Das Homeoffice führt zur Zweiklassengesellschafft und zementiert die Machtverhältnisse, warnt der Psychologe Professor Timo Meynhardt. Auch New Work steht auf dem Prüfstand.
Derzeit gibt es einen wahren Hype um das Thema Homeoffice und Ihre Fachkollegen veröffentlichen ständig neue Studien. Gibt es denn überhaupt so viel Neues?
Der Trend zum Homeoffice war auch schon vor der Corona-Krise zu beobachten. Er ist überhaupt nicht neu. Unterschiedliche Formen der Telearbeit bzw. des mobilen Arbeitens gewinnen spätestens seit Ende der 1990er Jahre generell an Bedeutung. Im internationalen Vergleich schließen wir in Deutschland im Grunde dabei sogar erst auf. Andere Länder sind da oft schon viel weiter, wie zum Beispiel Holland. Laut den Daten des sozio-ökonomischen Panels waren vor der Pandemie rund 20 Prozent der Mitarbeiter im Home-Office, jetzt sind es vielleicht 30 Prozent. Aber das Virus wirkt natürlich als Beschleuniger. Wir haben es daher mit einem pandemischen Homeoffice zu tun.
Aber offenbar ist das Thema noch nicht ausreichend erforscht.
In der Arbeitspsychologie betrachten wir die begleitenden Effekte schon seit Jahrzehnten rauf und runter. Da muss man nicht alles neu erfinden, sondern lieber mal anschauen, was die Wissenschaft bisher schon dazu herausgefunden hat. Aber natürlich gibt es in der Pandemiesituation mit dem erzwungenen Homeoffice neue Aspekte, die es zu untersuchen gilt. Insbesondere sollten wir soziale und gesellschaftspolitische Gesichtspunkte nicht vergessen, zum Beispiel, dass die Überwindung von Heimarbeit gerade für die Frauen einmal ein großer emanzipatorischer Schritt war.
Wird das Home-Office für Frauen also ein Schritt zurück?
Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, hat schon im vergangenen Jahr die Rückkehr zu alten Rollenmustern in den Familien beklagt. Die Frau kümmert sich um die Kinder, betreut das Homeschooling, macht den Haushalt und kocht. Die größere Last liegt also bei den Frauen und sie machen jetzt noch viel mehr. Wenn alle zu Hause sind, gibt es auch mehr Dreck und man muss mehr putzen. Und zwischen zwei Calls steckt sie noch schnell die Wäsche in die Waschmaschine. Die Männer gehen öfter ins Büro, sitzen im Krisenstab und verfolgen ihre Karriere weiter. Fairerweise muss man aber zugestehen, dass die Männer sich aktuell auch mehr in der Care Arbeit engagieren. Aber es gibt einen Unterschied bei der Ausgangsbasis beim Umfang: Von drei auf fünf Stunden, ist etwas anderes als von sieben auf zehn Stunden.
Aber die Karriere hängt doch nicht davon ab, ob ich öfter ins Büro gehe.
Doch. Präsenz war schon immer karriereförderlich, jetzt erst recht. Wer dauerhaft nicht oder nur sporadisch persönlich präsent ist, der wird abgehängt. Denn auf der Hinterbühne läuft ein zweiter Film: Nur wer online und offline präsent ist, kann mitspielen. Da gibt es eine klare Macht-Asymmetrie und die reale Gefahr einer Zweiklassengesellschaft. Machtverhältnisse verfestigen sich, wenn sich soziale Dynamiken nicht entfalten können und Herrschaftswissen eine deutliche Aufwertung erfährt. Wer nur online arbeitet, dem fehlen wichtige Informationen. Er weiß nicht, was in der Kaffeeküche gesprochen wird, wer mit wem zusammensteht und er ist nicht sichtbar.
Mehr oder weniger geschlossene Machtzirkel gab es aber auch schon vor Corona.
Ja, aber das verstärkt sich jetzt noch bzw. kann kaum kompensiert werden. Es ist schwieriger, in die Machtzirkel reinzukommen. Und welche Informationen online weitergegeben werden, bestimmen die Chefs. Da entstehen quasi zwei Welten. Die eine umfasst die Info…
Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.