Narzissmus digital und unverfälscht messen? Ein neuer Test soll es möglich machen

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Narzissten in Führungspositionen können Unternehmen weit voranbringen, aber auch tief abstürzen lassen. Doch wie erkennt man Narzissten zuverlässig? Schließlich neigen sie zur Lüge und zu einer übermäßig positiven Selbstdarstellung. Ein neuer impliziter Assoziationstest soll Abhilfe schaffen.

Wer sich aktuell mit Themen rund um Führung in Organisationen beschäftigt, kommt kaum an dem Thema Narzissmus vorbei. Narzissmus wird allgemein definiert als Motivation eines Individuums, ein übermäßig positives Selbstbild aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Narzisstische Personen werden als eingebildet, machthungrig und egoistisch, aber auch als charmant, selbstbewusst und tatkräftig beschrieben. Diese paradoxe Gegenüberstellung findet sich ebenfalls bei narzisstischen Personen im Unternehmenskontext. Führungskräfte mit narzisstischen Tendenzen schaffen es, durch charmantes Auftreten Mitarbeitende für ihre Vision und Ziele zu begeistern. Teams hingegen, die von Narzissten geführt werden, erweisen sich tendenziell als weniger effektiv und agieren sowohl untereinander als auch gegenüber anderen Teams selten kooperativ.

Obwohl Narzissmus mit seinen vielfältigen Eigenschaften und Verhaltensweisen von ausgesprochener Relevanz für die Wirtschaftspsychologie ist, besteht bei dieser Persönlichkeitseigenschaft eine große Diskrepanz zwischen aktueller Grundlagenforschung und praktischer Anwendung. Häufig betrachten Praktiker Narzissmus als kategoriales Konzept in Anlehnung an die narzisstische Persönlichkeitsstörung: Wer nach diesem Konzept bestimmte Eigenschaften in sich vereint, ist ein Narzisst, während andere, die diese Eigenschaften nicht in sich tragen, keine Narzissten sind. Aktuelle sozial- und persönlichkeitspsychologische Ansätze hingegen definieren Narzissmus anhand zweier Dimensionen, auf denen sich Personen jeweils in einem Bereich zwischen viel und wenig Narzissmus einordnen lassen.

Positive und maladaptive Facetten

Die adaptive Facette des Narzissmus beschreibt die positiven Aspekte der Eigenschaft: Personen werden als selbstbewusst, wortgewandt, überzeugend und kompetent wahrgenommen. Diese Merkmale werden jedoch im Verlauf einer Beziehung durch maladaptive und negative Aspekte überschattet. So kann sich die angehende Führungskraft, die im Bewerbungsgespräch durch Berichte besonders guter Leistungen und einem charmanten Auftreten überzeugen konnte, im späteren Beschäftigungsverhältnis als arrogant, manipulativ und kritikunfähig herausstellen. Je nachdem, welche Seite der Medaille besonders ausgeprägt ist, können Unternehmen von narzisstischen Mitarbeitern profitieren oder belastet werden. Adaptive Facetten des Narzissmus tragen unter anderem dazu bei, dass insbesondere in unsicheren sozialen Situationen Narzissten das Ruder in die Hand nehmen, Visionen kreieren und andere Personen für ihre Ziele begeistern können. In der Literatur werden sie daher als ideale Krisenmanager beschrieben. Maladaptive Facetten des Narzissmus hingegen tragen dazu bei, dass Narzissten eher ihren Arbeitgebern oder Kollegen schaden, Ressourcen übermäßig beanspruchen oder sich in illegale Machenschaften wie Steuerhinterziehung verstricken. Demnach neigen narzisstische Führungskräfte dazu, ein Maximum an Geld und Ruhm für sich zu beanspruchen, während Konkurrierende auch mit illegalen Methoden möglichst ausgeschaltet oder klein gehalten werden sollen (Fatfouta, 2018).

Geringer Stellenwert trotz hoher Praxisrelevanz

Es kann sich also durchaus für Unternehmen lohnen, Narzissmus in der Auswahl oder der Entwicklung von Mitarbeitenden und insbesondere Führungskräften zu erkennen. Aktuell ist jedoch festzuhalten, dass Persönlichkeitstests in der Personalauswahl nur von einem Bruchteil der Organisationen in Deutschland eingesetzt werden (etwa 20 Prozent, Armoneit, Schuler, & Hell, 2020). Trotz der hohen Praxisrelevanz ist davon auszugehen, dass Narzissmus bislang nur einen geringen Stellenwert beigemessen und somit selten systematisch erfasst wird. Dabei stehen bereits eine Vielzahl ökonomischer Messinstrumente aus der Grundlagen- und Anwendungsforschung zur Verfügung. Am häufigsten angewandt ist das Narcissistic Personality Inventory (NPI; deutsch: Schütz et al., 2004), bei denen Teilnehmende sich in 40 Fragen jeweils einem von zwei Sätzen zur Selbsteinschätzung zuordnen sollen. Der NPI ist in der Lage, sowohl die positiven als auch negativen Aspekte von Narzissmus grundlegend zu erfassen. Allerdings ist dieses Verfahren vielfach für seine psychometrische Güte kritisiert worden.

Wer eine bessere Unterscheidung zwischen den hellen und dunklen Aspekten von Narzissmus sucht, findet im Narcissistic Admiration and Rivalry Questionnaire (NARQ; Back et al., 2013) mit 18 Fragen (alternativ eine Kurzfassung aus sechs Fragen) eine passende Alternative. Beide Fragebögen stammen jedoch aus der allgemeinen Persönlichkeitsforschung und wurden nicht im Hinblick auf deren Einsatz im Kontext der Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie adaptiert. Diese Lücke wurde kürzlich durch das Instrument Dark Triad of Personality at Work (TOP; Schwarzinger & Schuler, 2017) geschlossen. Mit 60 Fragen werden hierbei nicht nur die negativen Aspekte des Narzissmus erfasst, sondern zusätzlich die ebenfalls als maladaptiv angesehenen Eigenschaften Machiavellismus und Psychopathie. Dieser Fragebogen wurde umfassend mit Hilfe mehrerer Studien im organisationalen Kontext konzipiert und getestet.

Narzissten neigen zum Lügen

Alle Fragebogenmaße hinsichtlich der negativen Aspekte von Narzissmus haben jedoch einen entscheidenden Nachteil. Es ist wohlbekannt, dass Narzissten zum Lügen neigen, insbesondere wenn sie sich davon einen persönlichen Vorteil versprechen. Sollte ein entsprechender Fragebogen mit Fragen wie „Ich werde nie zufrieden sein, bis ich alles bekomme, was mir zusteht“ in der Personalauswahl eingesetzt werden, haben Narzissten ein leichtes Spiel, bewusst eine sozial verträgliche Antwort anzugeben, beispielsweise um ihre Chancen auf eine Stelle oder Position zu erhöhen. Zusätzlich kann die Selbsteinschätzung durch fehlende Einsicht in eigene Persönlichkeitseigenschaften und deren zugrundeliegende Motivationen und Intentionen verzerrt sein. Wenn sich Personen also bei Vorlage einer Frage nicht an eine entsprechende Situation erinnern können oder keinen Zugang zu den befragten Konzepten haben, besteht die Gefahr, dass Antworten nicht der Realität entsprechen. Sollte sich bei der Beantwortung der Frage „Ich reagiere häufig gereizt auf Kritik“ nicht an eine entsprechende Situation erinnert oder Wut als Emotion nicht identifiziert werden können, wird wahrscheinlich eine Antwort ausgewählt, die den Narzissten im positiven Licht darstellen wird.

Diese potentiellen Hürden und Probleme bisheriger Erhebungsinstrumente waren für die Autoren der Anlass, ein neues Messinstrument für die dunkle Seite des Narzissmus zu entwickeln. Als Methode der Wahl diente das etablierte Verfahren des impliziten Assoziationstests (IAT), das bereits zur Messung anderer Persönlichkeitseigenschaften erfolgreich zur Anwendung kam.

Das Verfahren basiert auf der Annahme, dass wir über viele Situationen hinweg ausgelöste eigene Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen beobachten und diese unbewusst in unser Selbstbild integrieren. Eine narzisstische Führungskraft reagiert beispielsweise auf negative Kritik stets mit Wut und Ärger und widmet sich noch größeren Herausforderungen, um alle von ihrer eigenen Überlegenheit zu überzeugen. Diese Reaktionskette wird mit häufigerem Auftreten immer weiter im (impliziten) Selbstbild verfestigt, ohne dass die Führungskraft sich diesem Zusammenhang zwingend bewusst sein muss.

Der IAT macht diese Assoziationen messbar, indem Personen ein einfaches und kurzes Reaktionszeitexperiment durchlaufen. Diese werden instruiert, in der Mitte des Bildschirms angezeigte Worte schnellstmöglich der passenden Kategorie zuzuordnen. Der IAT teilt sich dabei in zwei Teile: Während im ersten Abschnitt sowohl Worte der Kategorien „Ich“ und „Narzisstisch“ mit einem Tastendruck nach links und Worte der Kategorien „Nic…

Professor Dr. habil. Ramzi Fatfouta, Manager HR Development bei der Bundesdruckerei und Professor am Fachbereich Psychologie an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation & Wirtschaft in Berlin

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