Statt aufs jährliche Mitarbeitergespräch setzen immer mehr Unternehmen stärker auf Feedback. Dabei herrscht oftmals Unklarheit über die unterschiedlichen psychologischen Mechanismen von Feedback, formalen Urteilen und Lob.
Das jährliche Mitarbeitergespräch mit seiner individuellen Zielvereinbarung und Leistungsbeurteilung passt für immer mehr Unternehmen nicht mehr zu ihrem Bestreben nach mehr Agilität und Innovationskraft. In Folge dessen setzen sie stärker auf Thema Feedback. Dabei scheint es eine Konfusion darüber zu geben, was die Unterschiede zwischen Feedback, formalen Urteilen und Lob sind. Doch die Konzepte unterscheiden sich fundamental und zwar nicht nur in ihrer inhaltlichen Bedeutung, sondern vor allem hinsichtlich ihrer psychologischen Dynamik. Daher sind zunächst eine Abgrenzung und inhaltliche Einordnung der drei Konzepte wichtig.
Soziales Feedback
Grundsätzlich geht es um soziales Feedback, also Feedback, das von einer Person, dem Feedback-Geber einer anderen Person, dem Feedback-Nehmer aktiv gegeben wird. Die Rede ist also nicht von einfachen, unmittelbaren Reaktionen anderer Menschen, die in Form von Mimik und Gesagten Teil jeden Kommunikationsprozesses sind. Es gibt darüber hinaus auch andere Feedback-Formate, etwa auf der Grundlage objektiver Kennzahlen oder Indikatoren. Soziales Feedback sollte auf Seiten des Nehmers einen Reflexionsprozess auslösen für das, was dieser zukünftig besser machen könnte. Dieser Prozess ist intrinsischer Natur. Es liegt also am Feedback-Nehmer selbst, persönliche Schlussfolgerungen abzuleiten.
Man stelle sich nun vor, Mitarbeiterin Anna sagt ihrem Kollegen Benno im Anschluss an eine Kundenpräsentation folgenden Satz: „Es wäre von Vorteil, wenn Du zu Beginn mehr auf die Kundenbedürfnisse eingehen würdest. Damit würdest Du Verständnis für ihre Erwartungen signalisieren, was auf Seiten der Kunden eine höhere Offenheit für unsere Lösung bewirken würde“. Dieses verbale, soziale Feedback hat Prozess-Charakter. Es nimmt Bezug auf eine konkrete Verhaltensweise, die der Feedback-Nehmer Benno anschließend reflektieren könnte. Neben Feedback auf Prozess-Ebene gäbe es alternative Ansätze. Anna könnte Feedback zu Benno als Person bzw. als Vertriebsmitarbeiter oder Präsentierter geben: „Du kommst bei den Kunden sehr gut an“. Sie könnte auf die Selbstregulation abheben: „Es könnte Dir helfen, wenn Du Misserfolge weniger persönlich nähmest“. Sollte der Kunde den Zuschlag geben, wäre dies ein objektives Ergebnis. Man unterscheidet bei Feedback also die vier Ebenen Prozess, Person, Selbstreflektion und Ergebnis (siehe auch Hattie & Timperley, 2007). Nun gibt es zahlreiche Evidenzen, dass Menschen aus Feedback auf der Prozessebene den größten Nutzen ziehen. Hier stehen nachvollziehbare Verhaltensweisen im Mittelpunkt, die zur Reflexion und Optimierung anregen.
Hier ist es immer der Feedback-Nehmer, dem das Feedback gewissermaßen gehört. Es liegt in seiner Verantwortung, über das Feedback zu reflektieren oder es zu lassen. Dabei entscheidet die Offenheit des Feedback-Nehmers, der inhaltliche Gehalt des Feedbacks und die zugeschriebene Kompetenz des Feedback-Gebers darüber, ob dieser Reflexions- und Optimierungsprozess stattfindet (siehe auch Trost, 2015). Gerade der letzte Punkt ist für die Institutionalisierung von Feedback von zentraler Bedeutung. Konkret geht es um die Frage, von wem das Feedback ausgeht, vom Feedback-Geber oder vom Feedback-Nehmer. Bittet Benno Anna um Feedback, sprechen wir von einem eingeforderten Feedback. Vermittelt Anna ihr Feedback gegenüber Benno unvermittelt, also ohne das aktive Nachfragen durch Benno, handelt es sich um ein unaufgefordertes Feedback. „Benno, was ich Dir schon immer sagen wollte, …“. Dieser Unterschied ist nicht zu unterschätzen. Schließlich kann von einer Offenheit auf Seiten des Feedback-Nehmers vor allem dann ausgegangen werden, wenn Feedback aktiv eingefordert wird: „Anna, gibt es etwas, was ich aus Deiner Sicht besser machen könnte?“ Unaufgefordertes Feedback ist hingegen nicht nur riskant, weil es als überheblich oder gar peinlich empfunden werden könnte. Vor allem ist nicht sicher, ob man von einer Offenheit des Nehmers ausgehen kann. In manchen Kulturen oder Situationen gehört unaufgefordertes Feedback sogar zu Klasse unerwünschter Verhaltensweisen. Man tut das schlichtweg nicht. Bei Lob verhält es sich genau umgekehrt. Lob muss unaufgefordert erfolgen. Unaufgefordertes Feedback erscheint lediglich dann als angemessen, wenn die wechselseitigen Rollenzuschreibungen dies implizit oder explizit vorsehen. Dies mag bei einem Trainer der Fall sein oder unter Mitgliedern einer Band.
Feedback, Urteil und Lob/Tadel im direkten Vergleich.
Formales Urteil
Anders verhält sich dies bei formalen Urteilen. Diese werden meist von einer übergeordneten Autorität gefällt und führen auf Seiten des Beurteilten nicht zu intrinsischen, sondern zu extrinsischen Konsequenzen, beispielsweise hinsichtlich seines variablen Gehalts oder seiner langfristigen Zukunft im Unternehmen. Hierauf hat der Beurteilte keinen Einfluss. Urteil und die Konsequenzen brechen in gewisser Weise über den Beurteilten herein.
Lehrer urteilen über Schüler. Vorgesetzte fällen Urteile über Mitarbeiter. Richter fällen Urteile über Angeklagte. Dies tun sie, weil der institutionelle Rahmen dies so vorsieht. Die Folgen von Urteilen liegen nicht in der Hand der Beurteilten. Darüber hinaus obliegt es nicht den Beurteilten selbst, ob sie beurteilt werden oder nicht. Am Ende gehört das Urteil immer der urteilenden Autorität. Autorität manifestiert sich gerade darin, über andere urteilen zu können. Umgekehrt werden Instanzen, die urteilen durch Beurteilte als Autorität wahrgenommen. Wer urteilt, stellt sich über den Anderen. Wer beurteilt wird, erfährt eine Position der Unterordnung.
Urteile sollten vor allem fair und objektiv sein. Dieser Aspekt berührt unmittelbar die Validität von Urteilen, also die Frage, ob Urteile im Einklang mit den zu beurteilenden Sachverhalten stehen. Werden Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Leistung auf einer Skala von 1 (schwach) bis 5 (deutlich über den Erwartungen) beurteilt, dann sollte man davon ausgehen könn…
Professor Dr. Armin Trost, Diplom-Psychologe, Professor für Arbeit- und Organisationspsychologie an der Hochschule Furtwangen