High-impact Tools für Teams

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„Stellen Sie sich vor, Sie sind Führungskraft und haben vor einigen Monaten ein neues Team zusammengestellt. Die Ziele sind bekannt, doch irgendwie funktioniert die Zusammenarbeit nicht so gut, wie Sie sich das vorgestellt haben. Die Stimmung ist oft gereizt und erste Teammitglieder haben bereits aufgrund des herrschenden Zeit- und Leistungsdrucks gekündigt. Sie können sich die Entwicklung nicht wirklich erklären. Auch Ihr Ton wird zunehmend aggressiver, weil Sie nicht wissen, wie Sie gegensteuern sollen. Aber eines ist Ihnen klar: So kann es nicht weitergehen“

Wie in diesem fiktiven Beispiel bleiben viele Teams unter ihren Möglichkeiten, halten unproduktive Meetings ab oder lösen Konflikte nicht produktiv. Doch warum liefern Teams schwache Leistungen? Für die Autoren Alexander Osterwalder und Stefano Matrogiacomo sind Teams vor allem dann erfolglos, wenn umeinander herum und nicht miteinander gearbeitet wird. Die beiden Autoren bieten mit ihrem Buch daher ein Instrumentarium an, das Teams dabei helfen soll, sich zu orientieren, Vertrauen aufzubauen und bessere Ergebnisse zu erzielen.

Im ersten Kapitel stellen sie die vier Säulen ihres kooperativen Planungstools namens „Team Alignment Map“ vor. Dabei handelt es sich um ein einfaches, visuelles Hilfsmittel, mit dem die Teamaktivitäten besser aufeinander abgestimmt werden können. Die Säulen unterteilen sich in: die gemeinsamen Ziele („Was wollen wir konkret gemeinsam erreichen?“), das gemeinsame Engagement („Wer tut was?“), gemeinsame Ressourcen („Welche Ressourcen benötigen wir?“) und das gemeinsame Risiko („Was könnte uns am Erfolg hindern?“).

Im zweiten Kapitel wird deren Einsatz anschaulich an verschiedenen Beispielen wie Meetings, Projekte oder Unternehmenskoordination demonstriert. Dadurch können Teams fokussierter werden, das Engagement der Teammitglieder wird gestärkt und die Wirksamkeit von Meetings sowie die Qualität von Entscheidungen werden erhöht.

Im dritten Kapitel werden weitere Vorlagen vorgestellt, um die Teamaktivitäten besser zu koordinieren und das Teamklima zu verbessern. Für die Autoren ist das Klima, in dem gearbeitet wird, ein zentraler Punkt erfolgreicher Teams. Dieses basiert auf Vertrauen und der psychologischen Sicherheit für die Teammitglieder:

  • Im Teamvertrag werden die Spielregeln festgelegt. Dies betrifft Verhaltensweisen, wichtige Werte, Entscheidungsfindung, Kommunikation und Erwartungen.
  • Der Faktenfinder hilft dabei, durch Klärungsfragen typischen Kommunikationsfallen zu vermeiden, die u. a. durch mangelnde Präzision in der Sprache leicht auftreten können.
  • Die Respektkarte beinhaltet Tipps im Umgang mit Menschen, die einem nicht vertraut sind oder einen anderen kulturellen Hintergrund haben. Sie hat das Ziel, Botschaften mit Respekt zu vermitteln, anderen wertschätzend gegenüber zu treten und unbeabsichtigte Fauxpas in sozialen Situationen zu vermeiden.
  • Der Leitfaden für „gewaltfrei Bitten“ soll dabei helfen, Uneinigkeit konstruktiv zu äußern, Konflikte zu lösen und Beziehungen zu stärken.

Fühlt ein Teammitglied sich nicht genügend von der Führungskraft wertgeschätzt, könnte eine gewaltfreie Bitte folgendermaßen lauten: „Wenn Du anderen im Team für deren Leistung dankst, aber mir nicht, dann fühle ich mich enttäuscht und zurückgesetzt. Mein Bedürfnis ist, dass meine Arbeit wertgeschätzt wird. Würdest du mir bitte zu verstehen helfen, ob mit mir oder meiner Leistung etwas nicht stimmt?“

Im vierten Kapitel beschreiben die Autoren die interdisziplinären Grundlagen ihrer Arbeit. Sie stellen verschiedene, aus der Wissenschaft stammende Ansätze vor.

  • Gegenseitiges Verständnis und gemeinsame Basis

Die „gemeinsame Basis, basiert auf den Arbeiten des Psycholinguisten Herbert Clark und dessen Weiterentwicklung durch den Psychologen Steven Pinker. Wenn Teams bestimmte Projektziele erreichen wollen, dann hängt der Erfolg auch von der Qualität der Abstimmungen ab. Leistungsfähige Teams zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine gemeinsame Basis schaffen, Wissen teilen und Perspektivwechsel einnehmen können. Nur so können die individuellen Beiträge miteinander integriert und böse Überraschungen vermieden werden. Spart man diesen Kommunikations-Koordinationsteil weg, so wird die Zusammenarbeit ineffizient. Und trotz aller Vorteile von Emails, Video- und, Telefongesprächen wird das persönliche Gespräch von den Autoren als das wirkungsvollste Instrument in der zwischenmenschlichen Kommunikation angesehen.

  • Vertrauen und psychologische Sicherheit

Ein unsicheres Teamklima verhindert Leistung. Wenn Teammitglieder lieber schweigen, als offen und ehrlich miteinander zu sprechen, dann wird das gemeinsame Wissen nur unzureichend aktualisiert. Es entstehen Wahrnehmungslücken und dadurch werden Entscheidungen getroffen, die teils auf veralteten oder falschen Informationen beruhen. In so einem Klima wird das gemeinsame Lernen unterbunden und gewohnte Verhaltensweisen werden wiederholt, auch wenn sich der Kontext bereits geändert hat. So werden Annahmen nicht überprüft, Pläne nicht korrigiert und die Effektivität reduziert.

In einer psychologisch sicheren Umgebung wird Feedback eingeholt und ein produktiver Dialog geführt, um den Kontext von Problemen zu verstehen und gemeinsam die optimale Lösung zu finden. Psychologische Sicherheit erfasst nach Amy Edmondson das Ausmaß des Glaubens, dass andere im Zweifel zu einem stehen, auch dann, wenn Risiken eingegangen werden. Sie vertrauen darauf, dass sie nicht bestraft oder gedemütigt werden, wenn sie Ideen, Fragen, Sorgen haben oder Fehler eingestehen. Konflikte werden als Chance sich weiterzuentwickeln wahrgenommen. Dabei werden Informationen weitergegeben und so das Lernen im Team angeregt. Annahmen und Pläne werden überprüft und bei Bedarf angepasst. Auch Spitzenteams von Google zeichneten sich, so die Autoren, durch ein psychologisch sicheres Teamklima aus, dass Meinungen zulässt und Fehler als Lernchance wahrnimmt.

  • Beziehungen: die vier Spielmodi

Der Anthropologe Alan Fiske hat vier Elementartypen von Bindungen beschrieben, die auch in Teams eine Rolle spielen.

  • Teilen („Was mir gehört, gehört auch dir und umgekehrt“)
  •  Autorität („Wer ist zuständig“)
  • Gegenleistung („Jedem dasselbe“)
  • Übereinkunft („Jeder erhält den angemessenen Anteil“)

Werden innerhalb eines Teams unterschiedliche Modi gespielt, kann es zu Schäden an der Beziehung oder Konflikten führen. Wenn zum Beispiel ein Teammitglied ausgewählt wird, beim Kunden zu präsentieren, weil es das am besten kann, aber gleichzeitig die Meinung vertritt, dass jeder mal an der Reihe sein sollte. Oder die Teammitglieder erwarten, dass der Chef immer entscheidet, dieser hingegen der Meinung ist, dass jeder im Team gleichviel zu sagen hat.

  • Gesichtsarbeit und Höflichkeit

Die Anthropologen Penelope Brown und Stephen Levinson entwickelten die „Theorie der Höflichkeit“ basierend auf der Idee, das durch Rücksichtnahme und Höflichkeit das Gesicht des jeweils anderen gewahrt wird. Dadurch werden zwei wichtige soziale Bedürfnisse befriedigt: Das Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung und das Bedürfnis nach Autonomie und Respekt

Wertschätzung und Respekt werden als die beiden Säulen der Fairness angesehen. Zu einem fairen Prozess gehört es, Personen in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, die Überlegungen hinter den Entscheidungen zu kommunizieren und eine Klarheit der Erwartungen, wie bestimmte Leistungsstandards, sicherzustellen.

Das Buch verspricht ein ungewöhnlich hohes Lesevergnügen, da die Texte verständlich geschrieben und auch das Layout, das Design und die schönen Illustrationen wirklich außergewöhnlich sind. Der wissenschaftliche Teil ist kurzgehalten und bietet daher nicht genügend Raum für die Frage nach der Evidenz und den Grenzen der postulierten Ansätze. So ist die psychologische Sicherheit selbstverständlich etwas Positives. Wenn aber Sicherheit im Team zu stark ausgeprägt ist, kann dies auch zu unerwünschtem Verhalten führen, wie den Verstoß gegen Gruppenregeln. Der kurze Hinweis, dass der Faktenfinder auf dem Metamodell der stark umstrittenen Neurolinguistischen Programmierung (NLP) basiert, hätte durch ein paar kritische Kommentare und Quellen ergänzt werden sollen.

Abgesehen von diesen Kleinigkeiten, ist es sehr zu begrüßen, dass sich Autoren von Büchern mit Praxisbezug die Frage stellen, wie fundiert die wissenschaftliche Basis ist. Das Buch lädt dazu ein, die vielen Maps und Anleitungen direkt auf dem Flipchart oder mit digitalen Tools auszuprobieren. Viel Spaß dabei!

Stefano Mastrogiacomo, Alexander Osterwalder: High-impact Tools für Teams, Frankfurt: Campus Verlag 2021, 329 Seiten, 34,95 Euro

 

 

Head of Human Resources Management, DocCheck AG

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