Ärger des Monats: Schweigen und Arroganz

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In letzter Zeit steht Coaching unter massiver Kritik als unseriöse Abzocke. Das ist ungerecht. Doch aus der professionellen Coaching-Branche kommt wenig.

Im Februar hat sich Jan Böhmermann die Business Coaches vorgeknöpft. Unter dem Titel „SO machst DU Erfolgs-Coaches richtig ERFOLGREICH“ berichtete er in seiner Sendung ZDF Magazin Royale über Abzocker-Coaches. Sie locken mit dem Traum von Selbständigkeit, Freiheit und Selbstverwirklichung. Sie werben mit Porsche, dem eigenem Haus in Dubai oder Bali und der ersten Million. Gezeigt werden vor allem junge Männer, die für viel Geld ein hohes „passives Einkommen“ versprechen. Bis jetzt hat das Youtube-Video knapp 2,7 Millionen Aufrufe.

Im März erschien das Buch „Nicht noch ein Coaching-Buch: Über eine Industrie, die mit Manipulation Milliarden scheffelt, indem sie mit der Psyche von Menschen spielt.“ Darin beschreibt die Autorin Charlotte M. Raven, selbst jahrelang den Esoterik-Abzockern verfallen, detailliert die Tricks der Coaches. Dass einer vom anderen abschreibt, die Follower gekauft sind, die tolle Klamotten nur geliehen und das exklusive Appartement nur gemietet. Die Super-Coaches sind oftmals arme Würstchen und psychisch gestört, behandeln ihre Mitarbeiter schlecht.

Anfang April folgte El Hotzo mit seinem Roman „Mindful“. Auch darin geht es um einen Erfolgscoach, der seine Geheimnisse in Selbstoptimierungs-Kursen über Instagram vermittelt. Motto: Mit dem richtigen „Mindset“ wird jeder erfolgreich.

Und Ende April setzt das ZDF mit dem Film „Erleuchtet oder abgezockt? Im Sog der Coaching-Szene“ nach. Auch darin geht es um Erfolgs-Coaches, auch aus der Speaker-Szene, die viel versprechen und wenig halten.

Kein Wunder, dass Coaching inzwischen von vielen gleichgesetzt mit Abzocke und Unseriosität. Das ist natürlich ungerecht. Denn es gibt viele seriöse Coaches, die Menschen bei ihrer beruflichen Entwicklung unterstützen. Und Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden Coaching ermöglichen und auch bezahlen.

Doch wer heute einen Coach sucht, der steht vor einem echten Problem: Ist der ausgewählte Coach auch wirklich seriös? Kann ich seiner Werbung oder Selbstdarstellung glauben? Kann ich den Medien trauen, die immer wieder fragwürdige Coaches promoten? Sind seine Methoden fundiert? Oder steckt dahinter nicht doch nur ein Scharlatan? Und es sind keineswegs immer die „Dummen“ und „Naiven“, die auf die unseriösen Coaches reinfallen. Auch Promovierte oder erfahrene Manager gehen ihren raffinierten Marketingmethoden auf den Leim.

Eigenwerbung und Schweigen

Das kann die Coaching-Branche eigentlich nicht so stehen lassen. Denn das regelt der Markt nicht mehr. Doch wie reagiert die Branche auf die massive öffentliche Kritik? Die Diskussion zur Sendung von ZDF Royale habe man verfolgt und „als schärfend für den Begriff seriöser Coaching-Arbeit wahrgenommen“, schreibt der DBVC (Deutsche Bundesverband Coaching), der als der führende Verband im deutschsprachigen Raum bezeichnet. Seriöses „Business Coaching“ sollte Qualitätskriterien und Kompetenzen folgen. Diese seien über den DBVC für jeden frei zugänglich und als Download verfügbar. Der ICF (International Coaching Federation), zahlenmäßig wohl der größte Verband, schweigt. Auch der Roundtable Coaching e.V. (RTC), der sich Dachverband bezeichnet, bei dem aber lediglich fünf Verbände Mitglied sind, verweist auf seine eigenen Qualitätsstandards und schreibt: „Mit seinem Beitrag erweist Böhmermann der Coaching-Branche einen Bärendienst. Der ohnehin bis zur Unkenntlichkeit verwässerte Coaching-Begriff gerät einmal mehr in die Nähe betrügerischer Machenschaften.“

Eine gemeinsame Stellungnahme oder Presseerklärung mit Aufklärung und Hilfestellung für potentielle Coaching-Kunden? Fehlanzeige. Das verwundert nicht. Schließlich ringen über 30 Coaching-Verbände vor allem darum, ihre eigenen Mitglieder zu fördern. Die meisten haben ihre eigenen Qualitätsstandards. Doch die sind manchmal nur ein Feigenblatt. Und die Verbandsmitglieder arbeiten bisweilen mit unwissenschaftlichen und esoterischen Methoden wie NLP, Symbolon oder The Work (nachzulesen hier).  Ein zertifizierter Coach ist daher keine Qualitätsgarantie.

Erschreckende Arroganz

Viele Coaches, die mit fundierten Methoden arbeiten, machen sich daher Sorgen und befürchten, mit in den Strudel der unseriösen Coaches zu geraten.  Einem besorgten Coach raten die beiden „Top-Coaches“ Dorothea Assig und Dorothee Echter auf Linkedin: „Bashing ist leicht und wirkungslos, weil selbstreferentiell. Deshalb können wir gelassen diese Spielereien vernachlässigen.“ Als der Besorgte antwortet, dass er das mit der Gelassenheit nicht so leicht schaffe, heißt es: „Doch, doch…Kriegen Sie hin, weil das Unterhaltung ist, pures Entertainment, hat mit Ihnen und uns nichts zu tun.“

Das ist erschreckend arrogant. Zumal die beiden selbst über ihre Ausbildung schweigen. Assig ist zumindest laut Linkedin-Profil von der Betriebswirtin direkt zum Top-Coach mutiert. Echter macht gar keine Angaben zu ihrer Laufbahn.

Auch wenn die beiden nicht zu unseriösen Coaches gehören, haben sie eines mit ihnen gemeinsam: Sie hauen kräftig auf die Pauke und sind einfach nur top. Sie seien  „Beraterinnen für das internationale Topmanagement, für herausragende Persönlichkeiten und ambitionierte Organisationen… Mit ihrem Ambition Management, einem radikal neuen Ansatz, der den intrinsischen Antrieb und die Größe der einzelnen Persönlichkeiten in den Mittelpunkt stellt, erreichen Unternehmen Innovationskraft, Agilität und nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.“ Die üblichen Phrasen, wie sie auch unseriöse Coaches gern verwenden. Und ihre Qualitätsstandards geben sie gleich selbst. Aber die beiden werden schließlich vom Manager Magazin und SPIEGEL immer wieder promotet. Nur leider ist das auch längst kein Qualitätsbeweis mehr.

Im Elfenbeinturm

Und dann ist da noch die Wissenschaft. „Je populärer Coaching wird, desto mehr Scharlatane bieten Coaching an. Man kann Scharlatane daran erkennen, dass sie großartige Versprechungen machen, die sie aber nicht halten können. Sie scheuen jede wissenschaftliche Evaluation ihrer Leistungen“, schreibt Professor Siegfried Greif, der seit Jahren zu Coaching forscht. „Evidenzbasiertes Coaching“ stehe dagegen als international für wissenschaftlich fundiertes Coaching. Er schlägt vor, das Markenzeichen „Coaching Based on Science“ zu verwenden und sein Buch über evidenzbasiertes Coaching zu lesen.

Das mag für Coaches und die Coaching-Ausbildung durchaus sinnvoll sein. Den meisten potentiellen Coaching-Klienten (und Unternehmen) wird es vermutlich nicht helfen. Sie werden sich kein Buch für mehr als 70 Euro kaufen und die wissenschaftliche Erkenntnissen durchackern. Sie suchen (schnelle) Lösungen und konkrete Tipps, worauf sie bei der Coach-Wahl achten müssen. Doch damit werden sie allein gelassen.

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.

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