Coaching in der Wissenschaft: Vorsicht Abzocke

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Unzählige Coaches zocken Ratsuchende ab, teils zu horrenden Preisen – mit verlockenden Angeboten und raffinierten Marketingtricks. Auch Akademiker werden leicht zu Opfern.

Erfüllung im Job, eine steile Karriere, ein hohes Einkommen oder der Traumpartner – zahllose Coaches werben mit den tollsten Versprechen. Was in den 90er und 20er Jahren die Sekten, Psychokulte und Motivationstrainer waren, sind heute Coaches. „Der Begriff wird vergewaltigt und ist rechtlich ungeschützt“, sagt der Marketing-Sachverständige Nils Hey, der sich in seinem Buch „Seit ich lüge, läuft der Laden“ kritisch mit dem Markt und seinen Lügen and Marketingtricks auseinandergesetzt hat. Jeder kann sich Coach nennen vom abgebrühten Verkäufer über die frustrierte Kosmetikerin bis zum arbeitslosen Akademiker. Man muss nur sichtbar werden. Durch eine Website, Videos, Bücher, Bühnenauftritte und vor allem durch Social Media. „Das ist ein Millionenmarkt“, sagt der Marketing-Experte. „Früher hat man Avon oder Herbalife verkauft und wurde in Windeseile Millionär, heute ist es Coaching.“ Doch dahinter stecke häufig nur eine Scheinwelt und eiskalte Abzocke.

Das Angebot selbst ist meist wenig konkret und nebulös. Angeboten wird meist eine Mischung von Videos, Online-Coaching, oftmals in der Gruppe und „exklusives Material“ angeblich vom Coach selbst entwickelt. Und statt einem Einzelcoaching gebe es oft Massenveranstaltungen mit hunderten anderen Teilnehmern. Oberste Prämisse ist stets: Du musst an dich glauben. Das Mindset muss stimmen – das Totschlag-Argument schlechthin. Wenn es nicht klappt, hat man eben nicht das richtige Mindset und ist selbst schuld.

Die Nachfrage boomt. „Wir haben den Eindruck, dass es in den letzten Jahren definitiv zugenommen hat“, sagt Julia Zeller, Referentin Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Bayern e.V. Vor allem über die sozialen Medien wie Facebook, YouTube, Instagram und Tiktok werde man mit Werbung für Online-Coaching regelrecht überflutet. „Da rutscht man schnell rein“, sagt Zeller. „Wir hatten Fälle von Akademikern, die mehr Work-Life-Balance wollten und dann in eine Abwärtsspirale hineingeraten sind.“ Man macht ein Coaching, stellt dann fest, dass dort nur Binsenwahrheiten verkauft wurden. Dann wird einem das nächste Coaching empfohlen. Man muss immer mehr zahlen und unterschreibt den nächsten Vertrag. So werden aus hundert Euro dann tausend Euro bis zu 50.000 Euro oder mehr. Manche Ratsuchende nehmen Kredite auf, verschulden sich oder werden sogar insolvent.

Zehn Warnsignale für unseriöse Anbieter

  • Coaching als Patentrezept für Erfolg
  • Blumige Versprechen statt konkrete Inhalte
  • Der Coach ist kompetent in allen Lebensbereichen
  • Emotionaler Druck (Willst du nicht erfolgreich werden?)
  • Vermeintlicher Zeitdruck (Das Angebot gilt nur noch heute!)
  • Kostenloses Einsteiger-Coaching (oft eine Massenveranstaltung)
  • Pyramidensystem mit dem Angebot selbst Coach zu werden
  • Unklare Verträge (Keine konkreten Leistungen)
  • Verzicht auf Widerrufsrecht
  • Sektenartiges Vorgehen (Coach als Guru)
Quelle: Verbraucherzentrale

Wer auf ein unseriöses Coaching hereingefallen ist und sich von dem Vertrag lösen will, findet Hilfe bei der Verbraucherzentrale seines Bundeslandes

 

„Es wird sehr viel mit emotionalem Druck gearbeitet“, sagt die Verbraucherschützerin. „Wenn du es nicht sofort machst, machst du es nie und bist selbst schuld. Nimm dein Leben in die Hand.“ Da werden alle denkbaren Tricks angewendet. Es werden Rabatte angeboten (das Angebot gilt nur heute) oder auch gern auf die eigene Lebensgeschichte hingewiesen. Nach dem Motto: Wenn ich das geschafft habe, schaffst du das auch. „Da sitzen Profis dahinter, die genau wissen, welche Knöpfe man drücken müsse und wie man die Menschen psychologisch einfängt und bei der Stange hält“, weiß Zeller. Das könne etwa das Streben nach Anerkennung, mangelndes Selbstbewusstsein, Autoritätshörigkeit oder die Angst, Nein zu sagen, sagt Marketingexperte Stefan Heusinger, der auf seiner Website 22 manipulative Marketing-Techniken zusammengestellt hat.

Besonders beliebt ist auch die Masche: Der Hilfesuchende kann selbst Coach werden, eine teure Ausbildung kaufen und noch mehr investieren. Manche locken, dass man für den Online-Coach arbeiten könne oder neue Opfer akquirieren könne. „Die Berufsbezeichnung Coach ist weder offiziell noch stellt dies einen Ausbildungsberuf dar“, sagt Zeller. Die Ausbildung sei oftmals schlecht und nicht anerkannt und der Markt längst mit Coaches übersättigt.

„Die Opfer ziehen sich durch alle Altersklassen und sozialen Schichten“, sagt Zeller. Das habe nichts mit einem geringen Bildungsgrad zu tun. Der Vertrag sei dann teils sehr schwammig. Oftmals stehe nicht das drin, was am Telefon besprochen wurde oder man müsse auf den Widerruf verzichten. Wer ein Online-Coaching als Verbraucher abschließt, hat ein 14tägiges Widerrufsrecht. Unseriöse Coaches versuchen, das zu umgehen. Sie sagen: Du willst dir damit ja ein Business damit aufbauen, dann kannst auch ankreuzen, dass du ein Unternehmer bist. In dem Moment fällt jedoch das Widerrufsrecht weg. „Sie versuchen damit, die Rechte des Verbrauchers abzuschneiden“, erklärt die Verbraucherschützerin.

Dem hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Juni 2025 ein Ende bereitet. Er hat  festgelegt, dass auch für Online-Coaching das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) gilt. Es schreibt vor, dass jeder Fernunterrichtskurs mit bestimmten Kriterien eine Zulassung der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) benötigt. Fehlt diese, ist der Vertrag nichtig und das gezahlte Geld zu erstatten. Dabei betont der BGH, das das FernUSG für alle Teilnehmer – auch Unternehmer – gilt (Urteil vom 12. Juni 2025, Az. III ZR 109/24).

Wer auf ein teures Online-Coaching hereingefallen ist, kann nun sein Geld unter Umständen zurückholen. Dabei muss er prüfen, ob das Angebot unter das FernUSG fällt und ob eine ZFU-Zulassung vorliegt. Falls nicht, ist der Vertrag nichtig und gezahlte Beträge müssen unter Umständen erstattet werden. Rechtliche Ausführungen finden sich hier

Wer sich als Opfer sieht, sollte den Vertrag genau prüfen. Wurde eine Notlage ausgenutzt? Ist es vielleicht Wucher? Oder kann ich den Vertrag anfechten, weil ich belogen wurde? „Aber das ist immer ein Risiko und geht leider fast immer vor Gereicht“, sagt Zeller. Letztlich dürfe man jede Leistung für jeden Preis verkaufen, wenn der andere zahlt.

Es sei wie ein klassischer Fake-Shop. Im Internet könne man eben alles fälschen. Zeller: „Man stellt sich außen attraktiv dar und dahinter steckt letztlich Betrug.“

Bärbel Schwertfeger Bild

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin, seit 1985 freie Journalistin und Chefredakteurin von WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE HEUTE.

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