Bewerbungsgespräch – Warum Körpersprache wenig aussagekräftig ist

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Eine neue Meta-Analyse zum Zusammenhang von Persönlichkeit und nonverbaler Kommunikation bietet auch Implikationen für die Personalauswahl

Wann immer wir mit neuen Personen interagieren, bilden wir Urteile über sie. „Ist diese Person gesellig?“, „Ist diese Person freundlich?“, „Ist diese Person intelligent?“. Für solche ersten Eindrücke der Persönlichkeit bedarf es oft nur weniger Sekunden. Erste Urteile entstehen daher bereits, bevor es überhaupt zum ersten verbalen Austausch kommt. Doch wie zuverlässig sind diese Urteile?

Die Persönlichkeitspsychologie beschäftigt sich seit jeher mit genau dieser Frage und kommt dabei zu der überraschenden Erkenntnis: Unsere ersten Eindrücke sind oft ziemlich genau. Sie sind zwar nicht perfekt, aber dennoch besser als der Zufall. Der Psychologe David Funder hat dies bereits vor über 30 Jahren treffend zusammengefasst: Somebody once said that what makes a dancing bear so impressive is not that it dances well, but that it dances at all. I am impressed by human judgments of personality for roughly the same reason-not because the judgments are perfect, but because in the face of enormous difficulties it seems remarkable they manage to have any accuracy at all.” (Funder, 1989, S. 212)

Aber wie gelangen wir zu diesen genauen Persönlichkeitsurteilen? Im Rahmen einer neuen Meta-Analyse (Breil, Osterholz et al., 2021) untersuchten die Autor:innen die Rolle spezifischer nonverbaler Signale. Damit gemeint sind alle sichtbaren Unterschiede zwischen Personen, die sich nicht auf konkrete Gesprächsinhalte beziehen. Hierunter fallen zum Beispiel Aspekte der Mimik („Ausmaß des Lächelns“, „Länge des Blickkontakts“), der Gestik und Körperhaltung („Dominanz der Körperhaltung“, „Anzahl der Gesten“), aber auch paraverbale Aspekte der Sprache („Lautstärke“, „Deutlichkeit der Aussprache“) sowie Äußerlichkeiten von Personen („Formalität der Kleidung“, „generelle Gepflegtheit“). Laut verschiedenen Ratgebern sind es gerade diese nonverbalen Aspekte des eigenen Auftretens, die einen Blick in unser Innerstes erlauben. Viele scheinbare Expert:innen sprechen gar vom „Geheimcode der Körpersprache“, den es zu entschlüsseln gilt und schreiben Gestik und Mimik in diesem Zusammenhang weitreichende Deutungen zu. Inwiefern diese Annahme auch wissenschaftlich haltbar ist, wurde in der Meta-Analyse betrachtet.

Die in der Analyse berücksichtigten Studien differenzieren jeweils klar zwischen der Wahrnehmung und der tatsächlichen Aussagekraft der nonverbalen Signale. Nutzen wir das Einstellungsinterview als Beispiel: Personen unterscheiden sich darin, wie stark sie im Laufe eines Gesprächs lächeln und wie expressiv sie gestikulieren. Diese Unterschiede werden von den Interviewenden wahrgenommen und beeinflussen möglicherweise deren Beurteilung. So erscheint es plausibel, dass der lächelnden und stark gestikulierenden Bewerberin eine hohe Kontaktfreudigkeit nachgesagt wird. Inwieweit dies tatsächlich der Fall ist, das heißt ob die Bewerberin sich auch im Alltag kontaktfreudig verhält, ist hiervon unabhängig.

Zur Analyse dieser unterschiedlichen Prozesse wurden in den Studien die „wahre“ Persönlichkeit, Persönlichkeitsurteile sowie eine Vielzahl von nonverbalen Signalen betrachtet. Die Messung der „wahren“ Persönlichkeit beruhte in der Regel auf den Selbsteinschätzungen der Proband:innen hinsichtlich der Big Five. Bei diesen handelt es sich um ein Persönlichkeitsmodell, das innerhalb fünf zentraler Dimensionen der Persönlichkeit differenziert: Extraversion, Verträglichkeit, Offenheit, emotionale Stabilität und Gewissenhaftigkeit. Einige Studien erfassten darüber hinaus die Intelligenz der Teilnehmer mittels IQ-Tests. Die Persönlichkeitsurteile wurden hingegen auf Basis kurzer Videos oder kurzen Interaktionen mit den Proband:innen getroffen. Diese Fremdeinschätzungen bezogen sich dabei ebenfalls auf die Big-Five-Dimensionen sowie auf die Intelligenz der Proband:innen. Um eine möglichst objektive Erfassung der nonverbalen Signale sicherzustellen, wurde das Verhalten der Proband:innen aufgezeichnet und im Nachgang von mehreren geschulten Personen kodiert. Hier wurde beispielsweise gezählt, wie oft Personen gestikulierten, oder bewertet, wie verständlich ihre Sprache war.

Die Ergebnisse der Meta-Analyse zeigen differenzierte Zusammenhänge auf: Zum einen wird deutlich, dass nonverbale Signale einen starken Einfluss darauf haben, wie Menschen im Erstkontakt wahrgenommen werden. Entsprechend wurden Personen, die mehr lächelten, eine sichere Körperhaltung zeigten oder sich durch eine angenehmere Stimme auszeichneten als emotional stabiler, extravertierter, verträglicher und offener eingeschätzt. Ein gepflegtes Äußeres, formelle Kleidung und das Tragen einer Brille ließ Personen gewissenhafter erscheinen. Auch wirkten Personen, die mehr gestikulierten und schneller sprachen, im Allgemeinen intelligenter.

Extraversion und Körpersprache

Betrachtet man die andere Seite, also wie stark sich die nonverbalen Signale in der tatsächlichen Persönlichkeit widerspiegeln, zeigt sich ein abweichendes Bild. Ob Unterschiede im nonverbalen Verhalten mit Persönlichkeitsunterschieden einhergehen, ist zunächst von der spezifischen Persönlichkeitseigenschaft abhängig. So spiegelte sich die Extraversion der Proband:innen in vielen Signalen wider: Extravertierte hatten einen fröhlicheren Gesichtsausdruck, gestikulierten mehr und hatten eine lautere und kraftvollere Stimme. Zudem waren sie insgesamt attraktiver, gepflegter und moderner gekleidet.

Zusammenhänge zwischen den anderen Persönlichkeitseigenschaften und nonverbalen Signalen finden sich dagegen nur vereinzelt. Die Körpersprache von neurotischen Personen war beispielsweise eher angespannt. Auch in der Sprache von eher neurotischen Personen zeigten sich mehr Unsicherheiten. Intelligente Personen sprachen eher schneller und hatten gleichzeitig eine klarere und deutlicher…

Dr. Simon Breil, M.Sc. und Promotion in Psychologie, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Psychologische Diagnostik und Persönlichkeitspsychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

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