Unternehmen investieren Milliarden Dollar in GenAI – doch messbare Produktivität bleibt aus. Statt Entlastung entsteht oft „Workslop“: KI-Outputs, die professionell wirken, aber Zusatzarbeit und Misstrauen erzeugen.
Wir leben in einer seltsamen Zeit: Während die Kaffeemaschine im Büro immer noch ausfällt, läuft die Investitionsmaschine für GenAI heiß. Milliarden Dollar fließen in Tools, die uns angeblich produktiver machen sollen – und doch berichtet Harvard Business Review im September, dass laut Massachusetts Institute of Technology (MIT) 95 Prozent der befragten Unternehmen keinen Return on Investment sehen – obwohl sie weltweit 30 bis 40 Milliarden US-Dollar in generative KI investiert haben. Nicht einmal ein kleiner Espresso.
40 Prozent der 1.150 befragten Vollzeitbeschäftigten erhielten in einem Monat solchen digitalen Datenmüll. Durchschnittlich 15,4 Prozent aller Arbeitsinhalte fallen in diese Kategorie – mit Folgen für die Produktivität.
Die Erklärung? Ein neuer Schlüsselbegriff für die Zukunft der Arbeit, die ein Paper von Wissenschaftlern der Stanford University und der Human Transformation Platform BetterUp vorschlägt: Workslop. Klingt wie ein Smoothie, aber macht weder satt noch gesund. Dahinter steht das Problem,
Von Ko-Kreation zur Korrekturarbeit
Workslop bezeichnet die poliert aussehende, aber inhaltlich hohle KI-Arbeit, die Kolleginnen und Kollegen nicht entlastet, sondern ihnen zusätzliche Arbeit aufbürdet. Es handelt sich um KI erzeugte Arbeitsinhalte, die zwar professionell wirken, aber inhaltlich keinen echten Fortschritt für die Aufgabe bringen: Hochglanz-PowerPoints ohne Gedanken, Reports ohne Relevanz, Protokolle voller Füllstoff.
Statt die Arbeit zu erleichtern, verlagert Workslop den Aufwand auf andere, die die Inhalte interpretieren, korrigieren oder neu erstellen müssen. So entsteht eine trügerische Effizienz, die den Arbeitsprozess und auch die Beziehung zwischen Mitarbeitenden insgesamt belastet.
Die Texte erscheinen auf den ersten Blick fundiert und gut strukturiert. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich ihre Substanzlosigkeit. Die Folgen: Jeder Workslop-Vorfall erfordert durchschnittlich zwei Stunden Nacharbeit für Entschlüsselung, Recherche und Klärungsgespräche.
Die Studie zeigt, wie teuer das wird:
- 40 Prozent der Mitarbeitenden erhielten im letzten Monat Workslop.
- Im Schnitt kostet jedes Stück 116 Minuten Nacharbeit.
- Noch perfider: Workslop frisst Vertrauen. 42 Prozent sehen Kolleginnen und Kollegen danach als weniger zuverlässig, 37 Prozent sogar als weniger intelligent.
Oder anders gesagt: Wir werden von tendenziell wohlwollenden Kollegen zu frustrierten Content-Managern unserer Kollegen. Es sieht glänzend aus, ist schnell serviert aber das Heimtückische ist: Workslop spart keine Arbeit, sondern verlagert sie nur. Jemand muss das Ganze entwirren, korrigieren, neu schreiben, relevant machen. Die KI delegiert nach oben – und am Ende stehen Kollegen und Kolleginnen mit zusätzlichem Aufwand da.
Verlust von Vertrauen
Workslop ist damit nicht nur „schlechte Arbeit“. Sondern wird zum Vertrauensproblem. Denn dort, wo Output nach Substanz aussieht, aber keine hat, entsteht eine stille Kultur der Skepsis. Aus Ko-Kreation wird Korrekturarbeit. Aus Zusammenarbeit wird Zweifel.
Es entstehen auch zwischenmenschliche Kollateralschäden. Über die Hälfte der Befragten reagiert verärgert auf Workslop-Zusendungen. Die Hälfte stuft Kollegen, die solchen Content verschicken, als weniger kreativ, kompetent und vertrauenswürdig ein. Besonders betroffen sind Dienstleistungsunternehmen und Tech-Konzerne, wo KI-Tools bereits weit verbreitet sind, schreibt das Online-Magazin Golem.
Als beratender Forscher und forschender Berater bin ich derzeit unterwegs, um gemeinsam mit Unternehmen herauszufinden, wie wir Arbeit in der Zeit der Ko-Intelligenzen organisieren können. Workslop ist eine der am häufigsten genannten Herausforderungen. Die zentrale Frage dahinter: Wie verhindern wir, dass KI unsere Arbeit vergiftet, statt sie zu veredeln?
Haltung statt Hypetrain
Die Antwort könnte so simpel sein wie unbequem: Führungskräfte müssen Leitplanken setzen. Workslop zeigt mal wieder: Die Herausforderung liegt weniger in der Technologie selbst, sondern in den Praktiken, wie wir diese in unsere Kultur und Zusammenarbeit einbetten. Es ist eben alles eine Frage der menschlichen Intelligenz.
- Software bewusst auswählen: Nicht jedes Tool für jede Aufgabe.
- „Human in the loop“ hervorheben (Überwachung des Systems durch den Menschen): KI als Partner nutzen, nicht als Shortcut.
- Verantwortung für Qualität stark machen: Hier brauchen wir ein Pilot-Mindset statt Passagierhaltung. Wer KI nutzt, bleibt verantwortlich für Substanz.
Denn sonst gilt: Was auf den ersten Blick wie Effizienz aussieht, ist in Wahrheit nur Sand im Getriebe.
Die Frage nach dem Menschen
Vielleicht erinnert uns Workslop an etwas Grundlegendes: Die Herausforderung liegt weniger in der KI selbst als in unserer Arbeitskultur. Zwischen „Artificial“ und „Intelligence“ entscheidet eben nicht das Tool – sondern der Mensch, der davorsitzt. Oder, zugespitzt: Nicht die AI braucht Governance. Wir brauchen Haltung.
Die Technologie selbst ist weder gut noch böse noch neutral, wie der Technikvisionär Melvin Kranzberg sagte. Gut, schlecht oder eher so mittel – sie ist, was wir daraus machen. Ganz besonders in einer Zeit, wo die meisten Unternehmer auf eine sehr begrenzte Zahl von LLMs (Large Language Models) zugreifen und die Arbeit an der KI immer mehr zum großen Gleichmacher wird, ist es die menschliche Intelligenz, die letztendlich einen Unterschied machen kann. Und das ist bei all den Untergangsfantasien rund um KI doch auch ein bisschen tröstlich.
Weitere Literatur
BetterUp (2025): Workslop is the new busywork. And it’s costing millions. Austin: BetterUp. Verfügbar unter https://www.betterup.com/workslop
Linde, M. (2025): Produktivitätssabotage: KI-Müll kostet Unternehmen Millionen, Berlin: Golem Media. Verfügbar unter https://www.golem.de/news/produktivitaetssabotage-ki-muell-kostet-unternehmen-millionen-2509-200417.html
Niederhoffer, K.; Kellermann, G.R.; Lee, A.; Liebscher, A.; Rapuano, K. & Hancock, J.T. (2025): Generative AI:“Workslop” Is Destroying Productivity. Cambridge: Harvard Business Review, 9/25. V erfügbar unter https://hbr.org/2025/09/ai-generated-workslop-is-destroying-productivity
Dr. Hans Rusinek, Master of Science in International Relations, Promotion zum Thema Organizational Transformation & Meaningful Work, Lehrbeauftragter und Faculty der Executive School der Universität St. Gallen, Organisationsbegleiter und Fellow im Club of Rome