Eine neue Studie zeigt, welche Rolle die Art des Feedbacks bei einem virtuellen Präsentationstraining spielt. Auch beim Führungstraining und dem Lernen in komplexen sozialen Situationen hat Virtual Reality großes Potenzial.
Stellen Sie sich vor, Sie seien in einem Meetingraum und müssten eine Präsentation halten. Alleine die Vorstellung einer solchen Situation kann bei Menschen mit Vortragsangst bereits großen Stress verursachen. Dabei kann ihnen im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie geholfen werden: In regelmäßigen praktischen Übungen werden sie schrittweise mit immer stärker Angst auslösenden Situationen konfrontiert, bis sie diese ohne Angst meistern können. Bei Interventionen dieser Art müssen jedoch stets erfahrene Therapeutinnen und Therapeuten dabei sein, um das Vorgehen zu überprüfen und so den Erfolg der Maßnahmen zu gewährleisten. Daher ist die Zahl der Personen, die von einem derartigen Training profitieren können, naturgemäß beschränkt. Aber was wäre, wenn man dieses Training von den Therapeutinnen entkoppeln und ortsunabhängig nutzen könnte, um so deutlich mehr Menschen helfen zu können?
Genau diese Option liefert Virtual Reality (VR), eine Technologie, die es erlaubt, immersive, also realitätsnahe und glaubwürdige virtuelle Welten hautnah zu erleben. Durch das Aufsetzen einer VR-Brille wird das Umfeld blockiert und die Spielwelt direkt vor die Augen projiziert. Man taucht also komplett in die virtuelle Welt ein.
VR wurde bereits in den 70er Jahren erforscht und in verschiedenen Bereichen angewandt, allerdings war die Technologie in ihrem Umfang stark limitiert und nicht praktikabel. Die entwickelten VR-Brillen waren sehr schwer, wodurch sie nur für kurze Sitzungen genutzt werden konnten. Zusätzlich war die Darstellung aufgrund technologischer Limitationen nicht ausreichend detailliert, was die angestrebten Vorteile von VR eingeschränkt hat. Seit 2014 erlebt VR jedoch einen deutlichen Aufschwung durch die vermehrte Verfügbarkeit von vergleichsweise günstigen (150 bis 450 Euro) und dabei qualitativ hochwertigen VR-Brillen. Mittlerweile kann jede bzw. jeder Interessierte eine solche Brille kaufen und sich damit selbst von der Technologie überzeugen.
Daher wird VR auch immer öfter verwendet, um ängstlichen Personen die Möglichkeit zu geben, sich in einer sicheren Umgebung ihren Ängsten zu stellen und damit den Umgang mit den herausfordernden Situationen in kleinen Schritten zu üben. Über die Vortragssangst hinaus wird VR bisher schon mit großem Erfolg zu therapeutischen Zwecken verwendet, zum Beispiel bei Phobien vor Spinnen, vor Höhe oder vor geschlossenen Räumen. Neben den Fortschritten von VR in diesem Kontext stellt sich die Frage, ob man die Technologie nicht auch zu Trainingszwecken bei Personen nutzen kann, die nicht unbedingt mit einer konkreten Angst kämpfen, sondern bestimmte Fähigkeiten erlernen beziehungsweise verbessern wollen.
Einsatz im Training
In den letzten Jahren wurde VR bereits in vielen unterschiedlichen Bereichen genutzt um einzelne Fähigkeiten zu verbessern oder um Arbeitskräfte generell zu trainieren. VR wird bereits erfolgreich in der Chemie, im Schulunterricht und in der Medizin verwendet. Beispielsweise hat Kurinchiselvan Gurusamy vom University College London in einer Studie gezeigt, wie angehende Chirurginnen und Chirurgen konkrete Operationen in VR trainieren können. Forscherinnen und Forscher wie Mel Slater von der Universität Barcelona sehen den Wirkungsmechanismus für ein solches VR-basiertes Training in der Immersion, die es ermöglicht, die virtuelle Welt in VR als realitätsnah zu erleben und damit die erlernten Fähigkeiten im Anschluss an das Training in die Realität transferieren zu können.
Während die meisten Anwendungsbereiche für Trainings sich bisher auf praktische beziehungsweise manuelle Fähigkeiten beschränken, wird VR auch vermehrt zum Training von Soft Skills verwendet. So gibt es bereits mehrere Implementierungen für Studien, in denen das Präsentationstraining in VR untersucht wird und dabei beeindruckende Erfolge zeigt. Zum Beispiel hat eine Studie von Alexzander Lee gezeigt, dass Feedback von einem virtuellen Publikum während einer Präsentation in VR dazu führt, dass die Lernenden sich vergleichbar effektiv auf eine darauffolgenden Präsentation vorbereiten können wie Lernende, die vor einem echten Publikum üben.
Wie genau das Training in VR umgesetzt werden kann und durch welche Mechanismen die Lerneffekte erzielt werden sollen, konnte bisher jedoch noch nicht abschließend geklärt werden. Es ist zum Beispiel noch nicht klar, was das optimale Verhalten eines Publikums während einer virtuellen Präsentation ist oder in welcher Form das Feedback an die Lernenden weitergegeben werden soll.
Neue Studie
Basierend auf dem aktuellen Stand der Forschung hat der Autor zusammen mit Fabrizio Palmas, Ramona Reinelt, David Plecher und Professorin Gudrun Klinker in einer experimentellen Studie an der Technischen Universität München untersucht, inwiefern sich die Art des Feedbacks während einer Präsentationssituation in VR auf die Teilnehmenden auswirkt.
Dazu haben wir ein VR-basiertes Präsentationstraining implementiert, in dem die Trainierenden sich in einem Meetingraum vor einem großen Tisch wiederfinden. Im Vorfeld können die Trainierenden eine Präsentation ihrer Wahl in das System laden, die dann in VR hinter ihnen auf einer Leinwand angezeigt wird. Zusätzlich sitzen in der virtuellen Realität vor den Trainierenden drei virtuelle Charaktere, die als Publikum für die Präsentation dienen sollen.
Dieses Präsentationstraining wurde in zwei Versionen aufgeteilt: In einer Version erhalten die Teilnehmenden während der Präsentation indirektes Feedback von einem virtuellen Publikum, das je nac…
Jakub Cichor, Master of Science in Informatik (Games Engineering) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement (Neurophysiological Leadership Lab) an der Technischen Universität München