- Das Pendeln zählt für viele zu den unbeliebtesten Begleiterscheinungen im Arbeitsalltag. Eine Studie der WHU – Otto Beisheim School of Management kommt sogar zu dem Ergebnis, dass negative Erlebnisse auf dem Weg zur Arbeit maßgeblich die Produktivität der Mitarbeiter beeinträchtigen können. Doch es gibt Gegenstrategien.
Die Bahn hat Verspätung, mit dem Auto steht man im Stau und auch der Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad kann in dicht gedrängten Straßen nervenaufreibend sein. Keine guten Voraussetzungen für einen gelungenen Start in den Arbeitstag. Dass dies aber auch die Produktivität im Büro negativ beeinflussen kann, belegt die Studie „Stop and Go, Where is My Flow?“ von der Professorin Fabiola Gerpott, Inhaberin des Lehrstuhls für Personalführung an der WHU, und ihrer Kollegen Wladislaw Rivkin am Trinity College Dublin sowie Dana Unger an der Norwich Business School.
Um die Auswirkungen des Pendelns auf die Effizienz von Mitarbeitenden bei der Arbeit zu untersuchen, führte ein internationales Forscherteam zwei Studien durch.
In den Studien beantworteten Arbeitnehmer, die regelmäßig mit dem Auto, den öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß bzw. mit dem Fahrrad zur Arbeit pendelten, über einen Zeitraum von zehn Tagen täglich drei Fragebögen.
In der ersten Studie wurden 53 Teilnehmer gebeten, drei Fragebögen pro Tag zu beantworten. Sie sollten beschreiben, welche Erfahrungen sie beim Pendeln gemacht haben und wie sich anschließend ihr Arbeitsfluss darstellte. Um den Grad des Engagements bei der Arbeit festzustellen, wurden die Teilnehmer beispielsweise gebeten anzugeben, wie kraftvoll und motiviert sie sich bei der Arbeit fühlten.
Im ersten Teil wurde untersucht, wie sich negative Erfahrungen beim morgendlichen Pendeln auf Arbeitsengagement und Arbeitsfluss der Mitarbeitenden auswirken. Es stellte sich heraus, dass negative Erlebnisse während des morgendlichen Pendelns zu schlechteren Arbeitsabläufen führen und sich darüber hinaus negativ auf das Engagement der Angestellten auswirkten. Dieser negative Zusammenhang besteht jedoch nur dann, wenn Mitarbeitende bei der Arbeit über eine hohe Impulskontrolle verfügen müssen, beispielsweise bei der Interaktion mit einem unfreundlichen Kunden oder Kollegen.
Während sich die erste Studie auf die direkten Auswirkungen negativer Umstände beim Pendeln konzentrierte, ging es in der zweiten Studie darum zu verstehen, warum diese Produktivitätseinbrüche durch das Pendeln entstehen können.
Hier beantworteten 91 Mitarbeitende, ebenfalls in drei Umfragen pro Tag, wie stark sie beispielsweise ihre Willenskraft bei der Arbeit einschätzten. Auf diese Weise wurde die Rolle der Selbsterschöpfung als zusätzlicher Einflussfaktor im Zusammenwirken von negativem Pendelerlebnis am Morgen und der Arbeitseffizienz getestet. Die zweite Studie bestätigte die Annahme, dass sich das Pendeln, die Kompetenz des Arbeitsnehmers und sein Wunsch nach einem erfüllten Arbeitsalltag gegenseitig beeinflussen. Ein stressiger Weg zur Arbeit erschöpft die Fähigkeit, sich selbst für anstrengende Aufgabe zu motivieren, weswegen ein anstrengender Arbeitsalltag im Anschluss schlechter bewältigt werden kann.
Die negativen Auswirkungen des Pendelns abfedern
Grund zu verzweifeln ist das nicht, denn es gibt eine Reihe von Strategien, um die negativen Auswirkungen des Pendelns auszuschalten oder zumindest abzufedern. Wenn Pendler merken, dass sie gestresst bei der Arbeit ankommen, kann schon ein kurzer Plausch mit einem Kollegen oder eine kurze Achtsamkeitsübung vor dem Arbeitsbeginn helfen, die negativen Effekte abzufedern. Außerdem sollten Pendler versuchen, ihre Arbeit so zu strukturieren, dass verbrauchte Energie wieder aufgefüllt wird. Zum Beispiel hilft es mit einer Aufgabe zu beginnen, die zu schnellem Erfolg führt. Schließlich ist es für Pendler empfehlenswert, Arbeitsanforderungen zu reduzieren, die zusätzliche Energie kosten. Monotone Aufgaben sollten sich mit herausfordernden abwechseln, und vor Beginn einer Aufgabe sollten angemessene Fristen gesetzt werden.
Die Unternehmen können ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen, indem sie flexible Arbeitszeiten ermöglichen, sodass diese nicht zwingend zu Stoßzeiten pendeln müssen. Alternativ können sie auch vermehrt Homeoffice anbieten – wobei dann allerdings auf einen ausreichenden sozialen Austausch geachtet werden sollte
Zusätzlich sollten Führungskräfte darin geschult werden, die Arbeit von Angestellten vorteilhafter zu gestalten, zum Beispiel, indem sie Freiheit bei der Entscheidungsfindung und Aufgabenausführung gewähren. Schließlich sollten die Abläufe so strukturiert werden, dass Mitarbeitende in ihrem Arbeitsfluss nicht ständigen Unterbrechungen ausgesetzt sind.
Weitere Literatur
Gerpott, F.; Rivkin, W.; Unger, D. (2021): Stop and Go, Where is My Flow? How and When Daily Aversive Morning Commutes are Negatively Related to Employees‘ Motivational States and Behavior at Work. Journal of Applied Psychology, April 2021.
Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.