Burnout: Frühzeitig erkennen

pixabay Gerd Altmann

Ein mögliches Burnout-Risiko möglichst früh erfassen, um noch rechtzeitig reagieren zu können? Der neue wissenschaftliche Fragebogen OBOI unterstützt dabei.

Laut einer Studie der Pronova BKK (2024) schätzen 21 Prozent der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihr aktuelles Burnout-Risiko als hoch ein und weitere 40 Prozent gehen von einer immerhin mäßigen Gefährdung aus. Diese Zahlen belegen, dass stressbedingte Erschöpfung und erlebte Überforderung für Berufstätige durchaus akute und relevante Themen sind. Dementsprechend ist es nachvollziehbar, dass individuelle Sorgen und Befürchtungen hinsichtlich der eigenen Gesundheit bestehen.

In unserer Gesellschaft spielen Themen wie Stress, damit einhergehende Belastungen, aber auch psychische Erkrankungen eine immer größere Rolle. So wird gemäß dem Gesundheitsreport des BKK-Dachverbandes (Knieps & Pfaff, 2023) mehr als jeder siebte Arbeitsunfähigkeitstag durch psychische Erkrankungen verursacht. Laut DAK (2023) zeigt sich für die letzte Dekade ein Anstieg der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen von 48 Prozent. Auch die Fehltage speziell aufgrund von Burnout bewegen sich laut der KKH Kaufmännische Krankenkasse (2024) mit elf Tagen pro 100 Erwerbstätigen auf einem sehr hohen Niveau.

Eine aktuelle forsa-Umfrage zeigt, dass mehr als jeder vierte Erwerbstätige (28 Prozent) laut eigener Angabe in seinem Berufsleben schon einmal wegen hohem Druck und Belastungen ausgefallen ist und jeder siebte sehr häufig Stress erlebt (KKH, 2024).

Stressbedingte Erkrankungen, damit einhergehende Fehlzeiten, reduzierte Motivation und Zufriedenheit sowie verringerte Produktivität sind daher Fakten, mit denen sich Organisationen und Unternehmen befassen müssen. Neben der volkswirtschaftlichen Bedeutung sind insbesondere auch die individuellen Folgen für die betroffene Person zu bedenken – sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich. Dies kann sich z. B. in Form einer Zerreißprobe für Lebenspartnerschaften oder als Existenzangst aufgrund von Arbeitsplatzverlust niederschlagen.

Was ist und wie entsteht Burnout?

Der Zusammenhang zwischen Burnout und Stress wird beim Blick in das ICD-11 (World Health Organization, 2023) deutlich. Hierbei handelt es sich um ein weltweit anerkanntes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Burnout wird dort allerdings nicht als eigenständige Erkrankung aufgeführt. Stattdessen findet sich Burnout unter den „Faktoren, die den Gesundheitszustand oder die Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten beeinflussen“. Hervorzuheben ist jedoch, dass für Burnout im ICD-11 erstmals eine konkrete Definition existiert:

Burnout ist ein Syndrom, das als Folge von chronischem Stress am Arbeitsplatz verstanden wird, der nicht erfolgreich bewältigt wurde. Die Symptomatik lässt sich durch folgende Aspekte kennzeichnen:

  1. Gefühle von Energiemangel oder Erschöpfung;
  2. Erhöhte mentale Distanz zur Arbeit oder Gefühle von Negativismus bzw. Zynismus in Bezug auf die Arbeit
  3. Ein Gefühl der Ineffizienz und mangelnder Leistung.

Burnout bezieht sich speziell auf Phänomene im beruflichen Kontext und sollte nicht zur Beschreibung von Erfahrungen in anderen Lebensbereichen verwendet werden.

 

Als Ursache eines Burnouts ist anhaltender Stress anzusehen. So ist es nachvollziehbar, dass Burnout nicht eine plötzlich auftretende Beeinträchtigung ist, sondern es sich um eine längerfristige Entwicklung, also um einen fortschreitenden Prozess, handelt (Burisch, 2021). Demnach erweist es sich als umso wichtiger, potenzielle Anzeichen eines möglichen Burnouts so früh wie möglich als solche zu identifizieren. Der Entstehung eines Burnouts kann auf diese Weise durch geeignete Interventionen möglichst frühzeitig entgegengewirkt werden.

Den schematischen Ablauf eines Burnout-Prozesses zeigt das Modell nach Burisch (2014), das in Abbildung 1 zu sehen ist.

Abb. 1: Phasen des Burnout-Prozesses

Wie können Burnout-Risiken frühzeitig erkannt werden?

Mit dem Occupational Burnout Inventory (OBOI; Hossiep & Schulz, 2024) liegt ein personalpsychologischer Fragebogen zur Burnout-Prävention vor. Das Motiv zur Entwicklung des Verfahrens war es, der Personalarbeit ein anwendungsnahes, griffiges Frühwarninstrument mit Blick auf Burnout zur Verfügung zu stellen. Es soll mit minimalem Aufwand zuverlässig einen differenzierten Check liefern, ob ein Burnout-Risiko vorliegt und deshalb Handlungsbedarf besteht oder ob sozusagen alles im grünen Bereich liegt. Dabei erfüllt das OBOI den aus wissenschaftlicher Perspektive bestehenden Anspruch in Bezug auf die gängigen Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität und liefert somit belastbare Ergebnisse.

Ein wissenschaftlicher personalpsychologischer Fragebogen zur Burnout-Früherkennung liegt veröffentlicht bisher nicht vor. Hervorzuheben ist, dass es sich ausdrücklich nicht um einen klinisch basierten Fragebogen handelt. Vielmehr soll die Möglichkeit bestehen, dass Fach- und Führungskräfte das OBOI problemlos und ausgesprochen zeitökonomisch bearbeiten können.

Der Fragebogen besteht aus lediglich 45 Aussagen. Diese schätzt die Person, die den Fragebogen beantwortet, auf einer sechsfach abgestuften Skala von „trifft voll zu“ bis „trifft überhaupt nicht zu“ ein. Dabei dauert die komplette Bearbeitung des Fragebogens erfahrungsgemäß fünf bis sieben Minuten.

Allein die Einschätzung der Aussagen regt hierbei bereits die Selbstreflexion an und damit die Auseinandersetzung mit der Thematik, in welchem Umfang die eigene Person beeinträchtigende Symptome aufweist oder nicht. Hierbei sind Aussagen wie „Mit meinen beruflichen Leistungen bin ich vollauf zufrieden“, „Schon morgens fühle ich mich fix und fertig“ oder „Mir wird alles zu viel“ einzustufen.

Eine anschließende Rückmeldung erfolgt anhand von fünf Skalen (vgl. Abb. 2), die mit folgenden Leitfragen verknüpft sind:

  • Berufliches Leistungsdefizit: Inwieweit können Sie Ihre volle Leistungsfähigkeit abrufen?
  • Körperliche Beschwerden: In welchem Umfang sind Sie körperlich fit?
  • Intrapersonale Anzeichen: Inwieweit sind Sie psychisch stabil?
  • Sozialer Rückzug: Inwieweit sind Sie in ein soziales Umfeld eingebunden?
  • Erschöpfung: In welchem Umfang gönnen Sie sich hinreichende Regenerationsphasen?

Abb. 2: Die Skalen des Occupational Burnout Inventory

Die Ausprägungen der einzelnen Skalen und gegebenenfalls sogar die Beantwortung einzelner Fragen liefern hierbei konkrete Ansatzpunkte, aus denen bei Bedarf bzw. einer bestehenden Notwendigkeit gegensteuernde Maßnahmen abgeleitet werden können.

Zusätzlich wird ein Gesamtwert errechnet, der auf einen Blick summarisch das Gesamtrisiko anzeigt. Ein geringer oder auch mittlerer Wert kann hierbei für die Person, die den Fragebogen ausgefüllt hat, durchaus entlastend wirken, während eine erhöhte Ausprägung Handlungsbedarf anzeigt. Etwaige persönliche Sorgen oder Gedanken, mit der sich die betreffende Person gegebenenfalls im Vorfeld befasst hat, können mit einer zuverlässigen Messung abgeglichen und eingeordnet werden.

Die Rückmeldung erfolgt in Form eines individuellen Ergebnisreports. Ein Bestandteil davon ist das Ergebnisprofil. Die Ergebnisse werden auf dem Profil als Sten-Werte (standard ten, bei der Sten-Skala befinden sich ca. zwei Drittel der Referenzgruppe im Wertebereich von 4 bis 7; Referenzgruppe: ca. 16 000 berufstätige Fach- und Führungskräfte) ausgewiesen. Werte von 1 bis 7 bedeuten, dass mehr oder weniger alles „im grünen Bereich“ liegt. Die Werte 8 und 9 weisen auf ein erhöhtes bzw. hohes Risiko hin. Eine Ausprägung von 10 zeigt eine sehr hohe Gefährdung an. Ein Beispiel für ein Ergebnisprofil zeigt Abbildung 3.

                                                                                                                                                      Abb. 3: Exemplarisches OBOI-Ergebnisprofil

Die im Profil abgebildeten Ergebnisse zeigen, dass die betreffende Person ein Gesamtrisiko von 5, also eine Ausprägung im mittleren Bereich, aufweist. Dementsprechend ist von keiner konkreten Burnout-Gefährdung auszugehen. Bei der Betrachtung der darunter dargestellten fünf Burnout-Skalen ist vor allem auffällig, dass die Skala Erschöpfung mit einem Wert von 8 weitaus höher ausgeprägt ist als die übrigen vier Skalen.

Hier gilt es zu ergründen, worauf diese erhöhte Ausprägung zurückzuführen ist. Ist die Person vielleicht erschöpft, weil die Arbeitslast grundsätzlich zu hoch ist? Oder handelt es sich z. B. um eine selbstständig tätige Person, die quasi rund um die Uhr für sich im Einsatz ist? Ausgehend von der konkreten individuellen Situation können dann Maßnahmen eingeleitet werden, um gegenzusteuern.

Erste Ansatzpunkte können beim Thema Erschöpfung der Umgang mit bzw. die bessere Integration von Ruhepausen in den Alltag sein. Auch generelle Freiräume und regelmäßige Zeit für eigene Interessen und Hobbys können als Gegengewicht dienen, um sich so eine qualitativ hochwertigere und ergiebige Erholungsphase zu ermöglichen.

Auch wenn sich die anderen OBOI-Skalen im grünen Bereich befinden, ist anzuraten, diese nicht aus den Augen zu verlieren. Eine regelmäßige, wiederholte Bearbeitung des OBOIs kann hierbei Hinweise darauf geben, ob a) die angegangenen Ansatzpunkte Wirkung zeigen und b) die anderen Skalen nicht einer unerwünschten Entwicklung im Sinne eines gesteigerten Risikos unterliegen.

Generell gilt: Bei einem hohen Burnout-Risiko ist der oder dem Betroffenen zu raten, sich professionelle Unterstützung zu suchen. Als erste Ansprechperson kann hier z. B. die Hausärztin oder der Hausarzt dienen. Organisationsintern können auch Betriebsärztinnen und -ärzte, der Betriebs- bzw. Personalrat oder die Personalabteilung bzw. auch das betriebliche Gesundheitsmanagement erste Anlaufstellen darstellen, die weitere Hilfe vermitteln.

Wann ist es sinnvoll, das OBOI einzusetzen?

Das Occupational Burnout Inventory kann bei Fragestellungen rund um das Thema Arbeit und Gesundheit eingesetzt werden. Der Fragebogen richtet sich primär an Berufstätige, ist aber nicht auf eine bestimmte Berufsgruppe beschränkt.

Der Fragebogen kann zur persönlichen Standortbestimmung genutzt werden, wenn Unsicherheit darüber besteht, ob eine Burnout-Gefährdung vorliegt. Zudem ist der mehrmalige Einsatz im Sinne einer Verlaufsmessung zu empfehlen, im Rahmen derer in regelmäßigen Abständen (z. B. halbjährlich; bei angezeigter Gefährdung auch in kürzeren Zeiträumen von ein bis zwei Monaten) eine Überprüfung des individuellen Risikos stattfindet. Veränderungen des Gefährdungspotenzials können so verlässlich und recht unkompliziert festgestellt werden. Gerade die wiederholte Messung bietet zugleich eine effektive Evaluationsmöglichkeit für vorgenommene Interventionen.

Der Fragebogen eignet sich zudem zum Einsatz im Coaching, in der Psychotherapie, bei der psychosozialen Beratung und im arbeitsmedizinischen Bereich. Ferner lässt sich das OBOI als Baustein des Gesundheitsmanagements, nicht zuletzt auch im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements, nutzen und bietet systematische Unterstützung bei organisationalen Fragestellungen rund um das Thema Burnout-Gefährdung.

Neben individuellen kann das OBOI auch für organisationale Fragestellungen genutzt werden. Zur Bestimmung des Burnout-Risikos für Teams, Abteilungen und auch organisationsübergreifend kann der Fragebogen einmalig oder in wiederholter Form Anwendung finden. Gerade bei hohen Krankenständen oder Rückmeldungen zu wahrgenommenen starken Belastungen kann das OBOI helfen, Eindrücke zu systematisieren und entstehende Burnout-Prozesse zu identifizieren.

Weitere Literatur

Burisch, M. (2014). Das Burnout-Syndrom. Theorie der inneren Erschöpfung (5. Aufl.). Heidelberg: Springer.

Burisch, M. (2021). Burn-out. In M. A. Wirtz (Hrsg.), Dorsch ‒ Lexikon der Psychologie (20. Aufl., S. 351). Göttingen: Hogrefe.

DAK / IGES (2023). Psychreport 2023 – Entwicklungen der psychischen Erkrankungen im Job: 2012-2022. Verfügbar unter: https://www.dak.de/dak/bundesthemen/erneuter-hoechststand-bei-psychisch-bedingten-fehltagen-2609614.html#/

Hossiep, R. & Schulz, R. (2024). Occupational Burnout Inventory (OBOI). Göttingen: Hogrefe.

KKH (2024, 1. August). Lost in Perfection? Fast jeder zweite Berufstätige häufig unter Druck. Verfügbar unter: https://www.kkh.de/presse/pressemeldungen/mentalload

Knieps, F. & Pfaff, H. (Hrsg.). (2023). Gesunder Start ins Berufsleben (BKK Gesundheitsreport 2023). Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.

Pronova BKK (2024, 13. Februar). Deutschlands Arbeitnehmer*innen zwischen Burn-out und Bore-out. Verfügbar unter: https://www.pronovabkk.de/unternehmen/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2024/deutschlands-arbeitnehmer-innen-zwischen-burn-out-und-bore-out.html

World Health Organization (WHO). (2023). International Classification of Diseases 11th Revision (ICD-11). Verfügbar unter: https://icd.who.int/en

Dr. G. Rüdiger Hossiep, Diplom-Psychologe, Leitung Projektteam Testentwicklung an der Ruhr-Universität Bochum

Professorin Dr. Rebekka Schulz, Psychologin (M.Sc.), Professorin an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Finanzen in Münster

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