CEOs, die sich selbst überschätzen, können ihren Unternehmen in Krisen wie der Corona-Pandemie zu ungewöhnlich hohen Aktienkursen verhelfen. Das zeigt eine Studie der Chinese University of Hong Kong.
Selbstüberschätzung oder die Tendenz, Risiken zu unterschätzen und die Gewinne zu überschätzen, gilt oft als einer der wesentlichen Faktoren für das Scheitern von Unternehmen. Man denke nur an den spektakulären Kollaps von Lehmann Brothers oder Wirecard.
Nun zeigt eine neue Studie, dass CEOs, die sich selbst überschätzen, in Zeiten der Pandemie ihren Unternehmen helfen können, besser durch die Krise zu kommen. So fanden Wissenschaftler heraus, dass Unternehmen mit außergewöhnlich selbstsicheren CEOs während der Corona-Pandemie an der Börse besser bewertet wurden.
“Unternehmen sollten zweimal nachdenken, bevor sie einen zu selbstsicheren CEO-Kandidaten ablehnen, weil er überaus hilfreich sein kann, den Absturz des Aktienkurses einzudämmen“, so Professorin Maggie Hu, Assistant Professor of Real Estate and Finance an der School of Hotel and Tourism Management der Chinese University of Hong Kong (CUHK) Business School,. So habe man herausgefunden, dass diese CEOS in der Krise zudem Führungsstärke zeigten und dabei sowohl auf die Mitarbeiter als auch die Investoren positiv einwirkten.
Anhand von Daten aus den USA schaute sich das Forscherteam die Aktienkurse von Unternehmen vom 22. Januar 2019 bis zum 23. März 2020 an. Einbezogen wurden nur Firmen, die seit 2018 denselben CEO hatten. Für das Ausmaß der Selbstüberschätzung zogen die Forscher die Ausübung ihrer eigenen Aktienoptionen heran. Wer länger damit wartete, war sich sicherer, dass seine Gewinne später noch steigen.
Die Ergebnisse zeigten, dass Unternehmen mit sehr selbstsicheren CEOs während der Pandemie signifikant höhere Renditen – definiert als unerwartete und ungewöhnlich hohe Renditen – hatten als Unternehmen mit weniger selbstsicheren CEOs. Zudem analysierten die Forscher, ob sich die positiven Effekte selbstsicherer CEOs bei Unternehmen unterschieden, besonders bei jenen, die stark von der Pandemie betroffen waren. Das Ergebnis: Die positiven Effekte waren bei Firmen, die besonders stark unter der Pandemie litten, sogar noch ausgeprägter.
“Sehr selbstsichere CEOs spielten eine wesentliche Rolle dabei, negative Marktreaktionen aufgrund der Pandemie zu vermeiden, weil sie mit ihrer positiven Einstellung die Wahrnehmung der Investoren besser gemanagt haben“, erklärt Associate Professor Desmond Tsang, der ebenfalls an der School of Hotel and Tourism Management der CUHK Business School forscht.
Begrenzte CEO-Magie
Das sei ihnen dadurch gelungen, indem sie die öffentliche Meinung in einer Zeit von allgemeinem Pessimismus für ein bestimmtes Marktsegment besser gemanagt hätten, was wiederum die Wahrnehmung der Investoren beeinflusst habe. Diese Fähigkeit, auch in der Pandemie ein positives Bild des Unternehmens aufrechtzuhalten, sei extrem wichtig für Firmen mit einer großen Unsicherheit und einem Mangel an Ressourcen gewesen, so die Studie.
Ein anderer Bereich, in dem sehr selbstsichere CEOs besser waren, ist das Zurückhalten von negativen News und die Betonung von guten News. Obwohl diese selektive Auswahl eigentlich fragwürdig ist, zeigte sie sich in der Krise als recht wertvoll, da sie zu weniger negativen Reaktionen auf dem Aktienmarkt führte.
Doch trotz der positiven Effekte zeigte die Studie, dass selbst sehr selbstsichere CEOs keine Unternehmen mit inhärenten höheren Risken oder schwachen Grundlagen retten konnten. Denn bei Unternehmen mit einem hohem Risiko zum Scheitern oder Bankrott lassen sich Investoren auch nicht von einem selbstsicher auftretenden CEO beeinflussen. Die Topmanager seien daher nicht allmächtig. Dazu kommt: Die Studie ergab, dass die positiven Effekte nur für die Zeit der Krise auftraten.
Ihre Studie, so die Forscher, habe wichtige Implikationen für Unternehmen bei der Suche nach dem richtigen CEO. Während sehr selbstsichere Topmanager in der Krise sehr nützlich sein können, könne die Magie der Selbstüberschätzung sofort verschwinden, wenn der Sturm vorbei ist.
Die Studie CEO Overconfidence and the COVID-19 Pandemic wurde von den Professoren Maggie Hu und Desmond Tsang zusammen mit Wayne Wan Xinwei, einem PhD-Kandidaten an der University of Cambridge, durchgeführt.
Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.