Studie: Woran es bei der Auswahl von Teammitgliedern hakt

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Eine neue Studie zeigt, dass die zwischenmenschlichen Fähigkeiten bei der Auswahl von Teammitgliedern zu gering beachtet und falsch eingeschätzt werden.

Mit dem Übergang zu demokratischeren Formen des Managements und seit dem Niedergang der Befehls- und Kontrollstrukturen von oben nach unten verlassen sich Organisationen zunehmend auf Teams, um die Dinge zu erledigen. Gleichzeitig ist die Einstellung neuer Mitarbeitenden und die Auswahl neuer Teammitglieder in schnelllebigen Geschäftsumgebungen ein regelmäßiges und oft überstürztes Ereignis.

Eine neue Studie von Sofya Isaakyan, Associate Professor of Organizational Behaviour an der Rotterdam School of Management, und Rellie Derfler-Rozina und Hyunsun Park von der R.H.Smith School of Business der University of Maryland, untersuchte den Einfluss der menschlichen Wahrnehmung, wenn Teams ein neues Mitglied auswählen. Sie zeigt insbesondere auf, wie die rasche Beurteilung eines potenziellen neuen Kollegen durch die Teammitglieder ihre Auswahlentscheidungen beeinflusst und wie ungenau diese Beurteilungen bei der Vorhersage der Leistung des potenziellen Mitglieds sein können.

Bei jedem Auswahlverfahren berücksichtigen die Personalverantwortlichen zwei Hauptaspekte: das wahrgenommene Kompetenzniveau oder die Fähigkeiten des Bewerbers und die Frage, wie gut die Persönlichkeit des Einzelnen in das Arbeitsumfeld passt. Im Falle von Teams gilt dies in noch stärkerem Maße. Einerseits kann die Stärke oder Schwäche des Teams bei bestimmten aufgabenbezogenen Fähigkeiten die Auswahlentscheidung beeinflussen, andererseits gibt es aber auch die Frage, wie gut sich die Person in das bestehende Team einfügen könnte. Die richtige Einschätzung eines Bewerbers sowohl in Bezug auf seine Kompetenz als auch auf seine zwischenmenschlichen Fähigkeiten ist der Schlüssel zum Erfolg eines Teams.

Fehleinschätzungen sind häufig auf vorschnelle Beurteilungen zurückzuführen. Dies ist besonders wahrscheinlich bei externen Bewerbern, wenn die Wahrnehmung auf einer kurzen Bekanntschaft beruht und nicht auf Berichten über frühere Leistungen und gewachsene Beziehungen, wie es bei internen Bewerbern der Fall wäre. Der Einsatz von KI-Tools und virtuellen Vorstellungsgesprächen, bei denen schnelle Urteile fast unvermeidlich sind, verschärft das Problem noch. Die Studie untersucht daher, wie sich schnelle Urteile auf die Auswahlentscheidungen von Teammitgliedern auswirken und wie genau diese Urteile die Leistung künftiger Mitglieder im Team vorhersagen – und wie sehr eine falsche Einschätzung die Effektivität des Teams beeinträchtigt.

Das wichtigste Ergebnis ist, dass es einen deutlichen Unterschied in der Genauigkeit der Wahrnehmung der Kompetenz eines Bewerbers durch die Teammitglieder und der  Wahrnehmung seiner zwischenmenschlichen Fähigkeiten  gibt. Der Kompetenzaspekt bezieht sich auf die aufgabenbezogene Leistung und das Einbringen aufgabenbezogener Ideen und Vorschläge. Die zwischenmenschliche Leistung im Team bezieht sich auf Verhaltensweisen, die darauf abzielen, die soziale und gemeinschaftliche Dynamik des Teams zu unterstützen. Beide Aspekte sind wichtig und sollten bei der Entscheidungsfindung ausgewogen sein.

Die Studie zeigte, dass die prognostizierte aufgabenbezogene Kompetenz von den Teammitgliedern stärker gewichtet wird als die prognostizierte zwischenmenschliche Leistung. Noch besorgniserregender ist, dass die Studie ergab, dass die Vorhersagen über die aufgabenbezogene Leistung eine hohe Genauigkeit aufweisen, während die Vorhersagen über die zwischenmenschliche Leistung das nicht tun. Das zeigt nicht nur, dass Beurteilungen darüber, wie gut sich ein Bewerber in ein Team einfügen wird, nicht vorrangig sind, sondern auch, dass man sich auf ihre Genauigkeit gar nicht erst verlassen kann.

Kompetenz (bestehend aus Merkmalen wie Geschicklichkeit, aufgabenbezogene Effizienz und Intelligenz) ist wichtig und sollte im Verhältnis zu den vorhandenen Kompetenzen des Teams abgewogen werden. Die Teamdynamik und letztlich der Teamerfolg hängen jedoch letztlich von der effektiven Zusammenarbeit und gegenseitigen Abhängigkeit der Teammitglieder ab. Diese Qualitäten werden durch den Einfluss der zwischenmenschlichen Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder geprägt (dazu gehören Eigenschaften wie Wärme, Gutmütigkeit, gute Kommunikation und Empathie). Wenn Teams unter Druck stehen – was in der heutigen schnelllebigen und unsicheren Wirtschaft häufig vorkommt -, wird die Bedeutung der gegenseitigen Abhängigkeit noch größer.

Swiftly judging whom to bring on board: How person perception (accurate or not) influences selection of prospective team members, 2023, Group and Organization Management. Rellie Derfler-Rozina, Sofya Isaakyan, Hyunsun Park. https://doi.org/10.1016/j.obhdp.2022.104206

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.

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