Personalauswahl: Big Five berufsbezogen erheben

Pixabay Reimund Bertrams

Persönlichkeitsmerkmale sind wichtige Prädiktoren für den Berufserfolg. Ein Fragebogen erfasst die berufsbezogene Belastbarkeit und Gewissenhaftigkeit.

Der Personalmangel erfordert gute und akzeptierte Auswahlprozesse, damit die passenden Mitarbeiter ausgewählt werden können und sie eine vakante Stelle auch annehmen. Die am häufigsten genutzten eignungsdiagnostischen Verfahren sind dabei noch immer die Sichtung der Bewerberunterlagen und Bewerbungsgespräche. Leistungstests und Persönlichkeitsfragebögen kommen dagegen nach wie vor selten zum Einsatz. Ziel dieser eignungsdiagnostischen Verfahren ist die Vorhersage des zukünftigen Verhaltens im Beruf.

Gewissenhaftigkeit und Ausgeglichenheit

Das klassische und am weitesten verbreitete Persönlichkeitsmodell ist das Big-Five-Modell von Paul T. Costa Junior & Robert R. McCrae. Es besagt, dass es fünf Hauptmerkmale gibt, anhand derer man die Persönlichkeit einer Person erfassen kann: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Neurotizismus wird dabei mit Ausgeglichenheit, emotionaler Stabilität oder auch Belastbarkeit beschrieben, da diese Begriffe besser in den beruflichen Kontext passen.

Der Persönlichkeitsfragebogen NEO-PI-R bzw. NEO-FFI (Kurzform des NEO-PI-R) basiert auf dem Big-Five-Modell und wird oft in eignungsdiagnostischen Untersuchungen verwendet. Dabei weisen zahlreiche Forschungsarbeiten auf Zusammenhänge zwischen den Persönlichkeitsmerkmalen und dem Berufserfolg hin.

So fanden Murray A. Barrick und Kollegen heraus, dass Gewissenhaftigkeit und Ausgeglichenheit gute Prädiktoren für Vorgesetztenbewertungen, Produktivitätsdaten, Fluktuation, Beförderungen oder Gehaltsbemessungen in Bezug auf verschiedene Berufe (z.B. Verkauf, Manager, Polizei) sind.

Diese Vorhersagekraft ist erstaunlich, da der NEO-PI-R bzw. NEO-FFI ausschließlich alltags- und nicht berufsspezifische Aussagen beinhaltet. Die Befunde zeigen dennoch, dass es empfehlenswert ist, diese Merkmale im Auswahlverfahren zu erheben. Ein Berufsbezug würde dabei die Vorhersagekraft für beruflichen Erfolg erhöhen und die Akzeptanz bei den Bewerbern steigern.

Zehn Persönlichkeitsaspekte

In den letzten Jahrzehnten haben Forscher damit begonnen, die interne Struktur der Big Five sowie deren Vorhersagekraft in Bezug auf arbeitsbezogenes Verhalten zu untersuchen. Es besteht heute Einigkeit darüber, dass jedes dieser fünf Persönlichkeitsmerkmale mehrere untergeordnete Aspekte umfasst. So wird beispielsweise das Merkmal Gewissenhaftigkeit in die Aspekte Fleiß und Ordnung unterteilt. Dabei beschreibt der Fleißaspekt eher die Zielstrebigkeit und die Eigeninitiative. Der Ordnungsaspekt beschreibt eher das sorgfältige sowie planvolles Arbeitsverhalten.

Neben Colin G. DeYoung und Kollegen weisen auch Timothy A. Judge und Kollegen anhand eines Strukturgleichungsmodells (statistische Methode, um kausale Zusammenhänge zu untersuchen) empirisch nach, dass jedem dieser fünf Merkmale zwei Aspekte untergeordnet sind.

Basierend auf dieser zweidimensionalen Struktur entwickelten Thomas Moldzio und Kollegen in der letzten Dekade einen empirisch geprüften Fragebogen für die Erfassung der Belastbarkeit und Gewissenhaftigkeit sowie deren untergeordnete Aspekte für den beruflichen Kontext, die „Arbeitsbezogenen Belastbarkeits- und Gewissenhaftigkeitsskalen (ABGS)“ (s. Abbildung 1). Schließlich weisen diese beiden Persönlichkeitsmerkmale die größten Zusammenhänge mit beruflichem Erfolg auf und sind somit für Organisationen am relevantesten.

Die ABGS erfassen mit insgesamt vier Skalen zwei Belastbarkeitsaspekte (soziale Belastbarkeit und Dauerbelastbarkeit) sowie zwei Aspekte der Gewissenhaftigkeit (Fleiß und Ordnung).

 

Auf der einen Seite spiegeln die Aspekte soziale Belastbarkeit und Dauerbelastbarkeit das Merkmal Ausgeglichenheit wider. Auf der anderen Seite misst der Fragebogen die Fleiß- und Ordnungsaspekte der Gewissenhaftigkeit, welche Aussagen über die Zielstrebigkeit und Strukturiertheit einer Person am Arbeitsplatz beinhalten.

Diese Unterteilung ist hilfreich für eine differenziertere Betrachtung der Persönlichkeitsmerkmale. So kann es für eine Stärken- und Schwächen-Analyse in einer Potenzialerkennung hilfreich sein, zu wissen, ob man Teilnehmern helfen muss, Strategien für die langanhaltende Belastung oder für Belastungen in sozial anspruchsvollen Situationen zu entwickeln. Falls zum Beispiel ein Mitarbeiter eine niedrige Ausprägung in der Dauerbelastbarkeit aufweist, könnte das Unternehmen neben strukturellen Anpassungen intern schauen, inwiefern dem Mitarbeiter Kurse zur Resilienz und Stressbewältigung angeboten werden können. Folgen, wie beispielsweise ein Burnout, könnten verhindert werden.

Schaut man s…

Pia Sophie Wedemeyer, Diplom-Psychologin, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Moldzio & Partner - Institut für Personalauswahl in Ahrensburg

Diplom-Psychologe, Geschäftsführender Partner bei Moldzio & Partner - Institut für Personalauswahl in Ahrensburg

Diplom-Psychologin, Beraterin bei Moldzio & Partner - Institut für Personalauswahl in Ahrensburg

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