Jenseits von Macht und Ohnmacht – Antworten des Leipziger Führungsmodells  

Pixabay John Hain

Führung lässt sich nicht auf reine Machtausübung reduzieren. Das Leipziger Führungsmodell setzt auf eine konsequente Orientierung am Beitrag zu einem größeren Ganzen. Entscheidend ist, wozu eine Führungskraft ihre Macht einsetzt und woran sie sich dabei ausrichtet.

Dem Volksmund nach zeigt erst der Umgang mit Macht das „wahre Gesicht“ eines Menschen. Positiv formuliert spricht man dann gern vom Gestaltungswillen, den jemand unter Beweis stellen möchte und sich in schwieriger Situation bewährt. Wer etwas bewegen will, muss eben auch harte Entscheidungen treffen können – so die Begründung für machtvolles Auftreten. Wie schnell dabei der Machtgebrauch in Größenwahn, Machtmissbrauch und Machbarkeitsillusionen umkippen kann, zeigt die Geschichte und gelegentlich auch das nähere Umfeld. Gleichzeitig scheint es aber starke interne Kontrollüberzeugungen und Erwartungen an die Selbstwirksamkeit zu brauchen, um sich überhaupt auf eine Führungsrolle einzulassen. Zumal man weiß, dass hier zu viele, oft unbekannte Faktoren im Spiel sind, als dass man irgendetwas „im Griff“ haben könnte.

Psychologisch gesprochen sind gesunde narzisstische Anteile eine Grundvoraussetzung guter Führung: Wer sich selbst nicht führen kann, wird auch andere nicht führen können. Dies erfordert eben nicht zuletzt ein positives Selbstbild und ein stabiles Selbstkonzept. Schnell erzeugt die wahrgenommene Komplexität einer Führungsherausforderung aber auch Versagensängste und Ohnmachtsgefühle. Führung macht einsam. Zudem stehen wir uns als Menschen mit unseren Eigenheiten in der Informationsverarbeitung oftmals selbst im Weg und können uns nicht „objektiv“ einer Aufgabenstellung nähern. Nur: Keine Macht ist auch keine Lösung.

Neuere Ansätze der Führungsforschung versuchen nun Antworten zu finden, die dem jeweiligen Zeitgeist Rechnung tragen und Gestaltungshinweise liefern: So wird heute im Bild der „transformationalen Führung“ die Ausübung von Einfluss auf andere positiv gedeutet und als die Macht der visionären Kraft und geistigen Anregung gefasst (Bass, 1985). In der politikwissenschaftlich orientierten Diskussion wird an dieser Stelle von „Soft Power“ gesprochen (Nye, 1990), die auf die Attraktivität immaterieller Werte setzt und ohne ökonomische oder gar militärische Stärke auskommt. Im Ansatz der geteilten Führung („Shared Leadership“, Pearce and Conger, 2003) wird die Macht kollektiviert und deren Ausübung auf mehrere Köpfe verteilt. Und im Konzept der dienenden Führung („Servant Leadership“, Greenleaf, 2002) wird der Machtgebrauch als Dienst an einem größeren Ziel kanalisiert.

Wohin man auch schaut, im Moment ist in der Theoriebildung „postheroisches Management“, „systemisches Denken“ und „Partizipation“ angesagt, während in der Praxis die „Great Man“-Theorie trotz vielfältigster Experimente offenbar weiterhin gut geeignet ist, Selbstverständnisse und Verhaltensweisen von vielen Führungskräften zu erklären. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sich an dieser Zustandsbeschreibung von Theorie und Praxis der Führung in naher Zukunft so schnell etwas ändern wird. Von der empirischen Forschung, die einzelne „Variablen“ immer wieder neu zusammensetzt, ist zudem nicht zu erwarten, dass sie eines Tages zu gesetzesähnlichen Aussagen mit Praxisrelevanz gelangt. Zugleich zeigt sich, dass Führungsstile, die angestrebte Ziele technokratisch erreichen wollen, heute zunehmend an der Komplexität und Ungewissheit scheitern.

Dieser Hintergrund bildet den Ausgangspunkt für das Leipziger Führungsmodell (Kirchgeorg, Meynhardt, Pinkwart, Suchanek & Zülch, 2017). Es unternimmt den Versuch, wiederkehrende Grundfragen guter Führung zeitgemäss aufzubereiten und für die Praxis handhabbar zu machen.

Einordnung des Modells

Das Leipziger Führungsmodell (LFM, englisch Leipzig Leadership Model) ist ein von einem interdisziplinär zusammengesetzten Autorenkollektiv an der HHL Leipzig Graduate School of Management entwickelter, mehrdimensionaler Orientierungsrahmen. Die Entwicklung geht auf hochschulinterne Diskussionen seit Ende der 1990er Jahre zurück, welche seit der Finanzkrise ab 2007 noch einmal verstärkt wurden und über einen intensiven Theorie-Praxis-Dialog zur ersten Modellversion geführt haben.

Während die akademisch orientierte Führungsforschung sich immer weiter von der Praxis zu entfernen scheint, fehlt der kaum zu überblickenden Fülle an pragmatisch hochrelevanten Ansätzen oft eine Anbindung an wissenschaftliche Diskurse. Hier möchte das Modell über die wissenschaftliche Herleitung einerseits und bewusst formulierte Freiheitsgrade in der situativen Konkretisierung andererseits einen vermittelnden Weg einschlagen. Dies resultiert in einem bewusst generisch gehaltenen, heuristischen Modell, u…

Professor Dr. Timo Meynhardt, Diplom-Psychologe und Inhaber des Dr. Arend Oetker Lehrstuhls für Wirtschaftspsychologie und Führung an der HHL Leipzig Graduate School of Management.

Professor Manfred Kirchgeorg, Diplom-Kaufmann, Inhaber des SVI-Stiftungslehrstuhls für Marketing, insbes. E-Commerce und Crossmediales Management an der HHL Leipzig Graduate School of Management.

Professor Dr. Andreas Suchanek, Diplom-Volkswirt, Inhaber des Dr. Werner Jackstädt Lehrstuhls für Wirtschafts- und Unternehmensethik an der HHL Leipzig Graduate School of Management.

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