Ärger des Monats: Quantenphysik für Personaler

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„Hiermit wird Ihr Gehirn dank einer besonderen mathematischen Formel so umprogrammiert, dass alle Fehlhaltungen des Körpers verschwinden“, schwärmt Andreas Heine und legt der freiwilligen Versuchsperson ein kleines Kästchen auf die Stirn. Die Formel sei dem Erfinder im Schlaf eingefallen, erklärt er. Für das von ihm vermarktete BioPhysis-System habe man in einem aufwändigen Computerprogramm Rotlicht „intelligent gemacht“.

So bekomme das Gehirn die richtigen Koordinaten und der Körper navigiere sich über seine Muskulatur in eine korrekte Haltung. Fehlhaltungen wie Beckenschiefstand, Skoliosen und Atlasfehlstellungen verschwänden wie von selbst. „Das ist die einzige Methode, die langfristig hilft“, behauptet Heine. Und das ist natürlich auch für Unternehmen eine tolle Sache. Schließlich sind Rückenschmerzen weit verbreitet und eine der häufigsten Ursachen für Fehltage. Statt teuren Gymnastik- oder Yoga-Kursen genügt also das BioPhysio X-PowerLight für 3900 Euro?

Zumindest zeigten etliche Personaler reges Interesse. Und wer die Wirkungen der Geheim-Formel auf sein Hirn selbst ausprobieren wollte, musste sich in die Warteschlange einreihen. Denn sein Rotlicht-Wunder präsentierte Heine nicht etwa auf einer Esoterik-Messe, sondern auf der Zukunft Personal im Sonderbereich „Arbeitswelten HR“. Und dabei war er nicht der einzige Aussteller, der tief in die Esoterik-Wunder-Kiste griff. Lichtzauber, Energiewellen und Informationsfelder liegen offenbar bei Personalmanagern, HR-Experten und Coaches schwer im Trend.

So stellten Christiane Wittig und Susanne Wittig ihre Lightwork-Methode vor. „Lichtsprache ist Energiesprache, die mit dem persönlichen Energiefeld ´kommuniziert´. Sie arbeitet nicht mit Worten, sondern mit energetischen Form-Farb-Kombinationen. Die geometrischen Formen sind aus der Quantenphysik bekannt“, heißt es auf der Website. Ihre feinstoffliche Wirkung passiere nach dem Resonanzprinzip und die ausgewählte Lichtsprache-Form gebe Impulse mit der vom Anwender gewünschten Absicht in sein Energiefeld ab. „So können Wünsche oder Ziele selbstbestimmt, klar, fokussiert und sehr schnell ausgerichtet, verbessert und verwirklicht werden – teilweise sogar in Lichtgeschwindigkeit“, schreiben die Werbekauffrau und die Diplom-Designerin, laut Website beide immerhin mit einer „zertifizierten Lichtsprache-Ausbildung“.

Kerstin Molthan setzt dagegen auf das Informationsfeld. „Mut für Neues, das Führungskräfte erfolgreich macht – den Kick zur Erreichung ihrer Unternehmensziele gibt es hier“, verspricht ein pink-oranges Schild im Bereich „Start-up Village“ der Messe. Die ehemalige Geschäftsführerin einer PR-Agentur tippt meinen Vornamen in ihren Laptop und schon erscheinen blaue, gelb, grüne und rote Kreise auf dem Bildschirm.

„Wollen Sie sich das nicht fotografieren“, fragt Molthan. „Das ist so schön bunt.“ Doch was soll das Farbenmuster darstellen? „Das ist das Informationsfeld“, erklärt Molthan. Das habe der TimeWaver gemessen, ein kleines weißes Kästchen, das hinter dem aufgeklappten Laptop lag. Aber wie kann das Gerät mein Informationsfeld messen, wenn doch der Computer dazwischen ist? Das wisse sie auch nicht so genau, aber schließlich habe sie sich ja auf mich konzentriert, erklärt die Unternehmerin.

Und was ist überhaupt das Informationsfeld? Das könne sie leider nicht so genau erklären. Das bunte Bild entpuppt sich als Aura-Bild, auf dem meine Chakren zu sehen sein sollen. Molthan schreibt das Energieniveau Prozentzahlen meiner sieben Chakren und den Durchschnitt auf ein oranges Kärtchen. Rechnerisch ist der Durchschnitt allerdings eindeutig falsch. Das werde halt so angezeigt, erklärt sie.

Und was macht man nun damit? Das sei vor allem beim Coaching von Führungskräften sehr hilfreich und ermögliche einen völlig neuen Zugang. In den Unterlagen klingt das so: „Mit Hilfe technologiebasierter Analysen, entwickelt aus neuesten Erkenntnissen der Quantenphysik, sind wir in der Lage, im Informationsfeld von Führungskräften die unsichtbaren Auslöser für Blockaden zu identifizieren. Wir lösen diese Blockaden und setzen an die Stelle der Dysbalancen erfolgsunterstützende Impulse.“ So soll die wundersame „Informationsfeld-Balancierung“ auch gegen einen hohen Krankenstand, mangelnde Kooperation von Abteilungen, plötzliche Veränderungen der Auftragslage oder Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von talentiertem Nachwuchs helfen. Da ist es doch beruhigend, dass auf dem Bildschirm wenigstens noch steht: „Die Informationsfeldmedizin mit den nachfolgenden Anwendungen ist von der Schulmedizin nicht anerkannt.“

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.

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