Wer unzufrieden mit seinem Job ist, überschätzt oft den Veränderungsbedarf und hält einen grundlegenden Karrierewechsel für die einzige Lösung. Dabei liegt das Problem oftmals nur an bestimmten Aspekten des gegenwärtigen Arbeitsplatzes.
Eine Diplom-Kauffrau war sehr erfolgreich im Controlling tätig, aber chronisch unzufrieden. Ihre Wunschvorstellung war daher ein Job in der Marktforschung. Durch schlecht bezahlte Praktika schaffte sie als Seiteneinsteigerin den Wechsel – allerdings zu finanziell deutlich schlechteren Konditionen. Doch schon bald stellte sie zu ihrem Leidwesen fest, dass ihr auch dieser Beruf nicht die Erfüllung brachte, die sie sich davon versprochen hatte. Nun hatte sie neben den finanziellen Einbußen auch noch ein Handicap im Lebenslauf.
Das ist leider kein Einzelfall. Wer unzufrieden mit seinem Beruf ist, hält einen grundlegenden Berufs- oder Karrierewechsel oftmals für die beste Lösung. Dieser bedeutet per definitionem sowohl einen Wechsel der Aufgabe, der Funktion (WAS man tut) als auch einen Wechsel des Tätigkeitsfelds oder der Branche (WO man arbeitet).
Die Autorin arbeitet seit einer speziellen Ausbildung in den USA im Jahr 1994 mit beruflich Unzufriedenen und begleitet sie bei beruflichen Veränderungswünschen. Die Klienten sind in der Regel Erwachsene mit einigen oder vielen Jahren Berufserfahrung. Dabei fällt immer wieder auf, dass die meisten die Gründe für ihre Unzufriedenheit nur erstaunlich schlecht benennen können. Dennoch sind viele der Überzeugung, dass sie etwas ganz anderes machen müssten, um wieder zufrieden zu sein.
Berufliche Unzufriedenheit kann allerdings viele Ursachen haben, die es zunächst systematisch zu ergründen gilt. Wie immer liegt die Voraussetzung für eine erfolgreiche Intervention in einer guten Diagnose: Was ist das eigentliche Problem für die berufliche Unzufriedenheit? Man kann nämlich auch das falsche Problem lösen und es sogar noch vergrößern– wie im eingangs geschilderten Fallbeispiel.
Über die Jahre hinweg zeigte sich bei Hunderten von Beratungen, dass die allermeisten Klienten eigentlich gar nicht in einem völlig falschen Beruf gelandet waren. Eher waren ganz bestimmte Aspekte ihrer Tätigkeit dafür verantwortlich, dass der ganze Job keine Freude mehr machte.
So suchte vor einigen Jahren eine damals 38-jährige Beamtin Beratung. Sie arbeitete in einem wissenschaftlichen Institut und war so unglücklich, dass sie ihren Beruf samt Beamtenstatus an den Nagel hängen und noch mal neu studieren wollte. Sie war überzeugt, dass sie schon bei der Berufswahl einen gravierenden Fehlgriff gemacht hatte. Nach einer Standortbestimmung zeigte sich jedoch, dass eigentlich alles an ihrem Beruf gut passte. Sie war als Wissenschaftlerin im richtigen Beruf, ihr Forschungsgebiet interessierte sie nach wie vor. Es gab nur einen entscheidenden, aber hoch problematischen Punkt: Sie litt einzig und allein unter ihren völlig unmotivierten und unkooperativen Kollegen – und genau das verleidete ihr den ganzen Job. Nach dieser Erkenntnis hatte sie klare Anhaltspunkte für den eigentlichen Veränderungsbedarf – ein kompletter Karrierewechsel oder Neuanfang war jedenfalls nicht erforderlich.
Es geht also eher um „Karriere-Tuning“, bei dem der konkrete Veränderungsbedarf ermittelt wird, damit d…
Madeleine Leitner ist Diplom-Psychologin und berät Menschen in beruflichen Umbruchsituationen.