Wie schlau ich bin! Warum Narzissten ihre Intelligenz überschätzen

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Narzisstische Menschen fühlen sich in vielen Lebensbereichen überlegen, so auch im Hinblick auf ihre kognitiven Fähigkeiten. Doch sind sie tatsächlich intelligenter als ihre Mitmenschen oder ist ihr überaus positives Selbstbild mehr Schein als Sein?

„Mein IQ (Intelligenzquotient) ist einer der höchsten – und Sie alle wissen das. Fühlen Sie sich deswegen aber nicht dumm, oder unsicher – es ist nicht Ihr Fehler.“  Donald Trump

Sein Ego aufwerten, um bei anderen besser anzukommen: Dieses Verhalten wurde dem ehemaligen US-Präsidenten des Öfteren zugeschrieben. Zweifelsohne ist ein gewisses Maß an Intelligenz als Staatsoberhaupt vonnöten, doch Fachleute würden in diesem selbstanpreisenden Verhalten bereits einen Hinweis auf eine narzisstische Persönlichkeit vermuten. Hierunter ist nicht die narzisstische Persönlichkeitsstörung im Sinne einer psychiatrischen Diagnose zu verstehen, sondern Narzissmus als Persönlichkeitseigenschaft. Diese ist – wie jede andere Eigenschaft auch – zu einem gewissen Grad in unserer Allgemeinbevölkerung vorhanden und gilt als „normal“ (im Sinne von nicht klinisch auffällig). Und dennoch: Menschen mit narzisstischen Tendenzen haben ein übermäßiges Gefühl der eigenen Bedeutsamkeit und erscheinen oft besessen von dem Wunsch, Aufmerksamkeit und Bewunderung von anderen zu erhalten (Sedikides, 2021). Als intelligent zu gelten, kann somit das eigene Ansehen steigern. Doch warum ist Intelligenz für Narzissten so reizvoll?

Fasziniert von Intelligenz

Narzisstische Menschen sind vor allem für ihr grandioses Selbstbild bekannt. Sie sehen sich selbst als überlegen, großartig und unfehlbar – scheinbar kann ihnen niemand so richtig das Wasser reichen. Selbst wenn sie keine besonderen Fähigkeiten oder Kenntnisse besitzen, glauben sie dennoch, dass sie in der Lage sind, jedes Problem zu lösen und jede Herausforderung zu meistern. In der Tat scheinen Menschen mit ausgeprägten narzisstischen Tendenzen von einem Thema besonders angetan zu sein: Intelligenz. Kein Wunder: Intelligenz, gemessen mit IQ-Tests, ist ein wichtiger Faktor für akademische Leistung, beruflichen Erfolg und finanziellen Reichtum (Strenze, 2007). Doch auch im persönlichen Bereich hat Intelligenz viele Vorteile: Intelligente Menschen weisen tendenziell eine bessere körperliche und geistige Gesundheit auf, was sich positiv auf die eigene Lebenserwartung auswirken kann (Gottfredson & Deary, 2004). All das sind Aspekte, die bei Narzissten eine große Faszination auslösen. Doch sind Narzissten tatsächlich intelligenter als andere oder glauben sie das nur im Sinne einer verzerrten Selbstwahrnehmung?

Agentische und kommunale Facetten

Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst zwischen zwei Arten von Narzissmus unterschieden werden: Agentischer und kommunaler Narzissmus (Gebauer et al., 2012). Agentische Narzissten sind Menschen, die sich darauf konzentrieren, Ansehen, Macht und Status durch das Verfolgen von individuellen Zielen zu erlangen. Sie zeigen oft Eigenschaften wie Selbstvertrauen, Durchsetzungsvermögen und Entschlossenheit. Ein solcher Narzisst kann zum Beispiel ein erfolgreicher Manager sein, der seine Leistung und seine Karriere über alles stellt und weniger Interesse an engen persönlichen Beziehungen hat. Für ihn zählt nur das eigene Vorankommen, weniger das Wohlergehen anderer.

Kommunale Narzissten hegen dieselben Motive wie agentische Narzissten – auch ihnen geht es um Ansehen, Macht und Status. Allerdings sind ihre Ziele darauf ausgerichtet, Beziehungen und Bindungen mit anderen Menschen zu knüpfen oder zu festigen sowie „dazuzugehören“. Sie präsentieren sich häufig als freundlich, hilfsbereit und vertrauenswürdig, obwohl es ihnen insgeheim nur um die damit zusammenhängende Anerkennung geht. Ein solcher Narzisst kann zum Beispiel in einem sozialen Beruf tätig sein, denn er hält sich für die empathischste Person, die man sich nur vorstellen kann (auch wenn er sich gegenüber anderen nicht sonderlich empathisch verhält). Agentische und kommunale Narzissten verfolgen somit dasselbe Ziel (Aufrechterhaltung des grandiosen Selbstbildes), allerdings mit unterschiedlichen Mitteln.

Agentische Narzissten überschätzten ihre Intelligenz

Und wie sieht es nun im Hinblick auf die Intelligenz aus? Da agentische Narzissten Wert auf das Zeigen von Kompetenz legen, müsste es hier einen positiven Zusammenhang zwischen beiden Eigenschaften geben. Ein Forscherteam von der Universität Warschau widmete sich genau dieser Fragestellung (Zajenkowski et al., 2020). Im Rahmen der Untersuchung wurden die Teilnehmenden gebeten, ihren Narzissmus anhand eines Fragebogens einzuschätzen. Anschließend sollten sie eine Reihe von Intelligenztests absolvieren, um die objektive Intelligenz zu erheben. Darüber hinaus sollten die Teilnehmenden ihr eigenes Intelligenzniveau auf einer Skala von 1 bis 25 einschätzen, um die subjektive Intelligenz zu messen. Hierfür beantworteten sie die folgende Frage: „Wie schätzen Sie Ihre Intelligenz im Vergleich zu anderen Personen ein?“. Die Ergebnisse zeigten ein interessantes Muster: Agentische Narzissten waren besonders häufig der Überzeugung, intelligenter zu sein als …

Professor Dr. habil. Ramzi Fatfouta

Dr. habil. Ramzi Fatfouta, Promotion in Psychologie, M.Sc. Psychologie, Principal HR Diagnostics & Development Concepts bei der Bundesdruckerei, Berater und systemischer Coach in Berlin

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