologe und bei einer IT Beratung für ein interdisziplinäres Team aus Recruiting und Marketing verantwortlich

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