Candidate Horror

Pixabay Daria Yakovleva

Unternehmen sprechen gern über die Candidate Experience der Bewerber, die möglichst gut sein soll. Doch statt Candy gibt es oft bittere Pillen, die du schlucken sollst.

 Da hatte sich die Kandidatin auf ihre zweite Runde Vorstellungsgespräch besonders gründlich vorbereitet. Sie hatte engagiert eine Präsentation entwickelt, sie hatte sie gut präsentiert, schlüssig, knackig, flüssig. Und dann fiel der Satz: „Naja, Sie haben ja einen Master, die Stelle ist aber für einen Bachelor ausgeschrieben.“

Okay, Stellensuche macht nicht jedem Spaß. Druck auf Bewerber entsteht auf viele Arten, nicht nur durch die Erwartung an die eigene Performance. Arbeitgeber, die schlecht vorbereitet sind auf Besetzungsprozesse, kommen dazu. Auch wenn alle auf die positive Candidate Experience schwören.

Der Trend, eine Ausschreibung so belanglos und weitläufig wie möglich zu formulieren, ist noch immer weit verbreitet. Leider. Da liest du Anforderungsprofile, die den Eindruck erwecken, als würde das Unternehmen ausschließlich auf Genies setzen. Unter 35. Natürlich kannst du anrufen und nachfragen. Nur die genannte Ansprechpartnerin geht leider nie an Telefon. Und ehe du ganz aufgibst, schickst du halt deine Bewerbung dahin.

Vier Wochen lang hörst du gar nichts, keine Eingangsbestätigung, nichts. Dann kommt der Brief mit der „Einladung“. Termin, nächsten Donnerstag um 8.15 Uhr. Toll. Du schreibst eine Mail mit der Bitte um eine Verschiebung, weil du am Donnerstag schon ein anderes Gespräch hast. Schließlich befindest du dich mitten im Bewerbungsprozess. Die Antwort: Wir führen alle Gespräche an diesem Donnerstag, eine Terminverschiebung ist nicht möglich. Puuh.

Ein anderes Unternehmen: Du kommst pünktlich zum Gespräch, was sonst. Dein Ansprechpartner ist noch in einem Termin, du mögest bitte warten. Klar. Wie lange genau? Da wisse man auch nicht. Du wartest eine halbe Stunde. Dann endlich kommt er. „Haben Sie uns gut gefunden? Dann erzählen Sie doch mal.“ Du erwartest eine kurze Beschreibung der Position, der Aufgaben. Im Grunde geht es doch darum: Was erwartet mich, was erwarten Sie, was muss ich tun, was kann ich lernen, wie messen Sie Lernerfolg?

Über Erwartungen wird dann auch gesprochen, in Superlativen, und natürlich nicht über deine. „Haben Sie noch Fragen? Wir haben noch fünf Minuten.“ Wo soll ich anfangen? Das war ein Verhör, kein Gespräch, wichtige Punkte blieben völlig offen, Raum zur Klärung gibt es nicht. „Wir melden uns“. Und auf diese Meldung wartest du dann, vergeblich.

Zum Glück triffst du auf irgendwann auf ein Unternehmen, wo sie alles richtigmachen: Sie schreiben, was und wen sie suchen, sie antworten sehr schnell auf deine Mail, sie informieren dich, wie der Prozess ablaufen wird, wen du nach Informationen fragen kannst und sie bieten dir mehrere Möglichkeiten für ein Gespräch an, persönlich, online, ganz wie es für dich passt.

Das Gespräch ist strukturiert, jemand hat sich Gedanken gemacht, wie er herausfinden kann, ob du für den Job passt. Idealerweise gibt es ein professionelles Auswahlverfahren, bei dem du auch erfährst, ob die Position zu dir und deiner Lebenswirklichkeit passt. Dort unterschreibst du dann deinen Arbeitsvertrag. Und alles wird gut.

Ursula Schön-Herrmann, M.A. in Philosophie und vergleichende Sprachwissenschaften, Senior Career Expert und Leiterin Akademiker-Coaching bei der Deutschen Angestellten Akademie in Köln

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