Vielleicht tauchen bei dem Buchtitel vor dem inneren Auge die Profiler aus schlechten Krimis auf oder bestenfalls Axel Petermanns Darstellung seiner operativen Fallanalysen, wie Profiling im Deutschen korrekt heißt.
Die Autoren machen deutlich, dass es heute für Unternehmen darum geht, neue Wege zu beschreiten, um die besten Mitarbeiter – persönlich und fachlich – zu erreichen. Personalansprache nach Schema F, so argumentieren sie, funktioniert nicht mehr – Annoncen in den Printmedien? Vielleicht lesen die begehrten Kräfte nicht Zeitung, sondern tummeln sich in den sozialen Medien. Aber: Vielleicht ist das zwar so, jedoch reagieren die IT-Affinen auf eingeblendete Stellenanzeigen gelangweilt mit Klick-und-weg. Gute Mitarbeiter wollen individuell angesprochen werden. Daher müssen die für Recruiting zuständigen Stellen eines Arbeitgebers ihre Zielgruppe sehr genau studieren. Hier setzt also das Profiling an: Wo und wie verbringen die typischen Mitglieder unserer Zielgruppe die Freizeit? Welche Musik, welche Filme interessieren sie? Lesen sie gern, was und wo? Welche körperlichen Beschwerden stehen im Zusammenhang mit ihrer Berufstätigkeit? Die potenziellen Kandidaten hinterlassen Spuren im Netz und anderswo. Und Quellen, um mehr über sie zu erfahren, gibt genug.
Candidate Profiling ist keine Aufgabe, die einmal erledigt wird, für einen bestimmten Arbeitskontext. Zu schnell ändern sich Gewohnheiten und Lebensentwürfe der Zielgruppen. Das bedeutet für Personaler eine ständige Aktualisierung ihrer Daten zur Mitarbeiterzielgruppe.
Den Autoren gelingt es überzeugend, ihre Vorstellung von Bewerber-Profiling zu vermitteln und sie motivieren dazu, diesen Weg zu beschreiten. Leider ist der praxisbezogene Teil aus dem „wirklichen Leben“ im Gegensatz dazu etwas enttäuschend. Das betrifft nicht den Teil der Arbeitsmarkt-Analyse für die fokussierten Berufsgruppen, sondern den Aspekt des „Eintauchens in die Lebenswelt der Zielgruppe“. Allzu kurz und wenig erkenntnisreich: Was wir über die Lebenswelt der Pädagogen, Mediziner oder Berufskraftfahrer erfahren, wird schon mit einigem Nachdenken augenfällig, da brauchen kein Big Data, Berufsverbände oder das statistische Bundesamt bemüht werden. Schade, das durchaus lesenswerte Buch fällt hier etwas unter sein Niveau ab.
Dr. Christine Kaul, Kaul Coaching in Hannover
Bernhard Schelenz, Oliver Gerrits
Candidate-Profiling: Wie Sie Bewerber identifizieren und erreichen. Berichte aus dem wirklichen Leben
Publicis Publishing Erlangen,
1. Auflage 2018, 127 Seiten, 24,90 Euro
Dr. Christine Kaul, Diplom Psychologin. Langjährige Führungserfahrung in einem Weltkonzern. Seit 2008 als Coach tätig.