Menschen, die ihre langfristigen Ziele während der Pandemie auf Eis gelegt haben, waren einer besser in der Lage, Ängste und Depressionen zu vermeiden.
Forscher der University of Waterloo in Ontario, Kanada, untersuchten den Zusammenhang zwischen den so genannten wegen Corona gefrorenen Zielen – Zielen, deren Verwirklichung durch die Corona-Pandemie unterbrochen wurde – und dem psychischen Wohlbefinden.
„Wenn wir darüber nachdenken, wie wir unseren Erfolg und unser Wohlbefinden steigern können, konzentrieren wir uns in der Regel darauf, wie wir uns stärker für unsere Ziele engagieren können“, so Abigail Scholer, Professorin am Fachbereich Psychologie in Waterloo und Inhaberin des Forschungslehrstuhls für Motivated Social Cognition. „Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass die Fähigkeit, Ziele loszulassen, insbesondere während Corona, ein entscheidender Faktor ist, um geistig gesund zu bleiben.“
Candice Hubley, Hauptautorin und Doktorandin der Psychologie in Waterloo, und Professorin Scholer befragten 226 Teilnehmer, um die Beziehung zwischen psychologischem Wohlbefinden und Zielverfolgung zu untersuchen. Die Teilnehmer berichteten über ihre psychische Belastung und ihre Lebenszufriedenheit und wurden zu normal verlaufenden Zielen sowie zu den wegen Corona unerreichbaren Zielen befragt.
Die Forscher fanden heraus, dass die Corona-Ziele mit schlechtem Wohlbefinden verbunden waren: Je mehr Ziele die Teilnehmer sie verfolgten, desto größer war ihre psychische Belastung, z. B. durch Stress, depressive Symptome und Angstzustände.
Die Forscher betonten auch, dass die Art und Weise, wie Menschen sich mit ihren Zielen beschäftigen, ihr Wohlbefinden drastisch beeinflusst. „Das Grübeln über Ziele ist zwanghaft und kann Sorgen und Frustrationen verschlimmern und gleichzeitig mentale Ressourcen von anderen Zielen abziehen“, so Hubley. „Wir hoffen, dass die Menschen diese Erkenntnisse auf ihr eigenes Leben anwenden können, indem sie sich die Zeit nehmen, ihre Ziele und ihr Engagement für sie zu bewerten“.
Hubley fügt hinzu, dass es sich beim Engagement nicht um eine Alles-oder-Nichts-Situation handelt, und dass wir manchmal eine Art von Engagement aufgeben. Indem man unerreichbare Ziele aufgibt und sich anderen Zielen zuwendet, schafft man die Voraussetzungen für ein gesünderes Verhältnis zu seinen Zielen und ein besseres psychisches Wohlbefinden.
Die Forscher planen, auf diesen Erkenntnissen aufzubauen, und hoffen, dass ihre Arbeit bei künftigen Interventionen helfen wird, dass Menschen bei der Verfolgung ihrer Ziele flexibler werden, um ihr Wohlbefinden zu verbessern.
Die Studie Melting COVID-frozen goals: How goal disengagement supports well-being during the COVID-19 pandemic, erscheint in der Zeitschrift Motivation and Emotion.
Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.