Studium: Wirtschaftspsychologie nah an der Wirtschaft

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Als erste universitäre und international akkreditierte Business School bietet die WHU einen Bachelor in Wirtschaftspsychologie an. Fabiola Gerpott, Professorin für Leadership, über den Studiengang.

Die WHU-Otto Beisheim School of Management ist eine Business School, die vor allem Betriebswirtschaftler ausbildet. Nun haben sie sich für einen Bachelor in Wirtschaftspsychologie entschieden. Warum?

Weil wir einfach gemerkt haben, dass das Anforderungsprofil und die Anfragen, die an uns herangetragen werden, sehr stark durch die neue Arbeitswelt geprägt werden. Wie soll Führung aussehen? Wie soll man neue Arbeitsmodelle gestalten? Wie stellt man sicher, dass die Mitarbeitenden noch committed sind? Da ist uns aufgefallen, dass der Kern vieler Probleme in Unternehmen die psychogische Seite ist. Dieses Thema wird zwar in den Betriebswirtschaft-Studiengängen angerissen, aber nicht im Detail bearbeitet.

In Ihrem Studium geht es sowohl um betriebswirtschaftlich als auch um psychologische Inhalte. Wie sind die gewichtet?

50 zu 50 mit einer Tendenz zu etwas mehr Psychologie. In den ersten Semestern studieren die Interessentinnen die wirtschaftsbezogenen Einführungsfächer zusammen mit den Studierenden der Betriebswirtschaft. Danach geht es zum Beispiel auch um Sozial- und Entwicklungspsychologie und um Diagnostik. Wenn man das an einer Universität studieren möchte, gab es so einen Bachelor in Wirtschaftspsychologie bisher nur in Bochum und in Lüneburg.*

Welche Rolle spielt Diagnostik?

Das ist ein zentrales Thema zum Beispiel in der Personalauswahl und -entwicklung. Wir haben dazu ein ganzes Modul eingeplant. Da werden wir uns externe Unterstützung holen. Denn wir haben im Moment noch keine Diagnostik-Professur.

Gerade in der Diagnostik sind Business Schools oftmals noch verblendet. Da werden dann Persönlichkeitstests wie der MBTI (Myers-Briggs-Indikator) eingesetzt.

Ja, das stimmt. Da kommt immer mein Standardsatz, dass man da auch eine Münze werfen könnte. Dem stehe ich sehr kritisch gegenüber. Ich finde schon wichtig, dass die Bachelorstudierenden verstehen, was Küchenpsychologie ist und wie man im Gegensatz dazu wirklich wissenschaftlich an ein Thema dran geht. Das fällt auch international an immer mehr Business Schools auf. Harvard beschäftigt zum Beispiel immer mehr Psychologen, auch im Bereich Organizational Behavior. Das färbt auch auf europäische und damit auch auf deutsche Business Schools ab. Es werden immer mehr und mehr – ein positiver Trend, finde ich!

Wo können die Bachelor eingesetzt werden?

Erstens in Big Data und in der Zusammenarbeit mit Künstlicher Intelligenz, also in der ganzen Mensch-Maschine-Interaktion. Das ist ein großer Bereich. Wie programmiere ich zum Beispiel Apps, damit sie auch psychologisch smart sind? Dann der Bereich Arbeitsgestaltung. Schwerpunkt sind hybride Arbeitsmodelle, die Identifikation bieten. Das Dritte ist die Führung. Es geht um Führungsmodelle, Führungskräfteentwicklung in der Zukunft der Arbeitswelt. Wie mache ich Personalentwicklung auch evidenzbasiert? Und der vierte Bereich wird eher in Richtung evidenzbasierte Beratung gehen. Wir wollen die Bachelor wissenschaftlich ausbilden. Sie sollen solide Hausarbeiten schreiben und forschungsorientierte Projektarbeiten machen. Und sie machen viele Case Studies. Die Unternehmen geben ihr Problem rein und die Studierenden übernehmen die Projektarbeit und beraten die Unternehmen.

Oftmals heißt es, dass sich Psychologen nicht so gut verkaufen können. Lernen die Studierenden das auch?

Ich selbst habe meinen Bachelor in Wirtschaftspsychologie in Bochum gemacht und dann realisiert, dass die Betriebswirtschaftler sich oft viel besser verkaufen konnten. Dann habe ich Betriebswirtschaft studiert, auch um darin besser zu werden. Ich denke, dass unser Wirtschaftspsychologie-Bachelor den Studierenden helfen wird, die Business-Sprache zu verstehen und zum Beispiel zu wissen, welche Zahlen sie bringen müssen, um den Vorstand zu überzeugen. Also: Personalentwicklung bringt etwas, damit die Mitarbeitenden zufriedener sind. Das ist nicht nur nett, sondern lässt sich auch in Produktivitätszahlen darstellen. Berücksichtigt man auch das internationale Ansehen der WHU, bringt sie das in der Wirtschaft in die richtigen – also einflussstarken – Stellen. Ich bin optimistisch, dass wir so auch zu einem Anstieg von Frauen in einflussreichen Positionen beitragen können. Damit sie nicht die ersten fünf Jahre ihres Berufslebens damit verbringen, Interviews in der Personalauswahl zu führen.

An den Fachhochschulen gibt es zahlreiche Wirtschaftspsychologie-Studiengänge. Sehen Sie die als Konkurrenz?

Nein, ich sehe nicht die Fachhochschulen als Konkurrenz. Zu uns kommen eher die, die sonst Betriebswirtschaft oder woanders an der Uni studiert hätten. Unsere Eingangsvoraussetzungen sind nicht ganz ohne. Wir haben zwar keinen festen Numerus Clausus, aber die müssen schon gute Noten haben. Und sie müssen durch unser Auswahlverfahren.

Ihr Studiengang ist auf Englisch. Wollen Sie damit auch internationale Studienrende ansprechen?

Ja, da gibt es nichts Vergleichbares. Unser Studiengang richtet sich an deutsche und internationale Studierende, die sich auch vorstellen können, im Nachgang ins Ausland zu gehen. Die Resonanz ist bisher sehr positiv. Es gibt großes Interesse von Bewerberinnen unterschiedlichsten Hintergründen. Auch unter den Betriebswirtschaft-Studierenden, von denen einige oft zwischen BWL und Psychologie geschwankt haben.

Sind auch Auslandaufenthalte eingeplant?

Ein Auslandsstudium und ein Auslandspraktikum sind Pflicht. Das ist wirklich einzigartig. Wir haben zahlreiche Partnerhochschulen. Die Studierenden können sich vorher die angebotenen Kurse anschauen und uns dann fragen, ob die für sie interessanten Fächer für Betriebswirtschaft oder Psychologie passen. Und für das Auslandspraktikum kann das Career Center Kontakte zu einem unserer Partnerunternehmen vermitteln, wobei man dort dennoch im Bewerbungsverfahren überzeugen muss. Da ist man schon deutlich näher an der Wirtschaft dran, als wenn man an einer anderen Universität studiert.

Mit wie vielen Studierenden rechnen Sie?

Wir planen mittelfristig die Kapazität auf 60 bis 80 Plätze zu erhöhen. Realistisch wollen wir mit circa 30 Studierenden den Studiengang beginnen.

Was machen die Bachelor im Anschluss?

Wenn sie nicht direkt in den Beruf einsteigen, bietet sich entweder ein Master in Betriebswirtschaft bei uns an oder sie setzen das Studium woanders fort. Mittelfristig überlegen wir, auch einen Master in Wirtschaftspsychologie anzubieten, um unseren Absolventen eine maßgeschneiderte Fortsetzung zu ermöglichen.

Das Interview führte Bärbel Schwertfeger

Professor Fabiola Gerpott

Professor Fabiola Gerpott hat einen Bachelor in Wirtschaftspsychologie, einen Master of Arts in Corporate Management & Economics und einen Double PhD in Business Administration und Organizational Psychology. Sie ist Inhaberin des Lehrstuhls für Leadership an der WHU – Otto Beisheim School of Management

 

 

 

* In Bochum gibt es keinen Bachelor in Wirtschaftspsychologie mehr. In Lüneburg nur einen Minor in Wirtschaftspsychologie.

Bärbel Schwertfeger Bild

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.

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