Ärger des Monats: Die Entlarvungs-Experten

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Geht es nach dem Autor des Buches „Entlarvt!“, sollen sich Führungskräfte und Personalmanager als Hobby-Ermittler betätigen und ihre Mitarbeiter damit quasi auf die Stufe von vermeintlichen Kriminellen stellen. Selbst umstrittene Verhörtechniken, wie die von einem US-Polizisten entwickelte Reid-Methode, präsentiert er ausführlich und auffallend unkritisch. Die Verhörtechnik verstößt in Deutschland gegen die Strafprozessordnung, weil sie die Willensfreiheit eines Tatverdächtigen durch Täuschung beeinträchtigt und zudem laut Experten zu einer hohen Rate von falschen Geständnissen bei Verdächtigen führt.

Aber zumindest liegt der 35-Jährige Autor mit seinem Entlarvungs-Buch im Trend. Denn auch wenn die Methode noch so fragwürdig oder abstrus ist, Tricks, mit denen man andere angeblich schnell durchschauen kann, sind derzeit wieder schwer en vogue bei Personalmanagern. Wer glaubt, es habe sich inzwischen herumgesprochen, dass es eine fundierte psychologische Diagnostik gibt, der irrt.

„Profiling – Exklusiv für HR-Experten: Ein Blick genügt und ich weiß, wer Du bist“, wirbt der österreichische Seminarveranstalter Business Circle für sein zweitägiges Seminar. „Recruiting auf den Spuren von ‚Lie to me, CSI oder der Mentalist‘ sind das Highlight des Crime-TV-Programms und hat für Profiling eine neue Perspektive eröffnet“, heißt es grammatikalisch holprig. Dank Profiling gebe es „effektivere und effizientere Recruitings, exzellenteres Personalfinding und kooperativere Mitarbeitergespräche“. Geleitet wird das Seminar von Patricia Staniek, „Profilerin“ und „ausgebildete F.A.C.S. Codiererin“. Das steht für Facial Action Coding System, und Grundlage dafür sind offenbar sogenannte Micro Expressions, also minimale Veränderungen des Gesichtsausdruckes, die nur Bruchteile einer Sekunde anhalten und daher kaum bemerkbar sind.

Doch die sind – im Gegensatz zur Mimik, die biologisch festgelegte Emotionen wie Freude oder Erstaunen ausdrückt – keineswegs eindeutig interpretierbar. „Micro Expressions sind schlicht ein Ausdruck aktueller emotionaler Reaktionen, von denen sich nicht auf Charakterzüge schließen lässt“, erklärt Psychologie-Professor Uwe Kanning. „Man würde ja auch nicht annehmen, dass ein Mensch, der gerade mit Genuss ein Stück Sahnetorte isst, generell ein Vielfraß ist.“ Hier habe man es mit einer „völligen Überdehnung der grundlagenwissenschaftlichen Befunde zum Zwecke der Vermarktung“ zu tun.

Gut vermarkten kann sich offenbar auch Peter Breidenbach, Gründer der Breidenbach Akademie und Rechtsanwalt mit Ausbildung zum Erfolgspsychologen, Lebensberater und Mentaltrainer, zudem freier Mitarbeiter für den Bereich „Menschenkenntnis und Psychologie“ bei der Bild-Zeitung. Der durfte sogar letzte Woche beim 17. Augsburger Personalentscheider-Netzwerktreffen über das Thema „Face Reading für Personalentscheider“ sprechen. „Da Personalauswahl und Personalbeurteilung wesentliche Bereiche der Personalführung sind, ist Face Reading die ideale Methode für eine optimale Mitarbeiterfindung und effektiven Personaleinsatz“, schreibt er. Eine Grundlage ist dabei die Phrenologie, also die Schädellehre, bei der aus der Schädelform auf bestimmte Fähigkeiten geschlossen wird.

Besonders gern – so scheint es – lassen sich Frauen von derartigem Humbug beeindrucken. So durfte sich Ilona Weirich, die sich als „Psycho- und Patho-Physiognomin und Menschenspezialistin“ bezeichnet, ihre Kenntnisse nicht nur beim Frauen-Netzwerk der Fachzeitschrift Werben & Verkaufen präsentieren, auf ihrer Referenzliste finden sich auch der Women Business Kongress, das Referat für Frauen und Gleichstellung im Rathaus der Stadt Hannover und die Koordinierungsstelle Frauen und Wirtschaft in Bremerhaven. Aber auch Unternehmen wie die SWB – Stadtwerke Bremen, die Hochschule Emden und Creditreform Hannover haben offenbar schon darauf gesetzt, dass die Form von Nase oder Ohren Aufschluss über die Persönlichkeit einer Person geben soll. Und auf der Homepage von Frau Weirich schwärmt Unternehmensberater Bernhard Klöver aus München: „Wir haben eine Firma physiognomisch zusammengestellt – das Betriebsklima ist klasse.“

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.

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